Der Arbeitstag beginnt motiviert. Ein kurzes Schwätzchen mit den Kollegen, die Atmosphäre ist locker, der Job macht Spaß. Doch dann taucht er oder sie auf – die Führungskraft, die Stimmung kippt. Mal herrisch, mal launisch, dann wieder fast übertrieben freundlich – aber selten berechenbar. Feedback? Fehlanzeige. Wertschätzung? Ein Fremdwort. Stattdessen Kontrolle, Mikromanagement und unangebrachte Kritik.
Der Volksmund sagt: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Viele Unternehmen liefern den Beweis. Menschen kündigen selten wegen der Arbeit an sich – sie kündigen wegen ihrer Vorgesetzten. Doch was tun, wenn der Job eigentlich perfekt wäre, nur die Führungskraft nicht?
Wenn Führung zur Belastung wird
Gute Führung ist heutzutage anspruchsvoll – besonders in Zeiten wie diesen, die geprägt sind von Krisen, Personalmangel und veränderten Arbeitsmodellen. Doch während einige Unternehmen versuchen, sich modernen Erwartungen anzupassen, gibt es noch immer Vorgesetzte, die Mitarbeitende nicht als Menschen, sondern als Ressource betrachten. Wer sich jedoch nicht gesehen und geschätzt fühlt, verliert mit der Zeit die Motivation – und möglicherweise auch die Identifikation mit dem Unternehmen.
Eine der häufigsten Klagen über schlechte Chefs ist mangelnde Anerkennung. Wer Einsatz zeigt, Verantwortung übernimmt und gute Arbeit leistet, erwartet zumindest einen Funken Wertschätzung. Doch in vielen Fällen bleibt diese aus. Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeitende mit schlechten Führungskräften eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, innerlich zu kündigen oder das Unternehmen ganz zu verlassen. Besonders frustrierend wird es, wenn Erfolge von Vorgesetzten als selbstverständlich hingenommen werden, Fehler hingegen kritisiert oder gar abgestraft werden.
Noch destruktiver als fehlendes Lob ist Mikromanagement. Ein Chef, der jede Kleinigkeit kontrolliert, jede noch so kleine Entscheidung hinterfragt und Mitarbeitende ständig korrigiert, vermittelt vor allem eines: Misstrauen. Wer das Gefühl hat, ohnehin nichts richtig zu machen, verliert mit der Zeit jeglichen Gestaltungswillen. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass eigenverantwortliches Arbeiten nicht nur zu besseren Ergebnissen führt, sondern auch die Zufriedenheit der Beschäftigten erheblich steigert.
Neben übermäßiger Kontrolle kann auch Unberechenbarkeit ein großes Problem sein. Mal freundlich, mal cholerisch, dann wieder jovial – Mitarbeitende wissen nie, woran sie beim Chef sind. Das aushalten zu müssen, kann auf Dauer sogar gesundheitliche Folgen haben. Chronischer Stress führt zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen und langfristig zu einem höheren Risiko für Burnout. Besonders belastend ist es, wenn man sich am Wochenende nicht mehr entspannen kann, weil man nicht weiß, mit welcher Laune der Chef am Montag ins Büro kommt.
Als wäre das nicht schon genug, kommt ein Mangel an Fairness hinzu. In vielen Teams gibt es Lieblinge, die bevorzugt werden, während andere systematisch klein gehalten oder regelmäßig bloßgestellt werden. Wer sich nicht darauf verlassen kann, fair behandelt zu werden, verliert irgendwann das Vertrauen – nicht nur in den Chef, sondern oft auch in das gesamte Unternehmen.
Soll ich bleiben oder gehen?
Die große Frage, die sich viele stellen: Lohnt es sich, durchzuhalten und auf Besserung zu hoffen? Oder ist es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen?
Ein Verbleib im Unternehmen kann dann sinnvoll sein, wenn die negativen Erlebnisse nicht überhandnehmen und noch Spielraum für Veränderungen erkennbar sind. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, sich aus der direkten Schusslinie zu bringen – zum Beispiel durch eine interne Versetzung in eine andere Abteilung. Auch ein starkes Kollegennetzwerk gibt Kraft, toxisches Verhalten abzufedern. Gerade wenn das Team gut harmoniert, fällt die Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen, oft schwer.
Manchmal gibt es sogar Hoffnung auf Besserung. Wenn der Chef selbst unter Druck steht, mit seiner Führungsrolle kämpft oder noch nicht lange in der Position ist, besteht die Chance, dass sich sein Verhalten über die Zeit verändert. Eventuell auch mit Nachdruck.
Doch es gibt klare Warnsignale, die zeigen, dass ein Jobwechsel die gesündere Lösung ist. Wer sich täglich gestresst und ausgelaugt fühlt, wer sich sonntagabends mit Bauchschmerzen vor Montag fürchtet oder wer langfristig das Gefühl hat, auf der Stelle zu treten, sollte ernsthaft über eine Alternative nachdenken. Besonders kritisch wird es, wenn das toxische Führungsverhalten nicht nur von einer Person, sondern von der gesamten Unternehmenskultur getragen wird. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas ändert, äußerst gering.
Strategien für den Umgang mit schwierigen Chefs
Wer bleiben will oder muss, kann dennoch einiges tun, um sich besser zu schützen. Ein erster Schritt ist die emotionale Abgrenzung. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass das Verhalten des Chefs mehr über ihn aussagt als über einen selbst. Ein toxischer Vorgesetzter verhält sich selten nur gegenüber einer Person despektierlich – meist ist das ganze Teams betroffen. Wer sich auf das Nötigste beschränkt und sich nicht in unnötige Diskussionen verstrickt, spart Energie. Wer sich zudem bemüht, Aufgaben, Erwartungen und Ergebnisse präzise abzusprechen, lässt weniger Raum für Willkür und Missverständnisse.
In manchen Fällen kann auch eine direkte Konfrontation sinnvoll sein – allerdings mit Bedacht. Ein Gespräch unter vier Augen etwa, in dem man sachlich anspricht, welche Verhaltensweisen als schwierig empfunden werden. Falls auch das nicht hilft, lohnt der Schritt an eine höhere Ebene oder die Personalabteilung – sofern das Unternehmen über funktionierende Beschwerdestruktur verfügt.
Ist es das wert?
Ein schlechter Vorgesetzter kann selbst den besten Job zum Horrorjob machen. Doch nicht immer ist die Kündigung die beste Lösung. Wer es schafft, sich abzugrenzen, ein unterstützendes Netzwerk im Team aufzubauen und eventuell sogar eine Veränderung anzustoßen, kann unter Umständen trotzdem gut arbeiten. Doch sobald der Punkt erreicht ist, an dem die psychische und physische Gesundheit leidet, ist es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen.
Denn Fakt ist: Gute Führung bringt Menschen zum Aufblühen – schlechte Führung zerstört sie.