Der Bewerber wirkt fachlich stark, engagiert, freundlich – fast schon perfekt. Doch dann kommt der Satz: „Mein letzter Chef war eine Katastrophe.“ Spätestens jetzt sollten bei HR-Profis und Arbeitgeber alle Alarmglocken schrillen.

Anzeige

Warum ist Kritik am Ex-Arbeitgeber ein Warnsignal?

Ein einziger Satz kann ein ganzes Bewerberprofil kippen. Wer im Vorstellungsgespräch schlecht über den früheren Arbeitgeber spricht, liefert keine spannende Anekdote, sondern ein Charakterzeugnis. Selbst wenn die Kritik berechtigt sein sollte: Was bleibt, ist der Eindruck von:

Unternehmen investieren heute viel in ihre Arbeitgebermarke. Ein Mitarbeiter, der beim nächsten Jobinterview, beim Mittagessen mit einem Kunden oder auf Plattformen wie Xing und LinkedIn ablästert, kann in Zeiten von Employer Branding und kununu verheerenden Schaden anrichten.

Denn wer heute im Gespräch schlecht über andere redet, wird morgen vermutlich auch über dich als Arbeitgeber so sprechen. 

Anzeige

Verbitterte Bewerber: Was steckt hinter solchen Aussagen?

Der Drang, sich im Bewerbungsgespräch durch Abgrenzung vom alten Arbeitgeber zu profilieren, ist menschlich, aber riskant.

Viele Jobkandidaten glauben, sie könnten Pluspunkte sammeln, wenn sie sich als „Opfer eines schlechten Systems“ inszenieren. Wer sich vom alten Job abgrenzt, wirkt auf den ersten Blick reflektiert und motiviert für ein neues Arbeitsumfeld – doch tatsächlich schadet das dem eigenen Auftritt und wirft Fragen auf.

Denn wer auf Nachfrage über frühere Stationen nicht sachlich, sondern emotional oder gar abwertend spricht, verrät weniger über den alten Arbeitgeber als mehr über sich selbst: Über Kränkungen, mangelnde Souveränität und fehlende Reife im Umgang mit beruflichen Spannungen.

Anzeige

Psychologen sprechen hier vom sogenannten „Negativity Bias“ – einem kognitiven Effekt, bei dem negative Informationen im Gespräch stärker wahrgenommen und gespeichert werden als neutrale oder positive. Das heißt: Auch wenn 90 Prozent des Vorstellungsgesprächs eigentlich gut liefen – ein einziger abschätziger Satz bleibt im Gedächtnis. Und zwar dauerhaft.

Was das über die Haltung eines Bewerbers verrät

Wer im Bewerbungsgespräch über seinen früheren Arbeitgeber klagt, verrät vor allem eins: dass er die Verantwortung für Konflikte gern von sich schiebt. Nicht das Unternehmen war schwierig, nicht der Vorgesetzte fies, sondern der Jobkandidat selbst möglicherweise nicht in der Lage, Spannungen konstruktiv auszuhalten oder zu lösen.

Das mag hart klingen. Aber in der Praxis zeigen sich genau hier die Unterschiede in der Haltung: Professionelle Bewerber sprechen über Probleme, ohne Schuldige zu suchen. Sie reflektieren, was sie aus der Situation gelernt haben, ohne Abrechnungston.

Anzeige

Genau das macht sie vertrauenswürdig. Denn Loyalität zeigt sich auch da, wie jemand über die Vergangenheit spricht. Wer sich im Gespräch als „Opfer“ einer früheren Stelle inszeniert oder auf Seitenhiebe nicht verzichten kann, zeigt, wie er mit schwierigen Situationen grundsätzlich umgeht: mit Misstrauen statt Mündigkeit.

Gerade für Führungskräfte oder exponierte Rollen ist das ein K.o.-Kriterium. Denn wer Verantwortung tragen soll, muss auch Verantwortung für das eigene Narrativ übernehmen können – ohne Rückblick im Groll.

Wie sollten Arbeitgeber auf solche Aussagen reagieren?

Natürlich will man als Arbeitgeber nicht alles überinterpretieren, nur weil ein Kandidat im Bewerbungsgespräch eine kritische Bemerkung fallen lässt. Doch genau hier beginnt professionelle Gesprächsführung: nicht mit Verdacht, sondern mit kluger Einordnung.

Anzeige

Wer aufmerksam zuhört, erkennt den Unterschied zwischen konstruktiver Kritik und verbitterter Abrechnung.

„Ich habe im letzten Job erlebt, wie wenig Raum für Mitgestaltung da war – das hat mich frustriert.“ klingt anders als „Mein Chef war ein Kontrollfreak und hat mich tyrannisiert.“

Die erste Aussage signalisiert Reflexion. Die zweite: Groll und fehlende Selbstverantwortung.

Was tun, wenn so eine Aussage fällt?

Bevor man vorschnell urteilt, lohnt es sich, genau hinzuhören und gezielt nachzuhaken. Oft verrät erst die Reaktion auf eine einfache Rückfrage, wie jemand wirklich tickt.

Anzeige
  • „Was hätten Sie sich im Umgang gewünscht?“
  • „Was würden Sie heute anders machen?“
  • „Wie würden Sie mit einer ähnlichen Situation bei uns umgehen?“

Solche Anschlussfragen zeigen, ob jemand differenzieren kann oder ob die Kritik nur ein Ventil für persönliche Unzufriedenheit war.

Und wenn es eindeutig in Richtung Abrechnung geht? Dann gilt: ein professioneller Cut an dieser Stelle spart später viel Konfliktpotenzial im Team.

Was Bewerber über andere sagen – sagen sie bald über dich

In Zeiten von Purpose, Flexibilität und Fachkräftemangel reden viele über Benefits, Kultur und Work-Life-Balance. Aber kaum jemand spricht über das, was eine Zusammenarbeit langfristig wirklich stabil macht: Loyalität.

Anzeige

Diese Wort wird schnell mal dahingesagt, ist aber eine zentrale Fähigkeit in komplexen Arbeitsbeziehungen: Heißt konkret: Nicht in jeder Situation sofort das eigene Ego verteidigen. Nicht jede Kränkung nach außen tragen. Nicht jede gemachte Erfahrung im Nachhinein umdeuten.

Ein Bewerbungsgespräch ist immer auch ein Blick in die innere Haltung eines Menschen. Wer dort nicht mit Respekt über die Vergangenheit sprechen kann – wird es auch mit der Zukunft schwer haben.

Anzeige

Anzeige