Wir steuern auf eine Zukunft der befristeten Arbeitsverhältnisse, des „Freelancertums“ und der ständigen Jobwechsel zu, da sind sich Experten sicher. Wir zeigen, warum diese Entwicklung für dein Gehalt äußerst lohnenswert sein könnte.
Deutsche sollten ihre Angst vor einem Jobwechsel verlieren
Die deutsche Gesellschaft liebt Sicherheit, so viel ist klar. Versicherung, Eigenheim, unbefristeter Arbeitsvertrag – all das klingt in unseren Ohren nach dem Himmel auf Erden. Kaum ein Volk investiert sein Geld so konservativ und risikoarm wie wir Deutschen. Unsere größte Angst sind nicht etwa Krieg oder die Zerstörung der Umwelt, sondern Armut und soziale Ungleichheit.
Ist das Konto gedeckt, geht es uns gut, so scheint zumindest die weit verbreitete Meinung zu lauten.
Während sich ein Großteil der Deutschen vor Armut oder sozialer Ungleichheit zu fürchten scheint, landet die Arbeitslosigkeit weit abgeschlagen dahinter. Eigentlich komisch, schließlich hängen finanzieller Wohlstand und Arbeit doch untrennbar zusammen, oder nicht?
Wer einen unbefristeten Arbeitsvertrag in einem großen, bestenfalls internationalen Unternehmen ergattern und hier langsam die Karriereleiter erklimmen sowie sein Dasein als Industriebeamter fristen kann, hat ein sorgenfreies Leben, richtig? Falsch! Nicht nur, dass die Arbeitsplatzsicherheit in Deutschland stetig abnimmt und unbefristete Verträge immer mehr zur Seltenheit werden, sondern häufige Jobwechsel verbessern die finanzielle Situation sogar.
Angestellte, die seltener als alle zwei Jahre ihre Stelle wechseln, verdienen bis zu 50 Prozent weniger.
Zudem kann ein Stellenwechsel natürlich noch weitere Vorteile mitbringen, wie weniger Überstunden, flexiblere Arbeitszeiten oder einen hierarchischen Aufstieg. Es ist also an der Zeit, dass wir Deutschen unsere Angst vor dem Jobwechsel ablegen und stattdessen damit beginnen, das Modell „Patchwork-Karriere“ als Chance auf vielerlei Ebenen zu betrachten.
Keine Gehaltserhöhung bedeutet eine „Gehaltssenkung“
Es muss nicht immer höher, schneller, weiter sein? Da geben wir Ihnen recht! Wenn du mit deinem aktuellen Job sowie Verdienst zufrieden bist und lieber die Sicherheit des unbefristeten Arbeitsvertrages genießt, als dich alle zwei Jahre nach einer besser bezahlten Stelle umzusehen, ist das völlig in Ordnung.
Aber: Auch ohne einen Jobwechsel solltest du nach spätestens zwei Jahren eine Gehaltserhöhung verlangen.
Denn die 2.500 Euro netto von morgen sind weniger wert als die 2.500 Euro netto von heute.
Wenn du also keine „Gehaltssenkung“ in Kauf nehmen möchtest, musst du eine regelmäßige Gehaltserhöhung einfordern. Ansonsten sinkt dein Einkommen genau genommen Jahr für Jahr immer weiter. Wieso?
Aufgrund der Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten: Deine 2.500 Euro netto pro Monat z. B. sind also nach einem Jahr mit durchschnittlich 1,9 Prozent Inflation nur noch 2.452,38 Euro an Kaufkraft wert. Nach zwei Jahren sind es schon nur noch 2.406,66 Euro, nach drei Jahren 2.361,89 Euro und nach zehn Jahren sogar 2.116,35 Euro Kaufkraft – bei eigentlich gleichem Verdienst. Um deine bisherige Kaufkraft zu behalten, musst du stattdessen nach einem Jahr 2.547,50 Euro netto verdienen, nach zwei Jahren 2.596,91 Euro, nach drei Jahren 2.646,28 Euro und nach zehn Jahren 2.940,71 Euro. Es handelt sich bei dieser Berechnung also um deinen inflationsbereinigten Reallohn.
Die 1,9 Prozent Inflationsrate aus unserem Rechenbeispiel ist aktuell der niedrigste Wert seit drei Jahren. Im Januar 2015 zählte der Euroraum sogar eine Deflationsrate von 0,6 Prozent, sprich dein Geld hat an Kaufkraft gewonnen, statt verloren. Doch dabei handelt es sich um absolute Ausnahmen. Der optimale Inflationswert liegt nämlich nicht, wie du vielleicht annehmen magst, bei null Prozent, sondern bei zwei.
