„Ich habe Angst, arbeiten zu gehen!“ Ist es nur ein Post-Holiday-Syndrom oder eine echte Arbeitsphobie? Wir haben die Antworten.

Die Arbeitswoche beginnt. Dein Smartphone weckt dich. Auf dem Weg zur Arbeit nippst du lustlos an deinem Kaffee. Am liebsten wärst du im Bett geblieben. Verständlich. Denn dieses Gefühl kennt fast jeder. Anders ist es bei Menschen, die nicht nur „keine Lust“ haben, arbeiten zu gehen. Sondern schon beim Gedanken erschaudern. Es handelt sich um ein ausgeprägtes Angstgefühl. Nicht immer steckt dahinter eine Angststörung, die sich als Phobie zeigt. Wer mit Ängsten kämpft, landet dennoch oft im Teufelskreis: Die Gefühle halten vom Arbeiten ab. Die Existenz ist bedroht.

Auf den Spuren der Angst: Was hinter deiner Job-Angst steckt

1. Post-Holiday-Syndrom (PHS)

Klingt seltsam, ist eigentlich aber logisch: das Post-Holiday-Syndrom (PHS). Wie der Name verrät, geht es um den Zustand, den viele von uns nach einem Erholungsurlaub oder nach einigen freien Tagen erleben. Denn Arbeitspsychologen gehen davon aus, dass wir uns manchmal nicht richtig erholen können und infolgedessen körperliche Symptome, Unausgeglichenheit oder eben Ängste entwickeln. Das Stimmungstief geht üblicherweise schnell vorüber – kann sich in einigen Fällen aber zu einer ausgeprägten Angst davor, arbeiten gehen zu müssen, entwickeln.

Umso wichtiger ist es, im Urlaub wirklich Urlaub zu machen, den Computer auszuschalten und sich zu erholen. Um den Erholungswert zu erhöhen, kann es außerdem hilfreich sein, bereits „kleinere“ Urlaube im Alltag einzuplanen. Zum Beispiel: Ausflüge, Wellness, Entspannung mit Partner oder Freunden.

2. Schlechte Erfahrungen beim letzten Arbeitgeber

Toxische Arbeitsplätze sind keine Seltenheit. Unternehmen, die haufenweise Überstunden verlangen, ein unmenschliches Arbeitspensum erwarten, Mobbing unterstützen oder wegschauen, tragen dazu bei, Arbeitnehmer emotional und körperlich zuzusetzen. Nicht selten entwickeln wir in solchen Situationen ausgeprägte Ängste und fragen uns: „Was wird mir als Nächstes passieren?

Wer nach einer solchen Erfahrung Angst vor der Arbeit entwickelt, ist nicht alleine. Es handelt sich um ein Phänomen, das die meisten Menschen kennen, die in einem Unternehmen gelandet sind, welches giftiges Verhalten von Vorgesetzten und Kollegen toleriert. Schlechte Erfahrungen prägen uns und können dazu führen, dass auch der nächste Job sich bedrohlich anfühlt.

Handelt es sich um ein vorübergehendes Gefühl, welches Betroffene gut selbst bewältigen können, liegt zumeist noch keine echte Arbeitsplatzphobie vor. Und hier ist auch schon die gute Nachricht: Wenn dein nächster Arbeitgeber wertschätzend mit dir umgeht und du positive Erfahrungen in einem neuen Arbeitsumfeld machst, können diese Erfahrungen deine Ängste „ausgleichen“.

3. Eine echte Ergophobie

Kognitive Ängste sind heute gut behandelbar, wenn Betroffene sich therapeutische und medizinische Hilfe suchen. Eine ernsthafte Angststörung, die sich in Bezug auf Arbeit als sogenannte „Ergophobie“ spezifisch äußert, kann unter andere folgende Symptome zeigen:

  • Herzrasen
  • Brain Fog
  • Sprachstörung
  • Panik
  • Schweißausbrüche
  • Kopfschmerzen und Schwindelgefühle
  • Übelkeit
  • Lähmungserscheinungen in schweren Fällen
  • Atemnot

Phobien können sich direkt und indirekt entwickeln. Handelt es sich um eine extreme Arbeitsangst, können indirekte Auslöser sich zum Beispiel durch frühere traumatische Erfahrungen ergeben, die manchmal nichts mit der Arbeit zu tun haben. Zu den direkten Auslösern gehören eben jene schlechte, belastende Erfahrungen, die wir – wie unter Punkt 1 geschildert – mit Arbeitgebern und/oder Kollegen machen oder Extremsituationen, zum Beispiel Notfälle auf der Arbeit, die uns in Angst und Schrecken versetzen.

Was hilft?

