Fast die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland (42,8 %) war 2022 seit mindestens zehn Jahren bei ihrem aktuellen Arbeitgeber tätig. Weitere 19,2 % arbeiteten fünf bis zehn Jahre im selben Job. Nur 38 % wechselten innerhalb von fünf Jahren (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Von wegen unsichere Jobs und „Generation Praktikum“ – viele bleiben erstaunlich lange. Doch wann wird aus Beständigkeit beruflicher Stillstand?
Warum ein Jobwechsel nach spätestens 7 Jahren?
Zehn Jahre – das ist noch lange kein Berufsleben, laut Experten ist das aber bereits deutlich zu viel. Nach drei bis fünf, spätestens aber sieben Jahren empfehlen diese einen Jobwechsel. Die möglichen Gründe für den Wunsch nach einer neuen beruflichen Herausforderung sind vielfältig:
- Wunsch nach neuen Perspektiven
- Geringes Gehalt und/oder keine Benefits
- Fehlende Anerkennung
- Umstrukturierungen
- Unklare Zukunftsperspektiven
- Schlechtes Betriebsklima
- Konflikte mit Vorgesetzten
- Keine ausreichende Work-Life-Balance
- u. v. m.
Experten plädieren dafür, nach spätestens sieben Jahren sogar den Arbeitgeber zu wechseln. Ansonsten seien die Arbeitnehmer häufig früher oder später ohnehin unfreiwillig zu einer beruflichen Veränderung gezwungen. Auch die Unternehmen entwickeln sich weiter, verlagern ihre Schwerpunkte, verändern interne Strukturen oder bauen Personal ab.
Je schnelllebiger die Branche, umso wichtiger sind daher häufige Jobwechsel. Während für ITler oder Marketingfachleute deshalb rund drei Jahre als empfehlenswert gelten, fühlen sich Buchhalter gerne auch über zehn Jahre hinweg in ihrer Anstellung pudelwohl.
Wann genau für dich der richtige Zeitpunkt für einen Jobwechsel gekommen ist, musst du daher stets gemäß deiner individuellen Situation entscheiden. Alles in allem beobachten Experten in jedem Arbeitsverhältnis folgende sieben Phasen:
Phase 1: Enthusiasmus
Endlich ein neuer Job. Egal, ob du dich lange auf Jobsuche befunden hast oder von einem Headhunter abgeworben wurdest: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne und daher startest du in der Regel hoch motiviert, voller Vorfreude und auch ein wenig aufgeregt in die neue Anstellung. Du musst erst einmal ankommen, dich orientieren und vielleicht auch die ein oder andere Traumvorstellung durch die Realität ablösen.
Phase 2: Wehmut
Wenn nach den ersten ein bis zwei Monaten eben jene Realität Einzug hält und deine hohen Erwartungen vielleicht nicht (vollständig) erfüllt wurden, hängen viele Menschen erst einmal der Vergangenheit nach. Sie zweifeln daran, ob der Jobwechsel die richtige Entscheidung war, und neigen dazu, den vorherigen Arbeitsplatz zu romantisieren. Irgendwie waren die Kollegen netter, die Aufgaben anspruchsvoller und der Chef doch gar nicht so schlimm, wie einst engenommen. Wehmut ist normal – lass dich davon nichts ins Bockshorn jagen!
Phase 3: Einleben
Irgendwann pendelt sich deine Stimmung zwischen Enthusiasmus und Wehmut ein und du beginnst, dich in deiner neuen beruflichen Heimat einzuleben. Du knüpfst neue Freundschaften, arbeitest dich in deine Tätigkeitsbereiche ein und übernimmst etwas mehr Verantwortung. An diesem Punkt setzt auch die Motivation wieder ein und du möchtest dich von deiner besten Seite präsentieren. Diese dritte Phase dauert laut Jörg Stegemann etwa ein Jahr lang an. Ein Jahr voller Höchstleistungen und Erfolge.
Phase 4: Stabilität
Nach dem ersten Jahr bist du endlich richtig eingearbeitet und konntest dir durch deine exzellenten Leistungen bereits Respekt bei den Kollegen und Vorgesetzten erarbeiten. Du bewegst dich auf einem guten, nicht aber herausragenden Niveau. Nach dem anstrengenden ersten Jahr und den zahlreichen Veränderungen heißt es erst einmal durchatmen und Stabilität finden.
Phase 5: Bestleistung
Aufwärts geht es wieder in der fünften Phase, welche laut Stegemann etwa um das dritte Jahr einsetzt. Du bist nun im Unternehmen etabliert, fühlst dich zuhause und gehst routiniert deiner Arbeit nach. Jetzt willst du mehr und läufst zur Höchstform auf. Diese fünfte Phase hält mehrere Monate bis Jahre an und bedeutet häufig den Aufstieg in der Hierarchie. Länger als fünf Jahre jedoch, sei die Phase „Bestleistung“ nur selten zu beobachten, so der Experte.
