Zwischen den Fronten, zwischen Terminen, zwischen Burnout und Bonus: Die mittlere Führungsebene ist zur beruflichen Kampfzone geworden. Und wer dort steht, bekommt von beiden Seiten Prügel. Vom Vorstand den Druck, von der Belegschaft das Augenrollen.

Anzeige

Was ist das Dilemma der Mittelmanager?

Mittelmanager sind die Sandwichschicht der Unternehmenswelt. Sie müssen umsetzen, was von oben kommt – und abfedern, was von unten drückt. Ihre Position: Weder Fisch noch Fleisch. Strategisch zu nah dran, operativ zu tief drin. Für den Vorstand sind sie zu kleinteilig, für die Teams zu abgehoben. Und alle paar Monate kommt ein neues Tool, eine neue Struktur, ein neues Buzzword. Kurz: Sie managen alles. Nur selten sich selbst.

Lese-Tipp: Asap, Quick Win & Co.: Die 20 schlimmsten Büro-Buzzwords

Wie wurde die Rolle zur Dauerbelastung?

Was früher als Karriere-Meilenstein galt, wirkt heute wie ein Schleudersitz. Die Anforderungen an Mittelmanager sind explodiert – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Sie sollen empathisch führen, aber bitte keine Schwäche zeigen. Sie sollen flexibel auf Krisensituationen reagieren, aber planungssicher agieren. Sie sollen auf Augenhöhe kommunizieren, aber klare Kante zeigen. Und natürlich sollen sie immer verfügbar sein – aber auch „Selfcare“ betreiben. Wie das gehen soll, sagt einem niemand.

Anzeige

Viele Manager arbeiten in einer Art Dauerspagat, in dem sie gleichzeitig führen, liefern, vermitteln, beruhigen und motivieren sollen. Der Druck kommt von zwei Seiten: Oben hagelt es neue Anforderungen, unten brechen Erwartungen auf. Kein Wunder, dass sich viele Manager fühlen, als müssten sie das Quadrat der Führung neu erfinden.

Aktuelle Daten von Gallup zeigen: Die Engagementrate unter Führungskräften ist weltweit von 30 % auf 27 % gesunken. Besonders betroffen: junge Führungskräfte unter 35 Jahren und weibliche Managerinnen – hier betrug der Rückgang bis zu sieben Prozentpunkte. Parallel dazu hat auch das subjektive Wohlbefinden gelitten: Bei weiblichen Managern sank der Anteil derjenigen, die ihr Leben als „thriving“ bewerten, um ganze sieben Prozentpunkte innerhalb eines Jahres.

Führungskräfte sind überfordert – nicht, weil sie mit Druck nicht zurechtkommen sind, sondern weil ihnen eine unlösbare Aufgabe zugemutet wird. Zwischen restrukturierten Teams, schrumpfenden Budgets, KI-Transformation, Flexibilitätsforderungen und gestiegenem emotionalem Erwartungsdruck soll die mittlere Führungsebene das alles „irgendwie zusammenhalten“. Dabei bleibt oft nur eins auf der Strecke: Sie selbst.

Anzeige

Lese-Tipp: Manager am Limit: Führung war noch nie so unattraktiv

Was bedeutet das im Arbeitsalltag?

Der typische Tagesablauf einer mittelständischen Führungskraft hat mit Planung nur am Rande zu tun. Vormittags steht die Strategie-Präsentation beim Vorstand auf dem Programm – in Business-Floskeln formuliert und PowerPoint-optimiert. Nachmittags geht’s dann ins Konfliktgespräch mit einem Teammitglied, das schon seit Wochen innerlich gekündigt hat.

Zwischendurch: Budgetanfragen, neue Prozessrichtlinien, eine spontane Einladung zu einem Führungskräfte-Call („bitte alle vorbereitet erscheinen“) und eine Mail-Flut, die das Smartphone regelmäßig ins Schwitzen bringt.

Anzeige

Wer Mittelmanager ist, lebt in zwei Welten – und spricht zwei Sprachen. Oben regieren KPIs, Synergien und Performance-Zahlen. Unten geht’s um Workload, Deadlines und die Frage, warum der neue Workflow eigentlich doppelt so lange dauert wie der alte. Diese Dualität ist kräftezehrend – vor allem, wenn man selbst weder als visionärer Leader gefeiert noch als Teil des Teams wirklich wahrgenommen wird. Applaus gibt’s selten. Druck fast immer.

Warum ist das gefährlich – für Unternehmen und Menschen?

Wenn Menschen langfristig nur funktionieren, statt gestalten zu dürfen, wirkt das wie ein schleichendes Gift. Viele Mittelmanager zahlen mit ihrer Gesundheit – Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Zynismus. Wer dauerhaft in einer Rolle steckt, in der Erwartungen diffus und Ressourcen knapp sind, landet schneller im Burnout, als es das Jahresgespräch vermuten lässt.

Doch die Konsequenzen treffen nicht nur das Individuum. Unternehmen verlieren durch diese Dauerüberlastung wertvolles Wissen, Führungskompetenz – und natürlich Motivation. Denn Führungskräfte, die nur noch verwalten und sich rechtfertigen, statt zu führen, schaffen einen muffigen Geruch im Flur. Wer sich selbst nicht sicher ist, kann kein Sicherheitsgefühl vermitteln. Und genau das brauchen Teams – gerade in unsicheren Zeiten.

Anzeige

Was brauchen Mittelmanager wirklich?

Führung in der Mitte funktioniert nur mit Rückendeckung. Wer Teams führen und Verantwortung übernehmen soll, muss spüren, dass er nicht bei jedem Konflikt allein im Regen steht. Klare Erwartungen von oben sind essenziell – nicht in Form kryptischer Zielsysteme, sondern als verständliche Rollenbeschreibung: Wofür bin ich verantwortlich? Was ist meine Entscheidungsbefugnis? Und was darf ich getrost liegenlassen?

Auch Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Manager, die bei jeder Entscheidung auf Zustimmung warten müssen, handeln nicht – sie zaudern. Wer Verantwortung trägt, braucht Spielräume. Und die Sicherheit, dass Fehler zum Lernprozess gehören, nicht zur Kündigung.

Darüber hinaus brauchen Mittelmanager endlich echte Unterstützung: Programme zur Weiterentwicklung, die nicht nur Buzzword-Bingo spielen, sondern wirklich entlasten. Austausch mit anderen auf Augenhöhe – intern wie extern. Und eine Unternehmenskultur, die aufhört, Manager als Blitzableiter zu missbrauchen und stattdessen beginnt, sie als das zu sehen, was sie sind: tragende Säulen.

Anzeige

Und jetzt?

Die Manager-Falle ist keine Randerscheinung, sondern ein strukturelles Problem. Wer nur nach oben führt und nach unten weitergibt, statt Verantwortung gleichmäßig zu verteilen, riskiert den Kollaps in der Mitte. Dabei sind Mittelmanager oft genau die Menschen, die Menschen in Unternehmen zusammenhalten – leise, loyal und vor allem leidensfähig. Nur: Irgendwann ist auch das belastbarste Sandwich durchgeweicht.

Anzeige
Anzeige