Handelt es sich um eine ausgeprägte Arbeitsphobie, hilft Betroffenen oft eine kognitive Verhaltenstherapie (VT). Diese unterscheidet sich von der tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP). Denn eine Verhaltenstherapie zielt konkret auf Lösungen und im Alltag verwendbare Verhaltensänderungen ab, während es bei einer TP eher um das langsame Bewusstwerden über unbewusste Vorgänge in unserer Psyche geht. In einer VT kannst du also konkrete Lösungswege erarbeiten, um besser mit deiner Arbeitsangst umzugehen.

4. Versagensangst

Leiden Betroffene nicht unter dem Gedanken, arbeiten zu gehen, sondern eher unter der Angst, dass sie beim Arbeiten versagen könnten, steht die Versagensangst im Fokus. Sie kann dazu führen, eine Arbeitsangst als Ursache für unseren Zustand „vorzuschieben“. Doch dahinter verbirgt sich eben jenes tiefe Gefühl, nicht gut genug oder für einen Beruf ungeeignet zu sein.

Manchmal wird in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Imposter-Syndrom“ oder auch „Hochstapler-Syndrom“ gesprochen, wenn unsere eigenen Zweifel besonders stark ausgeprägt sind. Oft ist ein geringes Selbstwertgefühl die Ursache, welches wir bereits in jungen Jahren entwickeln.

Was dir helfen kann:

  • Tatsachen-Check: Stelle deine Gefühle den „echten Fakten“ gegenüber, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wann deine Zweifel irrational sind.
  • Annehmen und akzeptieren: Komplimente darfst du so annehmen, wie sie dir gegeben werden.
  • Weg von 100 Prozent: Perfektionismus wird nicht helfen oder ausgleichend wirken, weil niemand perfekt ist.
  • Positives hervorheben: Mache dir deine Stärken immer wieder bewusst.

Wie gehe ich mit meinen Ängsten um?

Tipp #1: Angst ist nicht immer unbegründet – nimm sie an

Sowohl im Berufsalltag als auch im Privatleben ist der wichtigste Schritt, Gefühle anzunehmen, wenn sie da sind. Sobald wir akzeptiert haben, dass sie existieren, können wir die nächsten Schritte planen. Ängste haben, wenn sie nicht gerade irrational sind, ihre Daseinsberechtigung. Denn sie signalisieren Gefahr und können einen Schutz für Körper und Seele darstellen. Es hilft also nicht, die Angst pauschal zu verteufeln, sie zu verdrängen oder sie ohne konkreten Plan zu bekämpfen.

Tipp #2: Gehe auf „Wurzelsuche“

Was sind die Gründe und Auslöser für deine Arbeitsängste? Gibt es bestimmte Situationen, welche dir besonders viel Angst einjagen und die du versuchst, um jeden Preis zu vermeiden? Die Suche nach den tieferliegenden Ursachen ist ein weiterer Schritt, um einen gesunden Umgang mit der eigenen Jobangst zu finden. Packen wir das Problem nicht an der Wurzel, wird die Angst bleiben.

Die Ursachenforschung oder die Suche nach der Wurzel allen Übels ist alleine nicht ganz einfach. Es hilft, wenn du eine Vertrauensperson hast, mit der du darüber sprechen kannst.

Tipp #3: Suche dir einen Arbeitsplatz mit einer gesunden Arbeits- und Unternehmenskultur

So einige deutsche Arbeitnehmer haben ihren bisherigen Job aufgegeben oder denken zumindest darüber nach, sich eine neue Stelle zu suchen. Auch du kannst über diesen Schritt nachdenken, sofern deine Ängste durch deinen jetzigen Job ausgelöst werden.

Wenn dir tatsächlich dein jetziger Arbeitgeber Angst macht oder dir ganz übel wird, weil du von Kollegen gemobbt oder gedemütigt wirst und keine Hilfe bekommst, kann es helfen, aktiv etwas zu unternehmen. Es ist vor allem eine Frage der Kultur im Unternehmen. Passt diese nicht zu deinen eigenen Wertvorstellungen und werden deine Grenzen regelmäßig überschritten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir Ängste, Panikgefühle und Wut entwickeln.

Zusatztipp: Was Führungskräfte gegen den Motivationskiller „Angst“ tun können

Als Führungskraft verbergen wir unsere Gefühle meist, wenn diese unangenehm sind. Der offene Umgang mit eigenen Ängsten und Sorgen, aber auch der Austausch darüber, wie mit solchen bedrückenden Gefühlen umgegangen werden kann, hilft Mitarbeitern, Vertrauen aufzubauen und wieder Freude und mehr Leichtigkeit zu empfinden, wenn sie an ihren Arbeitsplatz denken. Davon profitieren Arbeitgeber ebenfalls. Denn Ängste können andernfalls die Kreativität und Motivation von Mitarbeitern regelrecht zerstören.

Bild: Foto von Shane/Unsplash