Für Arbeitgeber gilt seit 2004 die Pflicht, dass länger erkrankte Arbeitnehmer ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) nach ihrer Rückkehr erhalten. Das BEM ist nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern bietet auch dem Arbeitnehmer viele wichtige Möglichkeiten. Was das BEM im Detail ist, wie ein BEM-Gespräch ablaufen sollte und was es zu beachten gilt und wie eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den Betrieb aussieht, erfährst du in folgendem Beitrag.

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Betriebliches Eingliederungsmanagement vs. Wiedereingliederung – wo liegt der Unterschied?

Du hast bestimmt beide Begriffe schon einmal gehört und gedacht, dass sie beide dasselbe bedeuten. Das ist leider nicht ganz richtig. Zwar behandelt das BEM genauso wie die Wiedereingliederung die Rückkehr eines Arbeitnehmers nach einer langen Krankheit, doch beide Maßnahmen unterscheiden sich im Detail. Doch zuerst die Begriffsdefinitionen beider Begriffe.

Sollte ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen am Stück krankheitsbedingt ausgefallen sein, so ist der Arbeitgeber zum Angebot eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet. Ziel dieser Maßnahme ist, wie der Name bereits vermuten lässt, den ausgefallenen Mitarbeiter wieder in den Betrieb zu integrieren. Da sich in diesem langen Zeitraum sehr viel verändern kann und der Mitarbeiter unter Umständen zu Beginn etwas überfordert sein wird, ist das BEM eine äußerst wichtige Maßnahme. Auch das sogenannte BEM-Gespräch ist Teil der Maßnahme, aber zum Ablauf und den Inhalten der Maßnahme erfährst du später mehr.

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Das BEM sieht als grundlegendes Ziel vor, die Arbeitsunfähigkeit am besten zu überwinden und anhand von weiteren Hilfen und Maßnahmen eine zukünftige Arbeitsunfähigkeit weitestgehend zu vermeiden. Eine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich des Ablaufes gibt es dabei jedoch nicht. Lediglich die Teilnahme von bestimmten Interessenvertretern wie Betriebs- und Personalrat oder bei Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung die Schwerbehindertenvertretung, sind gesetzlich vorgegeben.

Eine ähnliche Maßnahme stellt die sogenannte Wiedereingliederung auch als Hamburger Modell bezeichnet dar. Hier erfolgt ebenfalls eine stufenweise Wiedereinführung in den beruflichen Alltag. Die Wiedereingliederung beginnt, wenn der Arbeitnehmer noch arbeitsunfähig ist. Ziel der Wiedereingliederung ist es, den Mitarbeiter mit sukzessive steigenden Arbeitszeiten langsam wieder in das Berufsleben einzuführen. Regulär wird bei der Wiedereingliederung ein Zeitraum von sechs Wochen bis zu sechs Monaten angestrebt. Sollte der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum noch nicht voll arbeitsfähig sein, kann die Wiedereingliederung auch auf bis zu 12 Monate verlängert werden.

Der grundlegende Unterschied zwischen beiden Maßnahmen liegt in erster Linie darin, dass die Wiedereingliederung ein freiwilliges Angebot ist. Das BEM hingegen ist für den Arbeitgeber verpflichtend, sollte ein Mitarbeiter länger als sechs Wochen ausfallen. Die Wiedereingliederung hat zudem das Ziel, den Arbeitnehmer stufenweise wieder in seine berufliche Tätigkeit einzuführen.

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Im Vergleich zum BEM, welches als ergebnisoffener Prozess betrachtet werden kann, kann es vorkommen, dass das Resultat lautet, dass der Mitarbeiter seine alte Tätigkeit nicht mehr erneut aufnehmen kann. Ansonsten gilt es auch am Ende des BEM eine Wiedereingliederung durchzuführen. Die Wiedereingliederung kann also auch als ein Teilgebiet des Betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements gesehen werden, welches jedoch auch losgelöst voneinander durchgeführt werden kann.

Wiedereingliederung Ablauf

Insgesamt lässt sich beim BEM-Verfahren kein klarer Ablauf als Vorlage nehmen, da hier auf die individuelle Situation des Arbeitnehmers Rücksicht genommen werden muss. Allerdings lässt sich der Ablauf einer Wiedereingliederung recht gut darstellen.

Für die Wiedereingliederungsmaßnahme musst du zunächst folgende Voraussetzungen erfüllen:

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  • Längere Erkrankung, mindestens 6 Wochen.
  • Bescheinigung des Arztes, dass du teilweise wieder belastbar bist.
  • Trotz allem musst du noch als arbeitsunfähig gelten.
  • Zustimmung von deinem Arbeitgeber und deiner Ärzte, dass du eine Wiedereingliederung durchführen darfst.

Im nächsten Schritt erfolgt der Wiedereingliederungsplan, welchen du mit deinem behandelnden Arzt besprechen wirst. Hier werdet ihr im Detail besprechen, wie lang und wie hoch die Belastung während der Wiedereingliederung erfolgen soll. In der Regel wird mit wenigen Stunden am Tag gestartet und die Arbeitszeit sukzessive so weit erhöht, bis du wieder bei deiner Regelarbeitszeit angekommen bist.

