IT, Personalwesen, Kundenberatung – noch 2023 zählten diese drei Bereiche laut Studie zu den Branchen mit der höchsten Wechselbereitschaft. 2024 hat sich das Bild laut Payscale deutlich erweitert: Auch Pflegekräfte, Grundschullehrkräfte und Lkw-Fahrer stehen nun ganz oben auf der Liste der Kündigungswilligen.
Ein Trend ist erkennbar: Menschen verlassen nicht mehr nur ihren Arbeitgeber – sie verlassen die Art, wie sie bislang gearbeitet haben. Und oft auch die Branche. Weil die Bedingungen nicht mehr tragbar sind, weil Sinn fehlt oder weil man schlicht nicht mehr kann.
Zwei Seiten derselben Krise: Entlassungen & freiwillige Kündigungen
Während auf der einen Seite immer mehr Unternehmen – gerade in Tech und Medien – Mitarbeiter entlassen, kündigen auf der anderen Seite Fachkräfte freiwillig. Fatal daran ist: Unternehmen verlieren genau die Leute, die sie eigentlich halten müssten – und haben gleichzeitig Schwierigkeiten, neue Talente zu gewinnen.
Ein Blick auf die aktuelle Fluktuationsliste zeigt, welche Berufe besonders betroffen sind:
- Pflegekräfte (Registered Nurses, Home Health Aides)
- Einzelhandelsmitarbeiter (Retail Sales Associate)
- IT-Support-Mitarbeiter (Computer Help Desk Representative, Support Technician, IT)
- Pharmazeutische Fachkräfte (Pharmacy Technician)
- Lehrkräfte (Elementary School Teacher, Secondary School Teacher)
- Customer Success Manager (Customer Success Manager)
- Lkw-Fahrer (Heavy Truck Driver)
- Produktionsmitarbeiter im verarbeitenden Gewerbe (Welder, Cutter, Solderer, or Brazer)
Was diese Berufe verbindet? Hoher Stress, Überlastung, teils geringe Aufstiegsperspektiven.
Quiet Quitting war nur der Anfang
Der Begriff „Quiet Quitting“ – also Dienst nach Vorschrift – war 2023 in aller Munde. Beschäftigte, die sich innerlich verabschiedet haben, ohne formal zu kündigen. Doch 2024 folgt die nächste Stufe: Viele ziehen klare Konsequenzen.
Lese-Tipp: Deutschland im Standby: 78 Prozent machen nur noch Dienst nach Vorschrift
Denn wer in der Pflege ständig unterbesetzt Schichten schiebt, im IT-Support beim Call verzweifelt oder sich im Einzelhandel mit teils unfreundlichen Kunden zerreibt, der kündigt heute schneller. Und findet häufig auch rasch Alternativen – vor allem in einem Arbeitsmarkt, der weiter unter chronischem Fachkräftemangel leidet.
Geld ist nicht alles – aber immer noch viel
Laut Payscale geben 25 Prozent der Beschäftigten an, vor allem wegen unzureichender Bezahlung gekündigt zu haben. Auch 2024 bleibt das Thema Gehalt also ein Motiv für berufliche Veränderungen.
Aber: Immer mehr Menschen nennen mentale Gesundheit, mangelnde Wertschätzung und fehlende Perspektiven als Hauptgründe für ihren Ausstieg. Besonders die jüngeren Generationen – allen voran Millennials und Gen Z – fordern mehr als Geld: Flexibilität, Sinn, Entwicklung. Ganze 87 Prozent sind bereit ihren Job hinzuschmeißen, wenn sie die Möglichkeit sehen, bei einem Arbeitgeber zu landen, der ihren Wertevorstellungen entspricht.
Job Crafting statt Jobwechsel?
Neben den Kündigungen beobachten Experten auch einen Gegentrend: Job Crafting. Wer nicht direkt kündigt, versucht, seinen Job aktiv neu zu gestalten – basierend auf den eigenen Stärken, Interessen und Werten. Das Prinzip: Statt die Stelle zu wechseln, wird die Stelle versucht zu verändert – an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Typische Job-Crafting-Strategien:
- Aufgaben tauschen oder Aufgabenbereich erweitern
- Verantwortungsbereiche übernehmen, die zur Persönlichkeit passen
- Feedback aktiv einholen
- Weiterbildungsimpulse setzen
- Mehr Sinn im eigenen Tun entdecken
Diese Form der Selbstverantwortung kann dazu beitragen, die Motivation neu zu entfachen und sich im Job wieder zuhause zu fühlen.
Der Preis der Fluktuation: teuer – menschlich wie finanziell
Unternehmen, die Kündigungen ignorieren, zahlen doppelt. Laut Payscale kostet es bis zu das Zwei- bis Dreifache eines Jahresgehalts, eine Stelle neu zu besetzen. Hinzu kommen Produktivitätsverluste, Wissensabfluss und Frustration im Team. Andere Berechnungen kommen auf bis zu 43.000 Euro pro Kündigungen, wenn Mitarbeiter gehen und neue rekrutiert werden müssen.
Die Alternative? Ein aktiver Blick auf Führung, Entwicklung, Unternehmenskultur – und echte Gespräche mit den Menschen im Unternehmen, um einer möglichen Abwanderung von vornherein zu verzubeugen.
Zukunft braucht Perspektiven – und Führung, die inspiriert
Was also brauchen Beschäftigte, um zu bleiben?
- Wertschätzung und Sinn
- Mitgestaltungsmöglichkeiten
- Transparente Entwicklungspfade für Karriere-willige
- Gute Führung – empathisch, klar, kommunikativ
Wer Mitarbeitende langfristig binden will, muss mehr bieten als einen sicheren Arbeitsplatz. Es braucht eine Kultur, die Menschen sieht – nicht nur ihre Leistung.
Lese-Tipp: Jobsicherheit statt Benefits: Was Mitarbeiter wirklich wollen
Denkst du aktuell über einen Jobwechsel nach – und was müsste sich in deinem Unternehmen ändern, damit du bleibst?