Für den Otto Normalverbraucher sind die Gründe hierfür schwer nachvollziehbar. Diese in Gänze zu erläutern, würde an dieser Stelle zudem den Rahmen sprengen. Dennoch möchten wir die Gründe für eine Rate von zwei und gegen eine von null Prozent kurz zusammenfassen:
- Die Inflationsrate entsteht im Spannungsfeld zwischen den Zielen der Verbraucher und jener der Zentralbanken.
- Die Konsumenten sowie Unternehmen sind daran interessiert, die Preissteigerungen so gering wie möglich zu halten.
- Eine hohe Inflationsrate stellt aus ihrer Sicht eine Verzerrung des Preises als Knappheitsindikator dar.
- Für Banken bedeutet eine niedrige Inflationsrate hingegen das Risiko, auf die Nullzinsgrenze oder darunter zu stoßen.
- Dadurch wird der Handlungsspielraum der Notenbanken sowie deren Zinspolitik stark eingeschränkt.
- Die Zentralbanken können also in geringerem Ausmaß fördernd auf die Wirtschaft einwirken oder deflationäre Entwicklungen unterbinden.
- Die gewünschte Inflationsrate von zwei Prozent stellt laut Experten den optimalen Kompromiss zwischen diesen gegensätzlichen Interessen dar.
Momentan ist die Inflationsrate in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahren. Dennoch sollten Arbeitnehmer die Inflation im Auge behalten und bei Gehaltsverhandlungen berücksichtigen, um sich langfristig finanziell zu verbessern.
Gehaltssteigerungen bei Jobwechsel von 10 bis 30 Prozent
Auch, wenn du nicht unbedingt auf eine Gehaltssteigerung aus bist, musst du aufgrund der Inflationsrate also in regelmäßigen Abständen eine Gehaltserhöhung mit dem Arbeitgeber aushandeln. Diese sollte sich mindestens im Rahmen der Inflationsrate bewegen, derzeit wären das also 1,9 Prozent. In einigen Jahren sind es vielleicht wieder ein, drei oder auch fünf Prozent.
Und genau darin liegt das Problem: Nehmen wir an, du befolgst den Rat der Experten und forderst alle zwei Jahre eine Gehaltserhöhung ein, so verdienst du jedes Mal ein, zwei oder bei sehr gutem Verhandlungsgeschick auch fünf Prozent mehr. Klingt viel? Ist es nicht!
Bei einem Jobwechsel sind Gehaltssteigerungen von 10 bis 30 Prozent gegenüber der vorherigen Anstellung nicht ungewöhnlich – also ein Vielfaches der „normalen“ Gehaltserhöhung. Wenn du davon nicht nur einmal, sondern ebenfalls alle zwei Jahre Gebrauch machst, ergibt das einen enormen finanziellen Unterschied.
Wie groß dieser wirklich ist, ist beinahe schockierend: Auf dein gesamtes Berufsleben gerechnet, verdienst du mit regelmäßigen Jobwechseln im Rhythmus von zwei Jahren durchschnittlich 50 Prozent mehr als in einer Festanstellung mit Gehaltserhöhungen in denselben Zeitabständen.
Aber sind häufige Jobwechsel nicht ein No-Go im Lebenslauf?
Besonders groß ist diese Spannweite natürlich in vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen, wo die Unternehmen Bewerber durch hohe Gehälter von der Konkurrenz abzuwerben versuchen. Zwar probiert der bisherige Arbeitgeber ebenfalls häufig, die Arbeitskraft mittels Gehaltserhöhung im Unternehmen zu halten, doch hat er dabei meist strenge Grenzen zu beachten. Er darf also beispielsweise nicht mehr als fünf Prozent erhöhen.
Bei Einstellungsverhandlungen ist dieser Spielraum in der Regel deutlich größer. Die Bewerber fordern oft bereits sehr unterschiedliche Gehälter von mehreren tausend oder zehntausend Euro Differenz pro Jahr. Der Personaler kann also freier über die Gehaltsspanne entscheiden und dementsprechend ein besseres Angebot unterbreiten. Dem Bewerber fällt es in diesem Zuge leichter, zehn bis 20 Prozent heraus zu handeln, statt „nur“ fünf oder drei.
Dennoch schrecken viele Arbeitnehmer vor so häufigen Jobwechseln zurück. Einerseits, weil ständige Veränderungen auf Dauer sehr anstrengend sind. Andererseits, weil sie sich in ihrer aktuellen Anstellung vielleicht einfach wohlfühlen und es ja auch noch andere wichtige Faktoren für Zufriedenheit am Arbeitsplatz gibt, als nur den finanziellen Aspekt.
