Im Jahr 2021 haben Männer die deutschen Führungsetagen dominiert – so die Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Frauen machten weniger als 30 Prozent aus. Obwohl Untersuchungen belegen, dass diese oftmals bessere Leadership-Kompetenzen besitzen.

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Ob Simone de Beauvoir oder Angela Merkel: Es gibt und gab zahlreiche Frauen in einflussreichen Positionen, die Erfolg, Willenskraft und Durchsetzungsvermögen verkörpern. In politisch und wirtschaftlich wichtigen Führungsebenen bilden Männer aber die Mehrheit.

Europaweit ist das weibliche Geschlecht überwiegend im Top-Management unterrepräsentiert. Diejenigen mit Ambition, die eine Führungsposition anstreben, sind heute zwar häufiger zu finden. Laut Destatis sollen Frauen im Pandemiejahr 2021 aber nur 29 Prozent der Führungspositionen in Unternehmen belegt haben. Einfluss und Entscheidungsmacht liegen demnach zum größten Teil immer noch bei Männern. Und doch fällt auf, dass Frauen manchmal die besseren Führungsqualitäten vorweisen.

Frauen führen oft besser – aber die Selbstwahrnehmung leidet

Untersuchungen zeigen, dass Frauen in Sachen Führungsqualität mindestens gleichwertig und in einigen Punkten sogar besser abschneiden. Dass das weibliche Geschlecht nicht mindestens 50 Prozent der Führungskräfte ausmacht, liegt vor allem an kulturellen und sozialen Erschwernissen, wie etwa klassischen Rollenbildern und Klischees, geprägt von patriarchalischen Strukturen.

Eine empirische Analyse der Business- und Führungsexperten Jack Zenger und Joseph Folkman macht eindrucksvoll deutlich, dass Frauen bei wichtigen Führungsqualitäten immer wieder besser abschneiden als ihre männliche Konkurrenz. Zu diesen gehören folgende Fähigkeiten und Qualitäten:

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  • Initiative ergreifen
  • Teamarbeit
  • Selbstentwicklung praktizieren
  • Ehrlichkeit und Integrität
  • Inspiration und Motivation für andere sein

Erwähnenswert ist, dass Frauen von männlichen Vorgesetzten laut der Untersuchungsergebnisse grundsätzlich als kompetenter wahrgenommen werden. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen wären diese vor allem effektiver. Die Bewertung zeigt, dass Frauen zudem als belastbarer und ehrlicher eingestuft werden.

Problematisch: Die Selbstwahrnehmung vieler Frauen leidet. Obwohl Qualitäten und Kompetenz sogar von Männern in Führungsposition bestätigt werden, stufen Frauen sich insgesamt als weniger fähig ein. Eine frühere Untersuchung aus dem Jahr 2010, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter dem Titel „Frauen in Führungspositionen“ beauftragt wurde, belegt dies:

  • Auf Basis von sozialwissenschaftlichen Interviews fanden die Autoren heraus, dass Frauen einen größeren Leistungsdruck verspüren.
  • Häufig leiden sie unter der Herausforderung, Familie und Beruf zu vereinen, wobei hier speziell die Rolle als Mutter und Ehefrau/Partnerin zu erwähnen ist.
  • Eine von Männern dominierte Leitungskultur lässt viele Frauen spüren, dass diese sich eher als ihre männlichen Kollegen bewähren und mehr leisten müssen, um akzeptiert zu werden. Frauen sind in der Minderheit und gelten demnach als „Exoten“.

Warum besitzen Frauen oft die besseren Führungsqualitäten?

Möglicherweise sind die Ungerechtigkeiten und die Herausforderungen unter anderem gute Gründe, die dazu motivieren, kompetenter zu führen, mehr zu leisten und an sich zu arbeiten. Pauschale Antworten gibt hier aber keine. So spielt zum Beispiel auch die Sozialisation eine Rolle.

Signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Führungsposition zeigt jedenfalls der Punkt „Mitarbeitermotivation“. Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass Frauen nicht nur als diejenigen wahrgenommen werden, die besser motivieren. Sondern auch Beziehungen und Netzwerke aufbauen, was Empathie sowie Offenheit erfordert.

Zum Bedauern aller haben wir dennoch ein Problem: Frauen besitzen erwiesenermaßen wichtige Fähigkeiten für eine gute Führung. Sie bekommen aber weniger Chancen, diese zu beweisen. Die Aufstiegsmöglichkeiten sind nicht ausreichend. Geschlechtsspezifische Vorurteile sowie gängige Rollenzuschreibungen nehmen Einfluss auf die Feststellung von Leistungen und auf die Besetzung von neuen Stellen. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt laut BMFSFJ immer noch 18 Prozent.

