Jeder Führungskraft sollte das Wohl des Unternehmens am Herzen liegen. Geht es dem Unternehmen gut, geht es auch den Stakeholdern gut – zumindest in der Theorie. Gerät es hingegen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, müssen Sonderleistungen, Gehälter oder sogar Arbeitsplätze gekürzt werden. Warum also vergraulen viele Führungskräfte mit Absicht die für das Unternehmen so wichtigen Nachwuchstalente?

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Wie Führungskräfte den Fachkräftemangel verstärken

Eigentlich spricht derzeit alle Welt vom Fachkräftemangel und davon, dass immer mehr Unternehmen Probleme mit dem Recruiting von Nachwuchstalenten haben. Bereits viele Branchen sind von dem Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften betroffen. Tendenz steigend.

Mit Employer Branding und weiteren Strategien versuchen die Arbeitgeber, dem aus wirtschaftlicher Sicht gefährlichen Trend entgegenzuwirken. Was viele hingegen nicht ahnen ist, dass ihre eigenen Führungskräfte ihnen dabei einen Strich durch die Rechnung machen. Eine hohe Mitarbeiterfluktuation entsteht nämlich längst nicht nur aufgrund der Abwerbung durch die Konkurrenz oder die scheinbar so hohen Ansprüche der Generationen Y und Z.

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Es mag durchaus sein, dass die Fachkräfte aufgrund ihrer begehrten Position auf dem Arbeitsmarkt ihrem Arbeitgeber gegenüber weniger loyal sind als noch vor wenigen Jahren. Und es stimmt wohl auch, dass der Trend zum kurzfristigen Arbeitsverhältnis geht, einer Patchwork-Karriere beispielsweise oder der projektbasierten Arbeit, vielleicht sogar als Freelancer. Die Gründe dafür, dass immer mehr Unternehmen Probleme mit einer steigenden Mitarbeiterfluktuation haben – und das gerade bei der Mangelware „Nachwuchstalent“ – sind vielfältig.

Lese-Tipp: Patchwork-Karriere: Wie du das Modell optimal für deinen Karriereaufschwung nutzt

Doch eines ist klar: In zahlreichen Fällen tragen die unternehmensinternen Führungskräfte daran eine Mitschuld. Obwohl sie das Wohl des Unternehmens im Sinne haben sollten, handeln diese oft egoistisch, fühlen sich durch den Nachwuchs bedroht und vergraulen Talente deshalb mit voller Absicht. Aber wieso sollten sie das tun?

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Narzissten interessieren sich nur für ihr eigenes Wohl

Ganz einfach: Weil ein Großteil der Führungskräfte in deutschen Chefetagen narzisstisch oder psychopathisch veranlagt ist. Genau genommen handelt es sich dabei um schätzungsweise zehn Prozent Psychopathen und eine deutlich höhere Dunkelziffer an Persönlichkeiten mit narzisstischer Störung. Die Wahrscheinlichkeit, in den Führungsetagen deutscher Unternehmen auf einen Psychopathen zu treffen, ist laut Experten daher vier- bis sechsmal höher als im Alltag, wie wir Ihnen bereits in folgendem Artikel erläutert haben:

Leider sind sich nur wenige Arbeitgeber über diese Problematik sowie deren Konsequenzen wirklich im Klaren. Narzissten beziehungsweise Psychopathen im Unternehmen bringen auf lange Sicht nur Nachteile mit sich. Dazu gehört auch das Vergraulen der begehrten Nachwuchstalente. Persönlichkeiten mit entsprechend narzisstischer beziehungsweise psychopathischer Störung sind nämlich egozentrisch, machthungrig und interessieren sich schlussendlich nur für ihr eigenes Wohl.

Dieses setzen sie gerne auf Kosten anderer Personen oder auch des Unternehmens um. Sie sind Meister darin, ihr soziales Umfeld zu manipulieren und die Strippen so zu ziehen, dass sie im besten Licht erscheinen und ihnen Erfolg, Geld sowie Macht scheinbar mühelos zufliegen. Klar, sie räumen ja auch kategorische jede mögliche Konkurrenz aus dem Weg.

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Nachwuchstalente sind eine „gefährliche“ Konkurrenz

Das Hauptproblem liegt also darin, dass die betroffenen Führungskräfte in den Nachwuchstalenten eine potenzielle Konkurrenz sehen, welche ihnen ihren Rang streitig machen könnte. Sie sind hoch qualifiziert, Spezialisten auf ihrem Gebiet, jung, motiviert und begehrt.

