Leistungsträger werden heutzutage von Unternehmen gesucht. Menschen, die wie eine Maschine arbeiten können, dabei niemals krank werden und stets gut gelaunt sind. Da aber viele Arbeitnehmer aus Angst vor einem Jobverlust versuchen, eben dieser „Leistungsträger“ zu sein, wächst ihnen schnell die Arbeit über den Kopf – mit fatalen Folgen für beide Seiten.
Unsere Arbeitswelt im Dauerstress-Modus – 24/7
Heute stehen Unternehmen hierzulande unter Druck durch Digitalisierung, ausufernde Bürokratie, demografischen Wandel und globale Konkurrenz bei Innovation und Geschwindigkeit. Doch wer günstiger produziert, kann auch billiger verkaufen. In vielen Branchen herrscht deshalb reges Preisdumping. Doch in einem Land der Mindestlöhne, Tarifvereinbarungen und steigenden Energiekosten fällt es den deutschen Unternehmen schwer, Kosten einzusparen und im internationalen Konkurrenzkampf mitzuhalten.
Die Folge: Wer keine günstigeren Mitarbeiter einstellen kann, beschäftigt eben schlichtweg weniger. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der künstliche Intelligenz als preiswerte Arbeitskraft in den Wettbewerb um begehrte Stellen eintritt.
Noch eine weitere Entwicklung kommt hinzu, die zwar eigentlich den Arbeitsalltag erleichtern sollte, aber auch ganz neue und bislang ungeahnte Probleme mit sich bringt. Die Sprache ist von der Digitalisierung. KI-Tools, Zoom-Dauermeetings und Slack-Nachrichten rund um die Uhr gehören heute zum Alltag vieler Beschäftigten – und führen zu ständiger digitaler Erreichbarkeit.
New Work mit alter Belastung
Was früher unter „Arbeit 4.0“ firmierte, wird heute unter dem Begriff „New Work“ neu verpackt – mit dem Versprechen von Freiheit, Flexibilität und Sinn. Doch die Realität sieht oft anders aus: Statt echter Selbstbestimmung erleben viele Beschäftigte eine fragmentierte Arbeitswelt zwischen Homeoffice, Projektdruck, ständiger Erreichbarkeit und mentaler Erschöpfung.
New Work bedeutet eben nicht automatisch weniger Stress – sondern häufig neue Formen der Belastung: permanente Kommunikation, diffuse Verantwortlichkeiten, hybride Arbeitsmodelle ohne klare Grenzen. Die Entwicklung der Arbeitswelt geht klar in Richtung Vernetzung, Geschwindigkeit und Komplexität. Ein Prozess, der sich nicht mehr aufhalten lässt, der aber für Arbeitnehmer eine zunehmende und vor allem völlig neue Belastung bedeutet. Konkurrenz-, Arbeits- und Zeitdruck scheinen im Berufsleben in rasantem Tempo zuzunehmen. Die Folge: Dauerstress.
Überstunden: Immer mehr Arbeit in weniger Zeit?
Wenn also immer weniger Arbeitnehmer dieselben oder sogar mehr und komplexere Aufgaben erledigen müssen, bedeutet das vor allem eine Menge Überstunden. Zwar soll die Digitalisierung den Arbeitsalltag erleichtern und beschleunigen, die Realität sieht aber leider anders aus. Die aufgrund des demografischen Wandels eigentlich immer weniger Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten sogar mehr als ihre Vorgänger.
Der deutsche Arbeitnehmer von heute arbeitet quasi freiwillig ohne Bezahlung nach seinem Feierabend weiter, einfach, um seine Arbeitslast irgendwie zu schaffen und so dem ständigen Zeit- und Leistungsdruck zu entkommen.
Überstunden sollten daher weder von Arbeitgebern noch von Arbeitnehmern auf die leichte Schulter genommen werden. Eine zu hohe Arbeitslast bedeutet auf Dauer für die Unternehmen nämlich keine Kosteneinsparungen, sondern im Gegenteil eine sinkende Produktivität sowie hohe Krankenstände und damit auch eine erhebliche finanzielle Belastung.
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Insbesondere Menschen mit Sorgeverantwortung – wie Eltern oder pflegende Angehörige – geraten durch die Doppelbelastung schneller an ihre Grenzen. Denn Care-Arbeit, also unbezahlte Sorge- und Fürsorgearbeit im privaten Umfeld, bleibt oft im Schatten der Erwerbsarbeit – wird aber nach wie vor überwiegend von Frauen getragen und erschwert die Vereinbarkeit mit starren Arbeitszeitmodellen zusätzlich.
Ein Vorschlag, der in diesem Zusammenhang diskutiert wird, ist die Umstellung von einer täglichen Arbeitszeitbegrenzung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Damit könnten Beschäftigte freier entscheiden, an welchen Tagen sie intensiver arbeiten und an welchen sie früher Schluss machen – zum Beispiel, um private Verpflichtungen besser unterzubringen.
Wächst dir die Arbeit über den Kopf?
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn dir mittlerweile die Arbeit über den Kopf wächst. Es ist im Gegenteil sogar die logische Folge aus den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt – und es ist vor allem völlig in Ordnung. Wenn du das Gefühl hast, dass dir die Arbeitslast, der Zeitdruck oder die Überstunden zu viel werden und dein Wohlbefinden darunter leidet, solltest du dringend handeln. Ansonsten drohen früher oder später psychische und/oder physische Folgeerkrankungen wie das Burnout-Syndrom. Burnout ist längst kein Einzelfall mehr, sondern wird immer häufiger diagnostiziert – ein Warnsignal für Unternehmen und Führungskulturen.
