Der Kollege fährt sein neues Auto vor. Die Kollegin wird befördert. Ein anderer wird im Meeting bejubelt, weil er ein paar hübsche Slides gebastelt hat. Wir lächeln. Sagen „Glückwunsch“. Klatschen höflich. Und innerlich? Brennt es, ja zerreißt es uns. Nicht vor Freude. Sondern vor Neid.
Es ist der Satz, den niemand so sagt, aber viele denken: „Ich gönn dir das nicht.“ Neid ist das schlechte Gewissen unserer Gefühlswelt – wir alle kennen ihn, doch kaum jemand spricht darüber. Im Job schon gar nicht. Dabei wirkt er dort am intensivsten: Wo Anerkennung, Macht, Gehalt und Einfluss verteilt werden. Und eben nicht immer gerecht.
Was genau ist Neid – und warum kratzt er an unserem Selbstwert?
Die Psychologen Richard H. Smith und W. Gerrod Parrott definieren Neid als emotionale Reaktion auf einen sozialen Vergleich, bei dem wir uns selbst im Nachteil sehen – gegenüber jemandem, der etwas besitzt, das wir ebenfalls gern hätten. Es kann sich um eine Eigenschaft, eine Leistung oder ein sichtbares Symbol von Erfolg handeln. Entscheidend ist, wie sehr das begehrte Objekt mit unserem Selbstwert verknüpft ist. Wer kein Interesse an Autos hat, wird beim SUV des Kollegen nur müde mit den Schultern zucken. Aber wenn wir insgeheim selbst auf die Teamleitung geschielt haben und die Kollegin wird es – dann trifft es. Direkt ins Ego.
Besonders im Arbeitskontext trifft uns Neid härter als anderswo. Weil im Büro ständig verglichen wird.
- Wer bekommt Lob vom Chef?
- Wer wird zur angesagten Konferenz geschickt?
- Wer darf mit Top-Kunden arbeiten?
- Wer wird aktiv eingebunden – wer mehr oder weniger übergangen?
Dazu kommt die tägliche Selbstinszenierung auf LinkedIn. Jede „I’m humbled to announce…“-Meldung ist ein stiller Affront gegen das eigene Statusgefühl. In dieser Dauervermessung wird der Fortschritt der anderen zur gefühlten Niederlage für uns selbst. Selbst dann, wenn es objektiv nichts mit uns zu tun hat.
Dabei ist Neid nicht gleich Neid. Es gibt destruktiven Neid – und konstruktiven. Der eine frisst uns auf, der andere kann antreiben. Destruktiver Neid will sabotieren, abwerten, sticheln. Die Kollegin wird gelobt? Dann war es sicher Glück oder Vitamin B. Der Kollege präsentiert ein vielversprechendes Projekt? Dann hatte er wohl die einfachsten Kunden. Man selbst aber bleibt.
Anders konstruktiver Neid: Er erkennt den Erfolg an, aber nutzt ihn als Spiegel. Nicht: „Das steht dem nicht zu“, sondern: „Was muss ich tun, um das auch zu erreichen?“ Beides fühlt sich ähnlich an. Aber nur eine Variante bringt uns weiter.
Im Berufsalltag zeigt sich Neid selten offen. Er schleicht sich ein. Die Stimmung kippt, der Ton wird kälter, Gespräche versiegen. Aus Kollegen werden Gegner. In toxischen Teams wird Neid da mal schnell zur Leitwährung. Erfolg wird nicht gefeiert, sondern bekämpft. Denn wer glänzt, macht anderen Schatten.
Die Folgen sind gravierend: Die Motivation sinkt, weil man sich dauerhaft im Hintertreffen fühlt. Talente verlassen das Unternehmen, weil ihnen der Erfolg nicht gegönnt oder im Team plötzlich negativ ausgelegt wird. Teams funktionieren so einfach nicht mehr, weil jeder gegen jeden arbeitet. Vertrauen geht verloren. Was bleibt, ist sind Ego-Kämpfe.
Wer sich selbst dabei ertappt, neidisch zu sein, sollte das Gefühl nicht verdrängen, sondern hinterfragen. Was fehlt mir? Warum berührt mich gerade dieser Erfolg so sehr? Geht es um das Ergebnis oder um das Gefühl, übersehen worden zu sein? Manchmal steckt hinter dem Neid ein ganz realer Missstand. Manchmal nur die eigene Unsicherheit. Wichtig ist, sich ehrlich zu reflektieren und aktiv zu werden: neue Job-Ziele setzen, Feedback einholen, Kompetenzen ausbauen, Sichtbarkeit erhöhen.
Und vor allem: den Vergleich nach außen nicht wichtiger nehmen als das Wachstum nach innen.
Wer dagegen selbst zum Ziel von Neid wird, steht vor einer anderen Herausforderung. Denn auch wenn wir es niemandem „unter die Nase reiben“, kann Erfolg trotzdem abstoßen. Entscheidend ist hier die Haltung: Nicht prahlen, nicht ausschmücken, nicht alles teilen. Aber auch nicht verstecken. Wer sich klein macht, um anderen zu gefallen, tut sich damit keinen Gefallen. Wer dagegen in den Dialog geht, Verständnis für die Gefühle und Emotionen anderer zeigt, kann auf einen entspannteren Umgang hoffen, in dem besondere Leistung nicht stört, sondern inspiriert.
Unternehmen schließlich sollten Neid nicht als Privatproblem abtun. Wenn Erfolg zur Provokation wird, liegt das ein Stück weiter auch an der Unternehmenskultur, die Vergleiche insgeheim regelrecht befeuert. Wer nur die Erolge einzelner feiert, sät Missgunst. Wer dagegen Leistung fair anerkennt, Karrierewege offenlegt und psychologische Sicherheit schafft, fördert Zusammenhalt und ein gesundes Miteinander.
Neid beginnt im Vergleich und endet in Erkenntnis
Das waren sie nun, die drei Worte, die selten laut ausgesprochen werden, aber oft zwischen Kollegen stehen. Sie flüstern uns in Meetings ins Ohr, lauern in Gruppenchats, verstecken sich hinter schiefen Blicken. Und doch sind genau diese drei Worte der Anfang von etwas Ehrlichem: Der Erkenntnis, dass wir alle nicht nur Kollegen sind, sondern auch Menschen mit Wünschen, Ängsten und Vergleichen im Kopf.