Jeder Mensch besitzt ein Selbstbild und ein Fremdbild. Nicht immer stimmen diese miteinander überein und auch von der Realität können sich eines oder beide stark unterscheiden. So würde dein soziales Umfeld dich vielleicht als faul einstufen, während du dich selbst für den am härtesten arbeitenden Menschen auf der Welt hältst – und in Wahrheit liegst du vermutlich irgendwo dazwischen. Generell ist jedoch das Fremdbild näher an der Realität angesiedelt als das Selbstbild einer Person. Wieso? Weil wir Menschen es lieben, uns selbst zu belügen und dadurch im bestmöglichen Licht darzustellen. Doch woran merkst du eigentlich, dass du ein falsches Selbstbild hast? Und wie kannst du dieses „korrigieren“?

Wir Menschen neigen zur Selbstüberschätzung, Überheblichkeit und Unwahrheit

Im Laufe des Lebens spielt uns das Gehirn so manchen Streich. Wir Menschen denken immer, wir seien hoch entwickelte und vernunftgesteuerte Wesen – erhaben über Instinkte oder niedere Verhaltensweisen. Ein unzensierter Blick auf die Realität entlarvt das als einen großen Irrtum. In Wahrheit sind wir nach wie vor zu großen Teilen instinktgesteuert und Sklaven unserer Emotionen. Und wenn die Regeln der Gesellschaft ausgehebelt werden – im Krieg beispielsweise – kommen dieselben niederträchtigen Verhaltensweisen ans Tageslicht, die seit eh und je tief im Menschen verankert sind. Das menschliche Gehirn ist also ein wahrer Meister darin, sich selbst zu belügen und die Realität stets zu den eigenen Gunsten zu verzerren.

Die meisten Menschen haben vor einer Wahrheit mehr Angst als vor einer Lüge.

(Ernst Ferstl)

Die menschliche Wahrnehmung ist stets subjektiv geprägt. Eine vollständige objektive Sicht auf die Welt ist deshalb unmöglich und liegt meist irgendwo in der Mitte vieler verschiedener Betrachtungsweisen. Jeder Mensch ist schließlich individuell, agiert auf unterschiedliche Art und Weise, aus jeweils anderen Gründen und mit einzigartiger Interpretation. Wäre dies nicht der Fall, gäbe es wohl deutlich weniger Konflikte und Missverständnisse auf der Welt. Diese Subjektivität ist der Grund, warum Kommunikation in vielen zwischenmenschlichen Bereichen das A und O ist – in Beziehungen beispielsweise, beim Teamwork oder in einer Wohngemeinschaft. Interessant an der Sache ist zudem, dass das Gehirn die Wirklichkeit nicht nur „irgendwie“ verzerrt, sondern es neigt dazu, die Dinge stets zu den eigenen Gunsten zu verdrehen und sich selbst dadurch im bestmöglichen Licht erscheinen zu lassen.

Spotlight-, Halo- oder Horn-Effekt: Es gibt viele Beispiele…

…für die teilweise interessanten und mitunter sehr kuriosen Realitätsverzerrungen des menschlichen Gehirns. So findet die Verzerrung des Gehirns einerseits im Außen statt, beispielsweise beim sogenannten Halo- oder Horn-Effekt.

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Hierbei schließen wir von einer positiven oder negativen Eigenschaft eines Menschen gerne auf den Rest, sprich wir halten eine gutaussehende Person tendenziell für sympathischer, gebildeter, höflicher und erfolgreicher als eine weniger attraktive. Oder eine negative Eigenschaft führt beim Horn-Effekt zu einem negativeren Gesamtbild des Gegenübers – völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um die Wahrheit handelt oder nicht.

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Einen interessanten Streich spielt uns das Gehirn auch beim sogenannten Spotlight-Effekt. So neigen wir Menschen dazu, uns selbst stets für wichtiger zu halten, als wir eigentlich sind. Wir denken also, wir stünden im „Spotlight“ und unser soziales Umfeld würde jeden unserer Schritte beobachten und bewerten. Pustekuchen! In Wahrheit sind die meisten Menschen so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass ihnen der Großteil der Worte, Taten oder Veränderungen in ihrem sozialen Umfeld nicht oder erst spät auffällt. Kennst du das nicht selbst? Du freust dich über deine neue Kleidung oder die hippe Frisur und prompt fällt es keinem auf? Klar, denn der Spotlight-Effekt ist ebenfalls nicht mehr und nicht weniger als eine reine Realitätsverzerrung.

Warum belügen Menschen sich selbst?