Um die Fachkräfte im Unternehmen zu halten, lockt der Arbeitgeber häufig mit exzellenten Perspektiven und schnellen Beförderungen. Für eine narzisstisch veranlagte Führungskraft bedeutet das eine Bedrohung ihres eigenen Erfolges und Geltungsbedürfnisses. Die Lösung scheint daher simpel: Sie versucht, die Nachwuchstalente so schnell wie möglich aus dem Unternehmen zu ekeln. Manipulation, Bossing & Co – dafür ist jedes Mittel recht.

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Manchmal ist den Narzissten und Psychopathen ihr Handeln bewusst und sie gehen strategisch vor, um die „Konkurrenz“ loszuwerden. In vielen Fällen greifen hierbei aber unbewusste Mechanismen. Die Betroffenen spüren eine dumpfe Angst, ein Unbehagen oder Antipathie. Manchmal können sie sich diese Gefühle selbst nicht logisch erklären. Stattdessen schieben sie es auf eine angeblich gute Menschenkenntnis à la

Mit dem/der stimmt irgendetwas nicht, das spüre ich.

Ein anderes Mal werden oberflächliche Gründe als Rechtfertigung gesucht, Fehler in der Arbeit zum Beispiel oder Verhaltensauffälligkeiten gegenüber Kollegen. Besonders schlimm ist für den Narzissten natürlich ein anderer Narzisst. Schließlich nehmen diese sich gegenseitig die ersehnte Aufmerksamkeit weg – oder schlimmstenfalls sogar die Beförderung. Auch diese unbewusste Furcht vor der Konkurrenz führt zu einem unfairen Verhalten der Führungskraft gegenüber dem Nachwuchstalent. Dieses kann sich wie folgt äußern:

  • Benachteiligung
  • Übergehen bei Beförderungen
  • Ignorieren
  • Persönliche Angriffe
  • Ständige Kritik
  • u. v. m.

Der Arbeitsalltag wird dem Betroffenen so unangenehm wie möglich gemacht. Je unwohler er sich fühlt, umso schneller wird er das Handtuch werfen und das Unternehmen verlassen – oder sich zumindest intern versetzen lassen.

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Arbeitgeber müssen ihre Führungskräfte zähmen

Eine erhöhte Mitarbeiterfluktuation kann also aus Mobbing oder einem schlechten Betriebsklima resultieren. Und daran sind nicht selten (auch) die Führungskräfte im Unternehmen schuld.

Arbeitgeber, die sich dieser Problematik bewusst sind, sollten mehr darauf achten, wen sie in eine entsprechende Machtposition heben. Sie müssen einen Blick für Narzissten und Psychopathen entwickeln und diese nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch dem Unternehmenserfolg zuliebe loswerden. Das klingt in der Theorie allerdings einfacher als es in der Praxis ist. Schließlich gibt es einen strengen Kündigungsschutz, Narzissten sowie Psychopathen können ihre Störung meist perfekt verbergen und viele Arbeitgeber sind selbst von diesen Persönlichkeitszügen betroffen.

Lese-Tipp: Mitarbeiter binden – Fluktuation senken: Wie Führungskräfte Top-Talente dauerhaft im Unternehmen halten

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Ein emotional intelligenter Arbeitgeber mit umfassendem Wissen über solche Persönlichkeitsstörungen sowie deren Konsequenzen kann also bereits mit einfachen Maßnahmen das Betriebsklima verbessern und die Nachwuchstalente im Unternehmen halten. Doch was, wenn dies nicht der Fall ist? Wie kann die bewusst herbeigeführte Mitarbeiterfluktuation durch Führungskräfte gestoppt werden?

Wie sich Nachwuchstalente im Unternehmen halten lassen

Wer heutzutage noch gute Fachkräfte gewinnen und langfristig binden möchte, muss diese bewusst fördern. Je weniger der Nachwuchs seine Interessen im Unternehmen vertreten sieht, umso schneller wird er sich nach Alternativen umsehen. Viele Arbeitnehmer der hoch qualifizierten Generation Y sehnen sich nach persönlicher sowie beruflicher Weiterentwicklung. Wenn sie das Gefühl haben, in einer Sackgasse zu sitzen oder durch den Vorgesetzten gezielt „blockiert“ zu werden, verlassen sie das Unternehmen auf der Suche nach neuen Perspektiven.