Sage also nicht zu allem „Ja und Amen“ und ignoriere nicht deine Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen. Spätestens, wenn du erste körperliche oder psychische Warnsignale wahrnimmst, solltest du handeln. Übe dich in Achtsamkeit und lerne (wieder), nach dir selbst zu schauen statt nur nach rechts und links.
Dazu gehört eben auch, schnell zu handeln, wenn dir die Arbeit zu viel wird, und das Vieraugengespräch mit deinem Vorgesetzten zu suchen. Um weniger Arbeit bitten, das kommt aber für viele Deutsche nicht infrage. Sie haben Angst davor, ihr Gesicht oder schlimmer noch ihren Job zu verlieren, wenn sie Schwäche zeigen. Doch in vielen Unternehmen findet aufgrund der hohen Burnout-Zahlen und der neuen Anforderungen der Generation Y mittlerweile ein Umdenken statt.
Die „Jungen“ möchten sich nämlich nicht mehr wie ihre Vorgänger für ihren Job aufopfern und dadurch ihre psychische sowie physische Gesundheit aufs Spiel setzen. Sie lehnen unbezahlte Überstunden ab, wünschen sich stattdessen eine ausgewogene Work-Life-Balance, ein sinnerfülltes Berufsleben und persönliche Flexibilität.
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Und das ist auch gut so. Du solltest dir ein Beispiel an der „egoistischen“ Generation Y nehmen und dich wieder selbst als das Wichtigste in deinem Leben betrachten. Wenn du aufgrund der hohen Arbeitsbelastung auf Dauer krank wirst, profitiert nämlich weder du selbst noch dein Arbeitgeber davon. Sollte ihm das nicht bewusst sein beziehungsweise bringt er dafür keinerlei Verständnis auf, ist es vielleicht ohnehin an der Zeit, über einen Jobwechsel nachzudenken.
So sprichst du mit deinem Chef
Hin und wieder fühlt sich wohl jeder von uns überfordert. Diese Momente der völligen Überwältigung, vielleicht sogar des Blackouts, kennt jeder. Aber keine Sorge: Es gibt einfache „Erste-Hilfe-Maßnahmen„, die dir in einer akuten Überforderungssituation helfen können.
Wenn solche Momente aber öfter vorkommen oder sogar Dauerzustand sind, solltest du handeln. Was jetzt hilft, ist ein ehrliches Gespräch mit deinem Vorgesetzten, in dem du ihm die Situation schilderst und gemeinsam nach einer Lösung suchst. Doch wie führst du so ein Gespräch am besten?
Tipp 1: Gespräch vorbereiten
Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten solltest du niemals unvorbereitet oder in deiner ersten „Panik“ führen. Das gilt auch für Gehaltsverhandlungen, Feedbackgespräche & Co. Nimm dir daher Zeit, das Gespräch vorzubereiten, den Chef um einen ihm passenden Termin mit ausreichend Pufferzeit zu bitten und dir deine Argumente zurechtzulegen.
Tipp 2: Fakten
Setze dich an deinem Feierabend oder am Wochenende hin, nehme dir ein Blatt Papier sowie einen Stift zur Hand und beginne, deine Überforderungssituation zu analysieren:
- Wie fühlst du dich momentan bei der Arbeit?
- Wieso fühlst du dich so?
- Welche Projekte liegen derzeit auf deinem Tisch?
- Welche Deadlines setzen dich unter Zeitdruck?
- Gibt es weitere Belastungen im Arbeitsalltag wie Konflikte mit Kollegen?
- Fühlst du dich vom Team unterstützt oder im Stich gelassen?
- Fehlen dir für gewisse Projekte wichtige Kompetenzen?
Tipp 3: Lösungsvorschläge
Es bringt dir natürlich nichts, wenn du beim Chef nur über deine Situation jammerst, ohne einen Lösungsvorschlag parat zu haben. Liste daher mögliche Auswege aus deiner Überlastung auf:
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Welche Aufgaben kannst du abgeben – und an wen?
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Welche Maßnahmen würden dir guttun (z. B. Arbeitszeitreduktion, Homeoffice)?
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Welche Deadlines lassen sich verschieben?
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Wer im Team oder extern könnte dich unterstützen?
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Gibt es Weiterbildungen, um fehlende Kompetenzen zu erwerben?
Tipp 4: Zukunftsperspektiven
Vorausgesetzt, dein Vorgesetzter ist an deinem Wohlbefinden sowie deiner Gesundheit interessiert, entwickelst du daraufhin im „Best-Case-Szenario“ Zukunftsperspektiven, die für alle Beteiligten in Ordnung sind, also für dich selbst, deinen Arbeitgeber, deinen Vorgesetzten, die Teamkollegen und und und… Doch natürlich sollte es nicht dabei bleiben, sondern auf lange Sicht muss sich dein Arbeitsalltag auch tatsächlich (wieder) zum Besseren wenden.
Tipp 5: Erfolge dokumentieren
Halte die Ergebnisse des Gesprächs schriftlich fest, eventuell sogar mit Unterschrift des Chefs, und dokumentiere, ob sich Veränderungen einstellen und ob diese ausreichend sind. Falls keine Besserung erfolgt, führe ein weiteres Gespräch – oder ziehe einen internen/externalen Jobwechsel, Arbeitszeitreduktion oder Sabbatical in Betracht.