Wenn du einmal im Internet stöberst, wirst du über unzählige Artikel zum Thema Lügen stolpern. „Wie finde ich heraus, dass er mich belügt?“ oder „Sichere Anzeichen für eine Lüge“ sind nur einige der Begriffe, nach welchen Menschen in erschreckend hohem Maß googeln. Wann sie von ihren Mitmenschen angelogen werden und wann nicht, scheint also ein Thema zu sein, das viele Personen brennend interessiert. Aber wäre es nicht an der Zeit, erst einmal ehrlich zu sich selbst zu sein? Du solltest stattdessen googeln: „Wie merke ich, dass ich mich selbst belüge?“. Hierzu gibt es ein schönes Sprichwort:

Mich selbst zu belügen, ändert auch nichts an der Wahrheit!

In der Regel resultiert eine Selbsttäuschung zwar aus löblichen Motiven, doch die Wahrheit ist es, welche dich schlussendlich als Persönlichkeit, im Beruf oder schlichtweg im Leben an sich weiterbringen wird. Es bräuchte ein hohes Maß an Selbstreflexion sowie ein gesundes Selbstbewusstsein, um sich selbst als die Person zu betrachten, die man wirklich ist. Da das Gehirn nämlich zum Positiven verzerrt, bringt das stets Enttäuschung, Schmerz und eventuell Selbstzweifel mit sich.

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Selbstlügen dienen dementsprechend in erster Linie dem Selbstschutz. Häufige Gründe für eine Realitätsverzerrung sind beispielsweise:

  • Du möchtest dich selbst vor Schmerz bewahren. Beispiel: Sie weist mich nicht zurück, weil sie mich nicht mag, sondern weil ihr Ex-Freund sie noch stalkt und sie deshalb nicht bereit ist für eine neue Beziehung.
  • Du möchtest dir keine Schwäche oder Fehler eingestehen müssen. Beispiel: Ich habe nur am Tor vorbeigeschossen, weil mich die Sonne geblendet hat. Ansonsten hätte ich auf jeden Fall getroffen!
  • Du möchtest deine eigene Taten schönreden. Beispiel: Ich habe dem Kollegen das Projekt nur weggenommen, weil ich mir sicher bin, dass er es alleine niemals gestemmt hätte. Dass daraus eine Beförderung folgt, hätte ich ja nicht ahnen können. Ich bin normalerweise gar nicht so „karrieregeil“.

Selbsttäuschung macht das Leben also schöner. Du befreist dich von Schuld, Schmerz, Fehlern und all den negativen Seiten unserer Persönlichkeit. Irgendwie sind am Ende ja immer die anderen schuld – oder es waren unglückliche Umstände.

Wenn sich das Leben mit der Realitätsverzerrung so viel besser anfühlt, wieso solltest du diese dann zukünftig unterlassen, fragst du dich jetzt?

Die Antwort lautet: Aus demselben Grund, weshalb du auch von deinem sozialen Umfeld nicht belogen werden möchtest. Es macht auf Dauer unglücklich und bringt dich als Persönlichkeit nicht voran. Weiterentwicklung entsteht nämlich nur durch Leidensdruck und jede Enttäuschung befreit dich ein Stück weit von der „Täuschung“ und bringt dich damit der Wahrheit näher. Erst, wenn du dich selbst möglichst unverzerrt kennst, kannst du auch wahre Selbstliebe entwickeln – was deinem Erfolg, deiner Beliebtheit und vor allem deinem Lebensglück zugutekommt.

Wie kannst du die Lüge von der Wahrheit unterscheiden?

An dieser Stelle will gesagt sein, dass die absolute Wahrheit für einen Menschen wohl unerreichbar ist. Wie bereits erwähnt, wird es nämlich stets eine subjektive Verzerrung geben und die Vorstellung einer 100-prozentigen Objektivität ist eine Illusion, die – wenn überhaupt – nur eine Maschine gewährleisten kann. Wir könnten jetzt einen philosophischen Exkurs über die Frage starten: Was ist überhaupt die „Wahrheit“? Doch darum soll es heute nicht gehen. Wir möchten dir stattdessen verraten, wie du erkennst, ob und wann du dich selbst belügst und was du dagegen tun kannst.

Selbsttäuschung erkennen und korrigieren – 4 ehrliche Tipps

Erster Hinweis: Du bist ein „Ja-Sager“

Wenn du immer zu allem und jedem „Ja“ sagst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass du dich selbst belügst. Du würdest dich vielleicht als hilfsbereiten und sozialen Menschen einstufen. Eventuell hältst du dich auch für eine Art „Superheld“, der alles kann und über unendlich Energie verfügt. In Wahrheit hast du aber mit Sicherheit nur Angst davor, hin und wieder „Nein“ zu sagen und dadurch deine Mitmenschen vor den Kopf zu stoßen. Du denkst vielleicht, du wärst dann weniger beliebt oder würdest unter Umständen sogar deinen Job riskieren.

