Wer Menschen führen will, muss Charakter beweisen – und bereit sein, spezielle Fähigkeiten zu erlernen. Ein Abschluss in der Tasche genügt nicht immer. Worauf also kommt es genau an?

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Es gibt Eigenschaften, die laut Verhaltensökonom Matthias Sutter dabei helfen, im Chefsessel zu landen. Aber auch erlernbare Skills, zu denen etwa das charismatische Auftreten gehört, machen laut aktuellen Forschungsergebnissen den feinen Unterschied.

„Andreia“ beweisen – Mut und Tapferkeit

Es braucht Mut, um an die Spitze zu steigen. Dazu gehört, mit schwierigen Themen nicht hinterm Berg zu halten. Und bei Gegenwind nicht gleich umzukippen. Interessant ist, dass Mut zu diversen philosophischen und religiösen Konventionen dazugehört. Früher wurde der Begriff mit „Männlichkeit“ oder „Mannhaftigkeit“ gleichgesetzt. Etwa im antiken Werk „Ilias“ von Homer, in welchem er den Begriff „andreia“ (altgriechisch: Tapferkeit; mannhaft) erwähnt.

Auf die heutige Zeit übertragen ist Geduld eine vom Geschlecht unabhängige Stärke, die Aufstiegswilligen helfen kann. Auch wenn die eigene Meinung nicht immer angenommen wird, beweisen erfolgreiche Menschen, die in die Führungsetage aufsteigen, oft echten „Mumm“.

Das kann zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

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  • einem Konzept, welches der Chef vorstellt, widersprechen
  • seine Meinung zu äußern, wenn ein offensichtlicher Fehler passiert, den andere verschweigen
  • nicht alles annehmen und bejahen, was Autoritätspersonen äußern, sondern den Mut haben, kritisch zu reflektieren
  • mit Konventionen brechen und frische Ideen einbringen, die anders sind

Klar: Es hilft, einfühlsam und respektvoll zu sein – denn soziale Fähigkeiten sind laut Sutter heute entscheidende Einflussfaktoren, um zum Chef zu werden. Wie so häufig im Leben kommt es aber auf die Mischung an.

Wer führen will, muss kooperieren können

1976 hat sich der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins einen Namen gemacht – und zwar mit seinem Werk „Das egoistische Gen“. Die Kernaussage basiert auf der Annahme, dass der Mensch eine Art „Überlebensmaschine“ sei und deshalb nicht von Natur aus in der Lage, kooperativ und gar selbstlos zu handeln.

Spiegel-Bestsellerautor und Neurowissenschaftler Joachim Bauer widerspricht: Unsere Gene wären seiner Theorie nach keine „Egoisten“. Demnach ist der Mensch von Natur aus in der Lage zur Empathie und Kooperationsfähigkeit.

Das ist auch gut so. Denn: Verhaltensökonom Sutter betrachtet die Kooperationsfähigkeit als wichtigen Bestandteil einer Führungskraft. Wer etwa auf die Impulse des Teams nicht eingehen würde, trüge zum Produktivitätsabfall der Beschäftigten bei.

Laut Dorsch (Lexikon der Psychologie) ist Kooperation unter anderem eine Form der „sozialen Interaktion“. Zu den Merkmalen gehöre eine bewusste Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit anderen Menschen oder Institutionen.

Bedeutet: Wer zum Chef aufsteigen will, muss ein Teamplayer sein. Es helfe nur wenig, Entscheidungen und Handlungen im Alleingang zu treffen und durchzuführen. Ob man Kooperationsfähigkeit jedoch „erlernen“ kann – da teilen sich die Meinungen. Sutter sei sich laut eigener Aussage nicht sicher, ob das ginge. Klar ist aber, was dazugehört: Wer sich hilfsbereit, lösungsorientiert und engagiert im Team zeigt, ist einen Schritt weiter.

Führung braucht Charisma – um zu begeistert und zu motivieren

Was in der Wissenschaft über Jahre belächelt wurde, ist heute erwiesenermaßen wichtig für erfolgreiche Leader: Charisma zieht an und hilft dabei, aufzusteigen.

Charismatische Verhaltensweisen können darüber entscheiden, wie weit du kommst. In einer empirischen Forschungsstudie haben die beiden Forscher Rabindra Kanungo und Jay Conger in den 1980er Jahren eindrucksvoll gezeigt, wie das aussehen kann. Demnach seien charismatische Merkmale zum Beispiel, die Fähigkeit zu besitzen, Visionen und Ziele auf eine überzeugende Art zu vermitteln.

Zum Vergleich: Eine rein theoretische, trockene Erzähl- und Darstellungsweise motiviert und inspiriert weitaus weniger.

