„Ich musste da einfach nur raus.“ „Jeder Job ist besser als mein letzter.“ „Ich zählte die Stunden bis zum Wochenende.“ Wer als Recruiter solche Sätze hört, weiß: Hier geht’s nicht um Begeisterung für Neues, sondern ums Davonlaufen. Und das ist ein Problem. Denn genau solche Aussagen verraten mehr über die Einstellung eines Bewerbers als jedes Motivationsschreiben.

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Zwei Sorten von Bewerbern

Im Recruiting trifft man in der Regel auf zwei Sorten von Bewerbern: Die einen wollen weg von etwas – vom miesen Chef, von der Langeweile, von sich selbst. Die anderen wollen hin zu etwas – zu einer Aufgabe, die sie reizt, zu einem Umfeld, das sie wachsen lässt, zu einem Team, in dem sie sich entfalten können. Der Unterschied? Der ist gewaltig. Denn während die einen flüchten, haben die anderen ein konkretes Ziel.

Klar, es gibt auch noch die Dritten im Bunde: die Sitzer oder Absitzer, also die, die gar nicht aktiv suchen, sondern bereits fest im Sattel sitzen – und bei der richtigen Gelegenheit doch aufspringen. Angesprochen über Xing, LinkedIn, persönliche Kontakte oder Empfehlungen. Aber über die reden wir heute mal nicht.

Was die Forschung dazu sagt

Die TU München hat 2024 in einer Studie mit 612 IT-Fachkräften genau das untersucht – und kommt zu einem spannenden Ergebnis: Es ist selten nur ein einzelner Auslöser, der zur Kündigung führt. Vielmehr ist es die Mischung. Genauer gesagt: Push- und Pull-Faktoren wirken zusammen. Begriffe, die man sonst eher aus dem Fitness- oder Bodybuilding-Bereich kennt – Push = drücken, Pull = ziehen.

Übertragen auf den Arbeitskontext heißt das: Push steht für anhaltenden Frust, Überforderung, fehlende Bindung. Pull für das, was lockt – ein spannenderes Projekt, ein besseres Jobangebot, mehr Sinn. Und dann gibt es noch den Katalysator: den Schock. Zum Beispiel ein plötzlicher Führungswechsel, ein harscher Konflikt mit einem Kollegen oder ein Projekt, das man an die Wand gefahren hat.

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Das Entscheidende: Ohne Schock bleibt Frust oft Frust. Mit Schock wird er zur Kündigung. Und genau das erklärt, warum Wechsel für Außenstehende manchmal so plötzlich kommen – und warum es sich lohnt, genauer hinzusehen.

Wenn Flucht zur Bewerbungsstrategie wird

Die Weg-von-Menschen erkennt man schnell. Sie erzählen viel von ihrem alten Chef, den schwierigen Kollegen, dem Leistungsdruck. Alles schlimm. Alles furchtbar. Und sie hoffen, dass man das merkt – und sie einfach da „rausholt“.

Aber hier beginnt das Problem: Wer sich nur irgendwo rauswünscht, landet oft einfach irgendwo. Und dieses „Irgendwo“ wird schnell zur nächsten Enttäuschung. Denn Flucht ist kein Plan, sondern ein menschlicher Reflex. Und der verpufft schneller, als man Onboarding sagen kann.

Hin-zu heißt: Ich hab was vor – ich will etwas erreichen

Ganz anders ticken die Hin-zu-Menschen. Aus denen sprudeln Sätze wie:

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  • „Ich will in einem innovativen Umfeld arbeiten.“
  • „Mich reizt Ihre Art, Projekte anzugehen.“
  • „Ich habe Ihre Unternehmensmission gelesen – und finde mich darin wieder.“

Da kommt kein Leidens- oder Fluchtbericht, sondern ein klares Zielbild. Und genau das ist das Entscheidende. Diese Leute haben sich mit dem potenziellen Job auseinandergesetzt. Mit der Firma. Mit sich selbst. Sie wollen gestalten – und nicht nur bis zur Rente in irgendeiner hinteren Büroecke überleben.

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Was Personalverantwortliche hören sollten – und was nicht

„Und, wie läuft’s?“ „Ich bin am Ende. Ich weiß nicht mehr, wo vorn und hinten ist. Hilfe!?“ Solche Gespräche sind längst Alltag. Und sie zeigen, wie schlecht oft hingehört wird. Natürlich gibt es Menschen, die bei ihrem letzten Arbeitgeber wirklich schlimme Erfahrungen gemacht haben – toxische Führung, Mobbing, Überlastung. Klar, wer solche Erlebnisse hinter sich hat, braucht keine Bewertung, sondern Unterstützung. Aber um diese geht es hier nicht.

Hier geht es um Bewerber, die aus reinem Frust losziehen – ohne Ziel, ohne Fokus, ohne konkreten Plan für die Zukunft. Wer einstellt, sollte genau das unterscheiden können: Kommt da jemand, der ehrlich etwas verändern will oder jemand, der nur wegrennt und hofft, dass alles von allein besser wird? 

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Denn Letztere bringen in der Regel nur ihre Frustpakete mit. Und die legen sie nicht ab, sie lagern sie einfach um. Und das bleibt nicht ohne Wirkung: auf die Dynamik, die Stimmung, die Entwicklung im Team.

Wer nur weg will, bleibt auch im neuen Job nicht lange

Wer sich bewusst für einen neuen Job entscheidet, sucht keine Wohlfühloase (oder nicht nur), sondern eine Aufgabe, die trägt. Kickertisch, Feierabendbier oder Gratis-Latte sind nette Extras. Aber sie sind dann eben doch kein Ersatz für Sinn, Entwicklung und Verantwortung. Und sie lösen schon gar keine Motivationskrisen.

Solche Maßnahmen können ein Sahnehäubchen sein, aber von einem Sahnehäubchen wird man nicht satt. Gute Bewerber wollen mehr. Sie wollen mitgestalten. Sich weiterentwickeln. Relevanz spüren. Und nein, das ist keine Generation-Z-Marotte. Das ist ein Signal dafür, dass jemand nicht flieht, sondern sich ganz bewusst auf den Weg macht.

Am Ende ist es simpel: Menschen, die nur wegrennen, bleiben selten lange. Sie merken schnell, dass der neue Arbeitsort auch nicht perfekt ist. Und suchen das nächste Schlupfloch. Aber Menschen, die wissen, was sie wollen – die bleiben. Weil sie sich bewusst für einen Job, ein Umfeld, einen Arbeitgeber entschieden haben. 

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Also: Recruiter, hört hin. Und fragt nach dem „Warum hier?“ statt nur „Warum weg?“. 

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