Lese-Tipp: Nein sagen lernen: Grenzen setzen ohne zu verletzen

Lösung: Höre auf damit, deine „Hilfsbereitschaft“ schön zu reden und gestehe dir ein, dass du Angst davor hast, Grenzen zu setzen. Übe dich darin, auch manchmal „Nein“ zu sagen und komme deinen wahren Bedürfnissen dadurch einen großen Schritt näher. Als ständiger „Ja-Sager“ läufst du nämlich Gefahr, dich ausbeuten zu lassen beziehungsweise selbst auszubeuten und dadurch langfristig betrachtet deine Gesundheit zu riskieren.

Zweiter Hinweis: Du hältst dich für angstfrei

Angst ist ohnehin ein wichtiges Stichwort, wenn es um das Thema Selbsttäuschung geht. Viele Menschen erfinden vor sich selbst nämlich allerhand Ausreden, um sich keine Ängste eingestehen zu müssen. Wenn du dich für (beinahe) angstfrei hältst, belügst du dich garantiert selbst. Jeder Mensch trägt nämlich Ängste mit sich herum. So gibt es Ängste wie jene vor dem Tod, welche instinktiv in wohl jedem Lebewesen veranlagt sind, und weitere individuelle Ängste wie Platzangst, Höhenangst oder soziale Phobien.

Lösung: Werfe einmal einen ehrlichen Blick auf dich selbst und frage dich, wovor du Angst hast. Wenn du wirklich keine Ängste bei dir finden kannst, frage dein soziales Umfeld – deinen Freunden, Angehörigen oder Bekannten fallen gewiss ein oder zwei Dinge ein!

Dritter Hinweis: Du spielst eine Rolle

Würdest du voller Überzeugung behaupten, dass du stets zu 100 Prozent du selbst bist? Herzlichen Glückwunsch – das erreichen nur sehr wenige Menschen! In der Regel spielst du zumindest manchmal eine Rolle und belügst damit nicht nur dich selbst, sondern auch dein soziales Umfeld. Die meisten Menschen sind „anders“, je nachdem, ob sie alleine sind, mit dem Partner beziehungsweise der Partnerin, bei der Familie oder unter Freunden.

Lösung: Finde heraus, welches davon dein „wahres Ich“ ist, mit welchem du dich am wohlsten fühlst, und versuche, das Schlüpfen in andere Rollen immer häufiger zu unterbinden. Nimm dir in stressigen Situationen oder wenn du von vielen Menschen umgeben bist immer wieder eine kurze Auszeit – beispielsweise ein Gang auf die Toilette – und reflektiere dein Verhalten. Solltest du das Gefühl haben, nicht ganz du selbst zu sein, versuche tief durchzuatmen und wieder die Rollen zu wechseln. Mit etwas Übung wird das immer besser funktionieren.

Vierter Hinweis: Du redest viel und machst wenig

Wenn du ein Meister großer Worte bist, du deine Versprechungen aber (so gut wie) nie umsetzt, fällst du ebenfalls auf eine Realitätsverzerrung herein. In einem halben Jahr wirst du eine Weltreise machen, nächste Woche wirst du endlich das Baumhaus für die Kinder gebaut haben oder in spätestens zwei Jahren verdienst du das Doppelte – wenn du manchmal einen deiner Pläne nicht umsetzt, ist das in Ordnung. Doch wenn du stets große Reden schwingst und niemals Taten folgen lässt, belügst du dich und zugleich dein Umfeld.

Lösung: Schreibe deine Versprechen auf und überprüfe in regelmäßigen Abständen, ob und wann du diese in die Tat umgesetzt hast oder weshalb nicht. So merkst du mit der Zeit selbst, ob du in die Kategorie „Selbstlüge“ fällst oder deine Worte tatsächlich der Wahrheit entsprechen.

Fazit: Die Devise lautet Selbstreflexion statt Selbsttäuschung

Der beste Weg, um zukünftige Realitätsverzerrungen zu erkennen und dadurch die Selbsttäuschung nach und nach zu verhindern oder zumindest zu mindern, liegt also in einem hohen Maß an Selbstreflexion. Je besser du dich kennenlernst, umso eher kannst du auch einschätzen, wann du ehrlich zu dir selbst bist und wann nicht. Suche dir hier gerne professionelle Hilfe, beispielsweise durch einen Psychotherapeuten oder einen Lebensberater, lese entsprechende Bücher oder führe Tagebuch. Welche Strategie dir am besten hilft, musst du schlussendlich selbst herausfinden. Allein das Bewusstsein um die Problematik „Selbstlüge“ lässt dich aber in der Regel bereits aufmerksamer sein und dadurch Realitätsverzerrungen schneller erkennen.

Wir wünschen dir viel Erfolg und sind gespannt, welche Strategien dir gegen Selbsttäuschung helfen oder wann und wo du dir selbst schon „auf den Leim gegangen“ sind. Hinterlasse gerne einen Kommentar!

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