Auch US-Autorin und Keynote Speakerin Olivia Fox Cabane hat sich mit Charisma beschäftigt, welches keine angeborene Fähigkeit, sondern durchaus erlernbar sei. Eine Mischung aus Präsenz, Macht und Wärme wäre wichtig:

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  1. Präsenz: Wer nicht nur in eigenen Gedanken versunken bleibt, sondern anderen gegenüber aufmerksam und präsent ist, besitzt eine wichtige Eigenschaft, die zu einer charismatischen Ausstrahlung beiträgt. Keine leichte Herausforderung, aber eine wichtige. Denn Führungskräfte müssen – auch wenn sie zum Beispiel eine private Krise durchleben – schnell umswitchen können und präsent bleiben.
  2. Macht: Aus evolutionärer Sicht sei der Mensch von Natur aus darauf bedacht, jemanden mit Macht schnell zu „erschnuppern“. Denn solchen Menschen würden wir Wirksamkeit und Einfluss zuschreiben. Macht wird häufig negativ wahrgenommen. Sehen wir uns Beispiele wie die Obamas oder Mahatma Gandhi an, wird schnell deutlich, dass charismatische Macht jedoch bedeutend sein kann, um Dinge positiv zu beeinflussen.
  3. Wärme: Wer Macht besitzt, könnte diese ausnutzen. Deshalb ist eine warme Ausstrahlung das, was charismatische Führung ausmacht. Dazu gehören beispielsweise Wohlwollen sowie Fürsorge dem Team gegenüber.

Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, sich Charisma anzutrainieren. Dazu können zum Beispiel eine aktive Körpersprache sowie Rhetorik in der verbalen Kommunikation beitragen. Die Kunst besteht darin, dennoch authentisch zu bleiben und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann etwas „too much“ ist.

Geduld: Kurzfristigen Versuchungen widerstehen, um langfristig Erfolge zu feiern

Eine Fähigkeit, die laut Sutter mit der Bedeutung des Intelligenzquotienten gleichzusetzen sei, wäre die Geduld. Sie würde eine tragende Rolle für Führungskräfte spielen. Die Forschungsstudie des Psychologen Dominik Güss aus dem Jahr 2018 (University of North Florida, USA) hat sich mit genau diesem Begriff beschäftigt.

Auf psychologischer Ebene erfülle Geduld die Aufgabe der Selbstregulation. Dazu gehören unter anderem folgende Eigenschaften:

Laut Güss wären Personen, die zum Beispiel toleranter neuen Situationen gegenüber seien, entspannter. Geduld wäre dabei erlernbar. Nicht nur, aber auch im Kindesalter. Babys, die etwas länger auf ihr Essen am Tisch warten müssten, brächen zwar vielleicht in Tränen aus, wenn der Brei auf dem Tisch stünde und immer noch zu heiß sei. Eltern, die ihnen jedoch mitteilen würden, dass sie sich einen weiteren Moment gedulden müssten, würden laut Güss zu einem Lerneffekt beitragen. Auch wenn es Tränen bedeute.

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Delphi-Studie zeigt: Digitale Transformation spielt eine wichtige Rolle

Wer aufsteigen will, sollte auch beachten, dass die Arbeitswelt sich schnell verändert. Wie Forscher der Johannes Kepler Universität, der Freien Universität Bozen und der TU Wien in einer Delphi-Studie herausgefunden haben, könnten es Führungskräfte der Zukunft noch etwas schwieriger haben.

Aufgrund der digitalen Transformation würden die Anforderungen demnach steigen und soziale Prozesse sowie eine ausgeprägte Veränderungsfähigkeit in den Fokus rücken. Im Mittelpunkt stünden beispielsweise Themen wie Selbstmanagement sowie Teamgestaltung.

Das hat den Hintergrund, dass Führung nicht mehr wie früher funktioniert: Arbeitskräfte werden selbstständiger. Konkrete Dienstanweisungen erfolgen zwar. Wie etwas ausgeführt wird, bestimmen Beschäftigte aber häufiger selbst. Umso bedeutender ist es für diejenigen, die aufsteigen wollen, anpassungsfähig sowie lernbereit zu sein, um der digitalen Veränderung als Führungskraft zu begegnen. Die Chancen, zum Leader aufzusteigen, könnten sinken, sofern diese Art von Bereitschaft fehlt.

Fazit: Schlüsselfaktoren für den Aufstieg zur Führungskraft

Mut, Kooperationsfähigkeit, Charisma sowie Anpassungsfähigkeit in Zeiten einer sich verändernden Arbeitswelt – das alles kann darüber entscheiden, wer zum Chef aufsteigt und wer auf der Strecke bleibt. Zusätzlich sei jedoch erwähnt, dass es sich „nur“ um einige der Eigenschaften handelt, die eine erfolgreiche Führungskraft ausmachen, dabei helfen, aufzusteigen und auch oben zu bleiben.

Einer der wohl wichtigsten Erkenntnis für alle, die aufsteigen wollen: Vor allem kommt es heute auf Geduld und Durchhaltevermögen an. Die Konkurrenz lauert überall. In einer Welt, in der Leistung, Macht, Status und Erfolg groß geschrieben werden, gilt es, Situationen aus- und durchzuhalten, nicht die Motivation zu verlieren und sich durchzukämpfen – und so auch zu einem starken Vorbild für das gesamte Team zu werden.

Bildnachweis: Unsplash+/unsplash.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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