Wenn du bei der Arbeit nichts mehr zu tun hast, früher oder später vielleicht sogar im Boreout landest, gilt das dann auch als Mobbing? Ja, nur hat es dann einen anderen Namen: Straining.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Straining, abgeleitet vom englischen „to strain“, beschreibt die bewusste Herbeiführung von Langeweile am Arbeitsplatz als Mobbingstrategie. Unternehmen nutzen es, um unerwünschte Mitarbeiter loszuwerden.
- Straining umfasst vier Phasen: Entzug von Arbeitsaufgaben, soziale Ausgrenzung, psychische und physische Belastungen, und schließlich den Verlust des Arbeitsplatzes.
- Betroffene sollten ihre Situation genau dokumentieren, frühzeitig ärztliche Hilfe suchen und sich über rechtliche Möglichkeiten informieren.
Definition: Straining – Mobbing durch Langeweile
Ist die bewusst herbeigeführte sowie permanente Langeweile bei der Arbeit nun Mobbing oder nicht? „Ja“, sagt Prof. Dr. Harald Ege und gibt dem Phänomen des Boreout durch Mobbing sogar einen eigenen Namen. Das „Straining“ ist von dem englischen Verb „to strain“ abgeleitet und bedeutet „ziehen“ oder „dehnen“. Ege ist sich sicher:
Immer mehr Unternehmen versuchen bewusst durch das Straining überflüssig, zu alt oder zu teuer gewordene Mitarbeiter loszuwerden, welche sie aufgrund des Arbeitnehmerschutzes nicht oder nicht abfindungsfrei kündigen könnten.
Durch seine Arbeit als Gutachter konnte er bereits die Anerkennung eines Parameter-Systems für Mobbingfälle in Italien unterstützen.
Ablauf: Wie funktioniert das Straining?
Laut Ege läuft das Straining in vier Phasen ab:
- Es findet eine feindselige Handlung statt, die entgegen dem Mobbing in der Regel nicht aus einer aktiven Konfrontation, sondern aus dem Entzug der Arbeitsinhalte besteht. Der Betroffene hat daraufhin zu wenig oder gar keine Aufgaben mehr, wird sozial ausgegrenzt und beginnt sich zu langweilen. Einladungen zu Meetings bleiben aus, Projekte werden umstrukturiert oder Zuständigkeiten neu verteilt. Häufig ist das Straining zudem nur ein Bestandteil eines Mobbingfalls, geht also mit weiteren „klassischen“ Mobbinghandlungen einher
- Diese feindseligen Handlungen haben dauerhafte Folgen für den Betroffenen, wirken sich also langfristig auf dessen Arbeitsplatz aus.
- Durch die künstlich hergestellte Stresssituation leidet das Straining-Opfer früher oder später unter psychischen und/oder physischen Konsequenzen, oft folgen häufige oder dauerhafte Krankschreibungen.
- Schlussendlich folgt der Verlust des Arbeitsplatzes, entweder, weil sich der Betroffene selbst zur Kündigung entschlossen hat, oder weil er durch die Stresssituation einen Fehler macht und dem Arbeitgeber so einen (rechtlich) legitimen Kündigungsgrund einräumt.
Erschreckende Zahlen zum Mobbing und Straining
In Italien ist das öffentliche Bewusstsein um die Themen Mobbing und Straining deutlich weiter fortgeschritten als in Deutschland. Demnach gibt es hier bereits erste empirische Erhebungen zum Thema Straining. Demnach handele es sich bei rund 60 Prozent aller Mobbingfälle vor Gericht um Straining, nur bei 20 Prozent der Fälle hingegen, ginge es um „klassisches“ Mobbing, so zitiert Ege eine italienische Studie aus dem Jahr 2005.
Dies macht deutlich: Straining ist alles andere als eine neue oder seltene Erscheinung. Auch in Deutschland werden die Zahlen ähnlich hoch eingeschätzt. Bei rund einer Million Mobbingfälle pro Jahr, kämen wir auch hier auf mindestens 600.000 Straining-Vorfälle. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit über diesen Zahlen. Rund 15 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer gaben in einer auf Statista veröffentlichten Studie an, bereits Mobbing am Arbeitsplatz erlebt zu haben.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
15 Prozent – das ist eine erschreckend hohe Zahl. Interessant wird es da vor allem bei einem genaueren Blick hinsichtlich der Frage: Um welche Art von Mobbing handelt es sich dabei?
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Auf dem ersten Platz liegt mit 63 Prozent die Handlung „Vorenthalten von Informationen“, welche eindeutig in die Kategorie „Straining“ eingeordnet werden kann. Hinzu kommen 44 Prozent der Befragten, welche bereits unter dem „Nichtbeachtet-werden“ litten. Dennoch ist das Straining in Deutschland bislang weitestgehend unbekannt.
Gerichtliche Möglichkeiten für Straining-Opfer
Aus diesem Grund ist es leider bislang sehr schwierig, sich gerichtlich gegen Straining zu wehren. Um dennoch eine Chance zu haben, solltest du unbedingt ein Gutachten anfertigen lassen. Suche frühzeitig einen Arzt und/oder Psychiater beziehungsweise Psychotherapeuten auf und lasse die Folgen des Strainings detailliert dokumentieren.
Zugleich musst du auch die Situation am Arbeitsplatz festhalten und jeden Hinweis auf Mobbing oder Straining als Beweismittel aufbewahren, zum Beispiel E-Mails, Fotos eines leergeräumten Arbeitsplatzes oder Nachweise über interne Versetzungen. Das machst du am besten mit einem Straining-Tagebuch. Dort trägst du alle Vorkommnisse Tag für Tag ein.
Bevor du damit vor Gericht gehst, solltest du dann ein professionelles Gutachten erstellen lassen. Dieses wird nämlich wissenschaftlich anerkannt und kann nur durch ein Gegengutachten wieder aufgehoben werden.
Tipps: So wehrst du dich bei Straining
Wenn du von Straining betroffen bist, aber (noch) nicht vor Gericht gehen möchtest, kannst du die Situation erst einmal durch psychischen und physischen Abstand entschärfen. Verkürze deine Arbeitszeit oder lasse dich krankschreiben. Suche gleichzeitig Hilfe beim Betriebsrat, einer unabhängigen Beratungsstelle oder bei einem Anwalt.
In der Regel kann eine solche Situation, ist sie einmal eskaliert, aber nicht wieder zu 100 Prozent repariert werden. Überlege dir daher: Kannst du dir vorstellen, weiterhin in diesem Unternehmen zu arbeiten? Und wenn ja, kommt dann eventuell eine interne Versetzung infrage? Häufiger jedoch, steht früher oder später ein Jobwechsel an. Beginne also so früh wie möglich damit, sich nach einer neuen Anstellung umzusehen.
Oder hast du vielleicht noch weitere Tipps für Straining-Opfer? Leidest oder littest du schon selbst einmal unter Straining und Mobbing?
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