Solche Ziele der Weiterentwicklung können, müssen aber nicht, ein hierarchischer Aufstieg oder finanzielle Verbesserungen sein. Manchmal sehnen sich die Fachkräfte aber auch nach mehr Eigenverantwortung, einem inhaltlichen Mitspracherecht oder regelmäßigen Weiterbildungen. Für den Arbeitgeber ist es also eine erfolgversprechende Strategie, herauszufinden, was die begehrten Fachkräfte sich wünschen – und diese Wünsche dann auch bestmöglich zu erfüllen. Das dient dem Employer Branding, der Senkung der Mitarbeiterfluktuation und dem Betriebsklima. Das Schlüsselwort lautet also: Partizipation.

Partizipation: Wie lassen sich Mitarbeiter fördern?

Die Nachwuchstalente im Unternehmen möchten gemäß ihrer Talente auch gefördert werden. Klar, sonst wären diese ja verschwendet. In erster Linie wünschen sie sich aber Raum zur Selbstentfaltung und Einbringung ihrer Ideen. Partizipation bedeutet aber nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen zahlreiche Vorteile:

  • schnellere Umsetzung von Plänen
  • Mittragen von Entscheidungen durch die Mitarbeiter
  • freiwillige Mitbestimmung bei relevanten Themen
  • Berücksichtigung der demokratischen Werte unserer Gesellschaft
  • Steigerung der Motivation in der Belegschaft
  • Verbesserte Kommunikation im Unternehmen
  • Anerkennung der Mitarbeiter als „Mensch“, statt als reine Arbeitskraft

Alles in allem stärkt eine im Unternehmen gelebte Partizipation die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber. Die Motivation steigt und damit auch die Produktivität. Die höhere Zufriedenheit wirkt sich positiv auf das Betriebsklima aus und mindert schlussendlich auch die Mitarbeiterfluktuation. Um von diesen Vorteilen der Partizipation profitieren zu können, gibt es unterschiedliche Ansätze:

  • Delegation als höchste Form der Mitarbeiterbeteiligung, bei welcher die gesamte Führungsverantwortung auf die Angestellten übertragen wird.
  • Partizipation als Kompromiss zwischen Führungskräften, welche die Verantwortung behalten, und Mitarbeitern, die ein Mitbestimmungsrecht besitzen – je nach Thema mehr oder weniger stark ausgeprägt.
  • Empowerment als abgemilderte Form der Partizipation, bei welcher Mitarbeiter zwar mehr eingebunden werden, nicht aber mehr Verantwortung tragen.

Allerdings gilt es, das richtige Maß zu finden. Du kannst Nachwuchstalente nicht halten, indem du diesen ab sofort sämtliche Entscheidungen überlässt und die wirtschaftliche Verantwortung überträgst. Stattdessen geht es darum, die Talente individuell gemäß ihrer Stärken, Wünsche und Ziele zu fördern. Es braucht also regelmäßige Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, um gemeinsam eine Strategie für die berufliche Weiterentwicklung der betreffenden Person zu entwickeln. Nur was, wenn die Führungskraft diese eben bewusst boykottiert?

Lese-Tipp: Feedbackgespräch: Ablauf, Vorbereitung, Dos & Don’ts

Eine Kontrollinstanz kann zur Hilfe eilen

Eine Partizipation sowie Förderung der Nachwuchstalente wird nämlich nur dann die gewünschten Früchte tragen, wenn die Führungskräfte den Plänen nicht gleichzeitig einen Strich durch die Rechnung machen. Denkbar ist zum Beispiel die Einführung einer Kontrollinstanz. Diese Rolle kann der Betriebsrat übernehmen, das Personalwesen oder eine andere unabhängige Instanz im Unternehmen. Sogar externe Varianten sind theoretisch denkbar.

Freiheit ist eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit.

(Joachim Gauck)

Es geht darum, die Fluktuation in den verschiedenen Abteilungen zu überwachen und überdurchschnittliche Raten zu erkennen. Anschließend sollte das Gespräch mit den Betroffenen, sprich den Fach- und den Führungskräften, gesucht werden, um die Gründe für den Anstieg der Mitarbeiterfluktuation im jeweiligen Bereich zu identifizieren. So können narzisstische beziehungsweise psychopathische Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter gezielt sabotieren, entlarvt und die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Wenn du also gleichzeitig schaffst, für eine Förderung der Nachwuchstalente zu sorgen und potenzielle Blockaden durch Führungskräfte zu beseitigen, wird der Fachkräftemangel hoffentlich schon bald kein Problem mehr für das Unternehmen darstellen.

Bildnachweis: Nattakorn_Maneerat/Shutterstock.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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