Der deutsche Arbeitsmarkt scheint entvölkert und verlassen; der Mangel an qualifizierten Beschäftigten steigt. Dies gilt auch für Jobstellen, die für Homeoffice ungeeignet sind. Was wünschen sich Fachkräfte, die physisch immer präsent sein müssen, von ihren Arbeitgebern?

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Zu Beginn des Jahres 2022 hatte Deutschland so einen großen Fachkräftemangel, wie es ihn laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) noch nie zuvor gegeben hat.

Die Suche nach qualifiziertem Personal wird für Unternehmen in vielen Bereichen zu einer regelrechten Qual: Es fehlen Pflegekräfte, Berufskraftfahrer, Steuerfachkräfte, IT-Experten, Sozialarbeiter, Hotelfachkräfte, Kellner, Handwerker – und viele mehr.

Lese-Tipp: Fachkräftemangel: Diese Jobs leiden besonders

Gut ausgebildete Fachkräfte haben es nun in der Hand. Sie sind diejenigen, die es sich erlauben dürfen, Forderungen an Unternehmen zu stellen, nicht umgekehrt. Wegen der Situation am Arbeitsmarkt sind Arbeitgeber darauf angewiesen, neues Personal zu gewinnen, aber vor allem auch zu halten.

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Umfrage: Welche Bedingungen stellen Fachkräfte, die „deskless“ sind?

Es gibt Berufe, die im Homeoffice bzw. remote möglich sind. Seit der Pandemie haben viele Arbeitgeber die Möglichkeit, abzuwägen, ob dieses Modell auch zukünftig funktioniert, um mehr Arbeitnehmer zu halten und der Personalnot entgegenzuwirken.

Dann gibt es jedoch den riesigen Markt, der auf Fachkräfte angewiesen ist, die physisch präsent sind – unter anderem Beschäftigte im Gesundheitsbereich, im Handwerk und in vielen Dienstleistungsbereichen. Flexible Arbeitszeiten und die freie Wahl des Arbeitsortes entfallen meist.

Da der Wunsch und die Bedingung, remote zu arbeiten, also weniger eine realistische Option für diese Fachkräfte ist, müssen Arbeitgeber genauer hinschauen, welche Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wie der aktuellle „Deskless Workforce Report“ von Quinyx zeigt, fühlen 58 Prozent sich derer, die vor Ort und nicht im Homeoffice arbeiten, austauschbar. Ein guter Grund, genauer hinzuschauen.

Die Boston Consulting Group (BCG) hat eine Untersuchung mit dem Titel „Why Deskless Workers Are Leaving“ ins Leben gerufen. Es geht um Beschäftigte, die nicht in einem Büro arbeiten oder keiner Schreibtischarbeit nachgehen.

Was wünschen diese sich? Laut der Umfrageergebnisse wollen vor allem diejenigen ihren Job aufgeben, die unter Folgendem leiden:

  • mangelnde Aufstiegschancen
  • eine zu niedrige Bezahlung
  • wenig Flexibilität, wenn es um die Wahl des Arbeitsortes geht
  • mangelhafte Work-Life-Balance
  • wenig Freude am Job

Gründe für die Unzufriedenheit sind nach BCG aber nicht nur finanzieller Natur oder auf die fehlende Flexibilität zurückzuführen. Beschäftige würden sich vor allem wünschen, für ihre Arbeit gewürdigt zu werden. Ein „Danke“ vom Chef, in welcher Form es auch immer sein mag, könnte demnach helfen, Fachkräften die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen.

Praktische Umsetzung: Das sollten Arbeitgeber tun

Mit der praktischen Umsetzung der Wünsche von Fachkräften sollten Arbeitgeber nicht zu lange warten. Denn die Personalnot steigt; die Lage könnte sich in den nächsten Monaten und Jahren weiter zuspitzen. Was Unternehmen jetzt konkret umsetzen können:

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1. Karrieremöglichkeiten erweitern und Weiterbildung anbieten:

Ein Budget für Weiterbildungen und die Option, im eigenen Unternehmen zu wachsen, ist heute ein Muss. Damit Beschäftigte nicht in Stillstand verfallen oder Unterforderung verspüren. Arbeitgeber sind deshalb gefragt. Möglichkeiten sind Schulungen, Seminare, Kurse, Coachings und einiges mehr. Damit können Arbeitgeber die Bedingungen im Unternehmen für Fachkräfte nicht nur temporär attraktiv gestalten. Sondern einen Anreiz bieten, damit diese langfristig bleiben.

2. Wertschätzung bewusst kommunizieren:

Immer mehr Fachkräfte wünschen sich eine Arbeitskultur, in der Wertschätzung selbstverständlich ist. Besonders während der Pandemie wurde die harte Realität deutlich, dass Fachkräfte unverzichtbar sind und teilweise unter harten körperlichen und mentalen Bedingungen arbeiten. Ein „Danke“ kann – auch außerhalb der Pandemie – Wunder bewirken. Beschäftigte bleiben motiviert, fühlen sich gehört, gesehen und geschätzt.