Doch zuletzt haben viele Arbeitnehmer auch Angst davor, dass häufige Jobwechsel im Bewerbungsprozess abschreckend wirken. Dies mag in einigen konservativ geprägten Unternehmen auch immer noch der Fall sein. Doch Experten sind sich einig, dass der Trend in Zukunft zur Patchwork-Karriere geht – vielleicht sogar zur flächendeckenden projektbasierten Arbeit als Freelancer.
Tipps für den erfolgreichen Jobwechsel und die Gehaltsverhandlung
Wenn du dich entscheidest, den Sprung zu wagen und regelmäßig den Job zu wechseln, gibt es einige wichtige Punkte zu beachten, um diesen Prozess möglichst erfolgreich zu gestalten:
- Netzwerk aufbauen und pflegen: Dein berufliches Netzwerk ist eine der wichtigsten Ressourcen bei der Jobsuche. Plattformen wie LinkedIn sind ein guter Startpunkt, aber auch persönliche Kontakte können Türen öffnen. Achte darauf, aktiv in Kontakt zu bleiben und dich regelmäßig mit deinem Netzwerk auszutauschen.
- Marktforschung betreiben: Bevor du deinen aktuellen Job verlässt, recherchiere, wie die Gehälter in deiner Branche und Region aktuell aussehen. So kannst du realistische, aber ambitionierte Gehaltsforderungen stellen. Verwende Gehaltsvergleiche, um gut informiert in die Verhandlung zu gehen.
- Deine Erfolge hervorheben: In jeder Bewerbung oder Gehaltsverhandlung ist es wichtig, konkrete Erfolge und Leistungen aus deiner bisherigen Karriere zu präsentieren. Zeige auf, wie du dem Unternehmen geholfen hast, Kosten zu senken, den Umsatz zu steigern oder Projekte erfolgreich umzusetzen. Solche Beispiele stärken deine Verhandlungsposition.
- Flexibilität und Zusatzleistungen nicht vergessen: Neben dem reinen Gehalt spielen oft auch andere Faktoren und Benefits eine Rolle, wie flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten oder zusätzliche Urlaubstage. Diese Aspekte können das Gesamtpaket deiner Anstellung stark aufwerten und sollten nicht vernachlässigt werden.
- Einen Plan für den nächsten Karriereschritt entwickeln: Vor jedem Jobwechsel ist es ratsam, sich Gedanken darüber zu machen, was du mit diesem Wechsel erreichen willst. Möchtest du eine höhere Position im Unternehmen, ein besseres Gehalt oder vielleicht mehr Work-Life-Balance? Setze dir klare Ziele, damit du weißt, wonach du suchst.
- Die richtige Zeit für den Wechsel finden: Auch der Zeitpunkt für den Jobwechsel spielt eine Rolle. Überlege dir, wann es strategisch am besten ist, den Job zu wechseln – z. B. nach einer abgeschlossenen Projektphase, zum Jahreswechsel, wenn viele Unternehmen ihre Budgets neu planen, oder wenn in deiner Branche viele Stellen ausgeschrieben werden.
Jeder Jobwechsel bedeutet auch gleichzeitig Persönlichkeitsentwicklung
Schlussendlich ist es wohl einfach eine Typfrage, ob du das regelmäßige Abenteuer eines Jobwechsels oder die scheinbare Sicherheit und Ruhe eines unbefristeten Arbeitsvertrages auf Kosten eines geringeren Gehaltes bevorzugst.
Doch viel wichtiger noch als der finanzielle Vorteil: Jeder Jobwechsel bringt dich als Persönlichkeit weiter. Denn Persönlichkeitsentwicklung ist nur durch Veränderung möglich. Und nach jedem gemeisterten Stellenwechsel wirst du dich stärker, selbstbewusster und hoffentlich auch glücklicher fühlen.
Denn Veränderung bedeutet ja auch stets die Chance auf Verbesserung, beispielsweise eben durch weniger Überstunden, flexiblere Arbeitszeiten oder eine höhere Position in der Hierarchie – wie eingangs erwähnt. Vielleicht ist es also auch für dich an der Zeit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Und wenn nicht, so vergiss wenigstens nicht, eine regelmäßige Gehaltserhöhung auszuhandeln, um die Inflation auszugleichen.
Welcher Typ bist du? Wechselst du gerne und häufig den Job und welche Vorteile siehst du darin? Oder fühlst du dich eher im „sicheren Hafen“ mit unbefristetem Arbeitsvertrag und routiniertem Tagesablauf wohl?
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