Der Wiedereingliederungsplan setzt sich aus folgenden Inhaltspunkten zusammen:

  • Beginn und Ende des Stufenplans.
  • Festlegen der einzelnen Stufen sowie detaillierte Beschreibung von diesen.
  • Das Zieldatum, bis wann die vollständige Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt worden sein soll.
  • Tätigkeiten und Belastungen, die während der Maßnahme nicht stattfinden dürfen.

Alle genannten Punkte sind dabei natürlich nur Beispiele und müssen an jeden Arbeitnehmer individuell angepasst werden. Genauso individuell ist auch die Dauer einer solchen Wiedereingliederungsmaßnahme. Denn diese lässt sich nicht pauschal ermitteln. Beeinflussende Faktoren stellen dabei die jeweiligen Krankheitsbilder und die Genesungsdauer des Arbeitnehmers dar. Während der eine verhältnismäßig schnell wieder zur täglichen Berufsroutine zurückkehren kann, dauert der Prozess bei anderen wiederum deutlich länger.

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So ist es auch wichtig, dass bei solchen Entscheidungen immer der behandelnde Arzt mit involviert ist, da nur dieser eine entsprechend fachkundige Beurteilung des Gesundheitszustands abgeben kann.

Wiedereingliederungsmanagement – das gilt für Urlaub, Arbeitszeit und Bezahlung

Natürlich gibt es auch einige Punkte bei der Wiedereingliederung zu beachten, vor allem im Hinblick auf Urlaubsanspruch, die Bezahlung sowie die Arbeitszeit.

Bei der Arbeitszeit sieht die Wiedereingliederung vor, dass der Arbeitnehmer mit relativ wenig Stunden die Arbeit wieder beginnt. Hier entscheidet wie immer der Individualfall. Je nachdem, wie gut es läuft, kann nun die Arbeitszeit im Ein- oder Zwei-Wochen Rhythmus angehoben werden. Da jedoch während der Wiedereingliederung der Arbeitnehmer offiziell noch als arbeitsunfähig gilt, ist eine elektronische Erfassung der Arbeitszeiten nicht gestattet. Die geleisteten Stunden werden deshalb mit dem Arbeitgeber besprochen. Sonderfälle wie bei Überstunden oder Schichtarbeit sind in der Wiedereingliederung natürlich nicht gestattet beziehungsweise werden nicht bezahlt.

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Auch was den Urlaubsanspruch betrifft, gibt es hier klare Vorgaben. Aufgrund der offiziellen Arbeitsunfähigkeit kann hier dementsprechend auch kein Urlaub genommen werden. Hier brauchst du dir jedoch keine Sorgen machen, dass dein Urlaubsanspruch einfach so verfällt. Dieser wird in der Zeit der Wiedereingliederung einfach nur angesammelt und kann nach Abschluss der Maßnahme ganz normal genutzt werden.

Der letzte wichtige Punkt, welchen es zu klären gibt, ist natürlich die Vergütung. Auch diese ist während der Wiedereingliederung ganz klar geregelt. Da der Arbeitnehmer als arbeitsunfähig gilt und das im Normalfall bereits seit über sechs Wochen, ist hier natürlich die Krankenkasse für die Lohnfortzahlung zuständig. Der Arbeitgeber kann natürlich während der Wiedereingliederung das Gehalt auszahlen, jedoch sollte hier beachtet werden, dass es zu einer Kürzung des Krankengelds kommen kann. Deshalb sollte der Arbeitgeber im Rahmen der Wiedereingliederung immer zunächst mit seinem Mitarbeiter Rücksprache halten und das optimale Vorgehen gemeinsam mit diesem besprechen.

Das BEM-Gespräch

Wenn also das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement nötig wird, weil ein Mitarbeiter mehr als 6 Wochen krankheitsbedingt ausgefallen ist, dann sollte zunächst das BEM-Gespräch erfolgen. Bei diesem Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll unter anderem geklärt werden, wie es zu dieser andauernden Erkrankung gekommen ist, ob diese in Zukunft erneut austritt und was getan werden kann, um den Gesundheitszustand zu verbessern. Das klingt in der Theorie erst mal etwas gewöhnungsbedürftig, jedoch dient das BEM-Gespräch in erster Linie dazu, den Mitarbeiter wieder vollständig in das Unternehmen und seine ausgeübte Tätigkeit einzugliedern.

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Denn nicht nur die Ursachen und Folgen der Krankheit sollen hier besprochen werden, sondern auch etwaige Wiedereingliederungsmaßnahmen, wie eben das bereits genannte Hamburger Modell.