Wie ein Dank aussehen kann:

  • eine E-Mail mit wertschätzenden, persönlichen Worten als Reminder
  • ein persönliches Gespräch mit dem Chef
  • ein spezielles Event für das Team organisieren, um Danke zu sagen
  • sich regelmäßig auch für vermeintlich kleine Aufgaben bedanken

3. Bezahlung anpassen:

Auch wenn viele Unternehmen kostensparend arbeiten müssen, gilt es, nicht an am falschen Ende zu sparen. Dass die Personalnot steigt, macht Personal eben zu einem besonders gefragtem „Gut“ – und das steigert den Wert dieser Fachkräfte. Arbeitgeber müssen Löhne und Gehälter zwangsläufig anpassen, um Beschäftigte zu finden und zu halten.

Hinweis: Auch wenn eine Lohnanpassung den Arbeitsplatz attraktiver macht, konnte der Personalmangel – etwa in der Altenpflege – noch nicht beseitigt werden, obwohl die Löhne bereits stark gestiegen sind. Umso bedeutender ist es für Unternehmen, auf weitere Rahmenbedingungen zu achten und nicht nur mit monetären Vorteilen zu locken.

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4. Zeitpläne flexibilisieren und Lebensstil berücksichtigen:

Dank der digitalen Möglichkeiten, die wir heute haben, ist eine flexiblere Arbeitsgestaltung möglich. Da, wo es auch in „deskless“ Berufen möglich ist, sollten Arbeitgeber deshalb kreativ werden. Dies gilt beispielsweise für eine flexiblere, digitale und gemeinsame Zeitplanung für Beschäftigte, um Schichten anzupassen. Es gilt, den persönlichen Lebensstil der eigenen Beschäftigten unbedingt zu berücksichtigen, um neue Möglichkeiten und Lösungen zu finden.

Vor allem Familien sind auf flexible Zeitpläne angewiesen, wenn beide Elternteile arbeiten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie macht Arbeitsplätze für Fachkräfte deutlich attraktiver.

Tipp: Neben flexiblen Zeitplänen, die oft zu einer emotionalen Entlastung beitragen, können Unternehmen zum Beispiel auf psychologische Beratungsangebote und Erholungsangebote für Mitarbeiter setzen. Es gilt, Rahmenbedingungen zu erschaffen, die zu einem gesunden und attraktiven Arbeitsplatz beitragen.

Zahlen im Überblick: An diesen Ergebnissen können Unternehmen sich orientieren

Ob deskless Jobber oder Schreibtischarbeit: Studien mit der Schwerpunktfrage, was Fachkräfte sich von ihren Arbeitgebern wirklich wünschen, gibt es heute zahlreiche. Die Auslegung der vielen Untersuchungen unterstreicht die Not in Deutschland. Denn nicht nur Mehrbelastung für bestehende Fachkräfte in Anstellung und steigende Arbeitskosten sind die Folge: Negative Konsequenzen können für die gesamte Volkswirtschaft erwartet werden – unabhängig davon, ob es sich um Stellen handelt, für die Arbeitnehmer körperlich anwesend sein müssen oder ortsunabhängig arbeiten.

Die Ergebnisse verschiedener Umfragen – sowohl nationale als auch globale Untersuchungen – zeigen, was Fachkräfte sich generell wünschen, warum sie gehen und unter welchen Bedingungen sie bleiben würden:

  • Laut einer Umfrage des Unternehmens StepStone wünschen 71 Prozent der Befragten sich, dass Arbeitgeber ihnen Verantwortung bzw. wichtige Projekte anvertrauen.
  • Einer Studie des Marktforschungsinstituts Respondi zeigt: Über 82 Prozent der Befragten wünschen sich einen kompetenten Chef – und rund 84 Prozent ist es wichtig, dass dieser Rückhalt zeigt und eine gute Vertrauensbasis bietet.
  • Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, dass über 50 Prozent der Studienteilnehmer – und damit fast jeder zweite Deutsche – sich nach Sinnhaftigkeit im Job sehnt, welche etwa durch die Unternehmenswerte kommuniziert werden kann. Die gleiche Umfrage zeigt: Das Wichtigste für Beschäftigte sind generell kompetente Vorgesetzte, die sich durch Kritikfähigkeit und auch Glaubwürdigkeit auszeichnen.
  • Marktforschungsinstitut GapFish fand heraus, dass Fachkräfte sich Sicherheit wünschen. Das gaben mehr als 77 Prozent der Befragten an. Etwa 55 Prozent ist außerdem die Arbeitskultur besonders wichtig.

Gut zu wissen: Schon frühere Umfragen und Studien zeigten immer wieder, dass vor allem Wertschätzung am Arbeitsplatz immer wichtiger wird. Die Einführung einer wertschätzenden Kommunikation hat gleich mehrere Vorteile für Unternehmen und Beschäftigte. Sie kann das Arbeitsklima verbessern und die Produktivität und Motivation sowie das psychische Wohlbefinden von Fachkräften steigern. Außerdem wird so die Bindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestärkt.

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Bildnachweis: andreswd/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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