Aufgrund der vielen Barrieren liegt die Vermutung nahe, dass einige Frauen sich gar nicht erst trauen, sich für Führungspositionen zu bewerben. Denn der Druck, unter denen Frauen leiden, erschwert den beruflichen Aufstieg häufig. Auch wenn Sie kompetent führen, ist ein – manchmal subtiler – Kampf der Geschlechter spürbar. Sich in einer männerdominierten Führungsebene immer wieder beweisen zu müssen, zerrt an den eigenen Kräften.

Welche Erfolgsfaktoren stufen sowohl Männer als auch Frauen als wichtig ein?

Es gibt nicht nur Unterschiede: In der vom BMFSFJ veröffentlichten Untersuchung wurden weibliche und männliche Führungskräfte gebeten, Erfolgsfaktoren anzugeben, die sie für die persönliche Führung als besonders bedeutend einstufen. Es fällt auf, dass beide Geschlechter sich über die wichtigsten Erfolgsfaktoren einig sind.

Wichtige Erfolgsfaktoren, die beiden Geschlechtern in Führungsposition wichtig sind, sind unter anderem:

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Auch hier fällt wieder auf: Frauen nennen zwar auch die Faktoren, die ihre männlichen Kollegen nennen. Dennoch schreiben sie den einzelnen Erfolgsfaktoren, im Vergleich zu den Angaben der männlichen Führungskräfte, eine höhere Bedeutung zu.

Es könnte sich also der leise Verdacht ergeben, dass Männer die Qualitäten und Erfolgskompetenzen als weniger wichtig erachten, weil sie es ohnehin einfacher haben, aufzusteigen. Aber: Häufig sind solche Vermutungen subjektive Wahrnehmungen, von denen abzuraten ist, sofern keine konkreten Hinweise vorliegen. Denn nicht nur Geschlecht spielt in vielen Unternehmenskulturen eine Rolle. Auch andere diskriminierende Faktoren sorgen für Ungerechtigkeiten – etwa Hautfarbe, Alter oder die sexuelle Identität.

Kompetente weibliche Führungskräfte fördern: Was können Unternehmen ändern?

Fassen wir die Ergebnisse unterschiedlicher Forschungen zusammen, zeichnet sich vor allem ein Bild ab: Es gibt viele kompetente Frauen mit wichtigen Führungsqualitäten. Befragungen ergeben immer wieder, dass diese sogar als verantwortungsbewusster und belastbarer als Männer wahrgenommen werden.

Nur die Realität steht dem aktuell entgegen: Männer befinden sich noch immer in der dominanteren Position und nehmen die meisten Plätze in der Führungsebene ein. Das suggeriert, dass diese zugleich die kompetenteren Führungskräfte sind – was aber nicht automatisch der Fall sein muss.

Es gibt mindestens zwei Sachen, die Unternehmen jetzt ändern können:

1. Eine ermutigende Unternehmenskultur erschaffen

Dass Frauen sich selbst als weniger kompetent wahrnehmen, zeugt davon, unter welchem Druck sie leiden und wie schwammig die Selbstwahrnehmung ist. An Beförderung ist nicht zu denken – und sie müssen sich als Minderheit beweisen, um Anerkennung zu erhalten.

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  • Unternehmen haben es in der Hand: Wer eine unterstützende Leitungskultur vorlebt, die für Gleichberechtigung und faire Chancen steht, kann dazu beitragen, das Selbstvertrauen von Frauen zu fördern.
  • Typische Rollenzuweisungen sind kontraproduktiv und sollten bewusst thematisiert werden. Vor allem Entscheidungsträger können dazu ermutigen, dass Frauen sich eine höhere Position zutrauen und mehr Verantwortung im Unternehmen übernehmen.
  • Das Bestreben, die Frauenquote in der Führungsebene zu erhöhen, sollte zum wichtigen Ziel werden. Ein ausgeglichenes Verhältnis signalisiert, dass die Qualitäten von Frauen genauso geschätzt werden, wie die Führungsqualitäten von Männern.

2. Entscheidungen reflektieren

Unternehmen können bereits vor der Auswahl geeigneter Führungskandidaten ein Bewusstsein für ihre Entscheidungskriterien entwickeln. Sie müssen sich die Frage stellen, ob sie Frau oder Mann – bei gleicher Qualifikation – einstellen und warum sie es tun:

  • Wird die Entscheidung von unterbewussten Prägungen sowie bewussten Vorurteilen beeinflusst?
  • Ist die Entscheidung fair und objektiv?
  • Welche Rollenstereotypen herrschen vor?

Für beide Geschlechter ist eines wichtig: Sie sollten sich nicht rechtfertigen müssen. Ambitionierte Frauen, die sich für eine Führungsposition bewerben, sollten mehr Vertrauen genießen dürfen – anstatt mit Skepsis konfrontiert zu werden. Genauso sollten Männer weniger anspruchsvolle Positionen anstreben dürfen – ohne überraschende Blicke zu ernten, die signalisieren, dass eine Karriere das einzig Erstrebenswerte für den Mann ist.

Bildnachweis: Robert Daly/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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