Der Gesetzgeber sieht dabei folgende juristische Vorgaben für ein erfolgreiches BEM-Gespräch vor:

  • Arbeitnehmer haben ein Anrecht auf ein BEM-Gespräch, müssen daran jedoch nicht teilnehmen.
  • Der Arbeitnehmer muss keine Diagnosen offenlegen und ist nicht gezwungen, über seinen Gesundheitszustand zu sprechen.
  • Das BEM-Gespräch ist äußerst vertraulich zu behandeln. Weitere Zeugen sind dabei nicht notwendig. Ausnahmen bilden nach Rücksprache Betriebsratsmitglieder oder Schwerbehindertenvertreter.
  • Zu Beginn des BEM-Gesprächs, muss der Arbeitnehmer auf alle relevanten Ziele hingewiesen werden.
  • Alle Daten, welche erhoben und verwendet werden, müssen dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden.

So verläuft das BEM-Gespräch am besten

Das BEM-Gespräch ist also integraler Bestandteil des Betrieblichen Eingliederungsmanagements und auch wenn dieses für Arbeitgeber verpflichtend ist, fehlt derzeit noch vielen Vorgesetzten die nötige Expertise. Doch auch als Arbeitnehmer gibt es vieles, worauf du bei diesem Gespräch achten solltest.

Als Erstes solltest du sehr wenig beziehungsweise nur das Nötigste von dir preisgeben. Auf keinen Fall solltest du einfach aus dem Nähkästchen plaudern, auch wenn du ein sehr gutes Verhältnis zu deinem Vorgesetzten hast. Wäge jedes deiner Worte genau ab und überlege dir bereits im Vorfeld, welche Aussagen du tätigen möchtest. Es geht hier immerhin um deine berufliche Zukunft und bei deinem Arbeitgeber um die Zukunft seines Unternehmens. Wenn du dich falsch oder missverständlich ausdrückst, kannst du deinem Arbeitgeber somit die perfekte Vorlage für eine krankheitsbedingte Kündigung liefern.

Ziel des BEM-Gesprächs ist es, für deine gesundheitliche Situation eine Verbesserung zu finden, aber es dient deinem Arbeitgeber auch als Prognose für die Zukunft. Anhand des Gesprächs will dieser natürlich herausfinden, ob du bald wieder für längere Zeit ausfällst. Solltest du dies mit deinen Aussagen implizieren, kann es sein, dass dein Vorgesetzter in dir keinen Mehrwert, sondern viel mehr eine Belastung für sein Unternehmen sieht. Das Resultat währe dann eben, wie bereits erwähnt, die Kündigung.

Das Paradebeispiel – so sieht eine gelungene Wiedereingliederung aus

Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn die Wiedereingliederung perfekt abläuft und der Arbeitnehmer vollständig rehabilitiert in seinen Beruf zurückfindet?

Ziel der Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell ist es nicht nur den Mitarbeiter gesundheitlich zurück zur alten Leistung zu bringen, auch die psychische Komponente spielt eine erhebliche Rolle. Fällt ein Arbeitnehmer für lange Zeit aus, so hat er möglicherweise keinen richtigen Anschluss mehr an das Unternehmen. Im dynamischen betrieblichen Umfeld sind fast täglich Änderungen zu erwarten.

Hier gilt es im Rahmen der Wiedereingliederung den Mitarbeiter positiv zu motivieren und vor allem psychisch zu stärken. Die folgenden Punkte sind daher konkrete Faktoren für eine erfolgreiche Wiedereingliederung:

  • Regelmäßige Gespräche und klare Offenheit.
  • Optimismus verbreiten und den Mitarbeiter motivieren.
  • Regelmäßiges Feedback einholen und gegebenenfalls kleine Punkte verbessern, falls Bedarf besteht.
  • Die Kommunikation zum Mitarbeiter nicht abreißen lassen und ihm das Gefühl geben, dass er gebraucht wird.
  • Kommunikation zu Ärzten und Krankenkasse sollte ebenfalls dauerhaft bestehen bleiben. Transparente Abläufe sind also das A und O.

Checkliste für die Wiedereingliederung

Um eine Wiedereingliederung so erfolgreich wie möglich zu gestalten, gibt es abschließend noch eine kleine Checkliste. Orientieren sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an diesen Punkten, ist die Wahrscheinlichkeit je nach Krankheitsbild sehr hoch, dass die Wiedereingliederung gelingen wird:

  • Dauerhafter Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten auch während der Abwesenheit vom Arbeitsplatz. Das stärkt die Bindung zum Team.
  • Arbeitgeber sollten einen Plan für die Einarbeitung bei der Rückkehr ausarbeiten. Hier sollte auf gute Verteilung der Aufgaben geachtet werden, um den Mitarbeiter nicht zu überfordern.
  • Arbeitgeber sollten bereits im Vorfeld Informationen über bestehende Veränderung innerhalb des Betriebs schriftlich festhalten, sodass sich der Mitarbeiter direkt einen Überblick verschaffen kann.
  • Auch der Arbeitnehmer sollte sich vor Beginn beim Vorgesetzten melden, um bereits erste Gespräche über die Rückkehr zu führen, unabhängig vom BEM-Gespräch.
  • Der Mitarbeiter sollte an seinem ersten Tag Willkommen geheißen werden, damit dieser gleich motiviert in seinen ersten Arbeitstag nach langer Abwesenheit starten kann.

Bildnachweis: iStock.com/bernardbodo

 
Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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