Phase 6: Wende
Und dann? Der Jobzyklus ist vergleichbar mit einem klassischen Drama: Nach dem Höhepunkt folgt die Retardation. Deine Leistung lässt nach, erste Zweifel kommen auf oder es entstehen Konflikte mit Teamkollegen beziehungsweise Vorgesetzten. Du fühlst dich nicht mehr hundertprozentig wohl in deinem Job, sehnst dich nach Veränderung oder fühlst dich in der Stagnation gefangen und es fehlt an neuen Herausforderungen.
Jetzt wäre der optimale Zeitpunkt für einen Jobwechsel gekommen. Viele Menschen schrecken aber noch aus Angst vor der Unsicherheit vor diesem Wechsel zurück oder werten die sechste Phase als einen vorübergehenden Durchhänger.
Phase 7: Abwärtsspirale
Dem sei aber nicht so, sagt Jörg Stegemann. Wer in der sechsten Phase nicht die Notbremse zieht und den Absprung schafft, begibt sich in eine gefährliche Abwärtsspirale. Häufig mündet diese in psychischen wie physischen Problemen, einer sinkenden Leistungsfähigkeit bis hin zum Burnout oder anderen stressbedingten Erkrankungen. Am Ende der siebten Phase wirst du zum Jobwechsel gezwungen, sei es durch eine Krankheit oder die arbeitgeberseitige Kündigung.
Jobwechsel als Chance begreifen, statt als Risiko
Alle drei bis fünf Jahre solltest du daher den Mut zum Jobwechsel fassen, spätestens aber nach sieben Jahren. Prüfe regelmäßig, in welcher Phase des Jobzyklus du dich gerade befindest und ziehe rechtzeitig in der sechsten Phase die Notbremse, bevor du wirklich wie im klassischen Drama in der Katastrophe endest.
Vielen Menschen fehlt es allerdings am notwendigen Selbstbewusstsein für einen Jobwechsel oder die Angst vor dem Risiko „Unsicherheit“ überwiegt die zahlreiche positiven Aspekte, welche solch ein beruflicher Schritt mit sich bringt. So ein Wechsel des Arbeitsplatzes birgt nämlich auch zahlreiche Chancen:
- Du entwickelst dich beruflich und persönlich weiter.
- Die Betriebsblindheit weicht neuen Sichtweisen und Perspektiven.
- Du bleibst up-to-date und erschließt dir immer wieder neues Knowhow in deinem Fachbereich.
- Du wirst vor neue Herausforderungen gestellt und kannst dadurch sowohl deine Hard als auch Soft Skills trainieren.
- Dadurch wirst du auch nicht zu spezialisiert oder festgefahren, sondern trainierst deine Auffassungsgabe, Lernbereitschaft sowie die Offenheit für neue Sichtweisen und Problemlösungsansätze.
- Dein Lebenslauf wird durch Jobwechsel aufgewertet, solange sie einen roten Faden erkennen lassen und zumindest die Probezeit überdauern.
- Du knüpfst neue Kontakte und baust dein berufliches Netzwerk aus. „Vitamin B“ ist schließlich der wichtigste Erfolgsfaktor für deine Karriere, wie wir dir bereits im Artikel „Nicht wer leistet, wird befördert. Sondern…?“ erläutert haben.
Überlasse deinen Jobzyklus nicht dem Zufall
Ergreife diese Chance und sei deiner Konkurrenz dadurch stets einen (Karriere-) Schritt voraus. Wenn du deinen Jobzyklus ab sofort nicht mehr dem Zufall überlässt, sondern deine Karriere aktiv planst, wirst du die Karriereleiter schneller und höher erklimmen. Beobachte daher stets, in welcher Phase du dich derzeit befindest und sehe dich ab Phase 6 nach einer neuen Anstellung um.
Achtung: Wenn du dich auf Jobsuche begibst, obwohl du dich noch in der Anstellung bei einem anderen Unternehmen befindest, musst du die Bewerbung unbedingt vor deinem Arbeitgeber geheim halten. Sie kann sonst zum Kündigungsgrund werden.
Solche Lücken im Lebenslauf möchtest du aber, wenn möglich, vermeiden. Je fließender der Übergang von einem Job in den nächsten, umso besser. Du kannst dafür in deiner Bewerbung entweder um Geheimhaltung bitten, oder aber du wählst direkt eine anonyme Bewerbungsmethode.
Extra-Tipp: Fordere unbedingt in regelmäßigen Abständen ein Zwischenzeugnis an. So bist du jederzeit bereit für eine Bewerbung, sobald du in Phase 6 des Jobzyklus eintrittst. Zudem kann es vorkommen, dass du dein vorheriges Unternehmen nicht immer im Guten verlässt.
Vielleicht gibt es kurz vor deinem Jobwechsel auch einen Führungswechsel und das Zeugnis lässt erahnen, dass der neue Chef so gar nicht gut auf dich zu sprechen ist. Gut, wenn du dann noch mehrere Zwischenzeugnisse aus besseren Zeiten vorlegen kannst.
Welche weiteren Tipps und Erfahrungen hast du zum Thema Jobzyklus und Jobwechsel? Siehst du die Entwicklung hin zur Patchwork-Karriere mit vielen Stationen im Lebenslauf positiv oder sehnst du die Zeiten der Industriebeamten zurück?
In welcher Phase des Jobzyklus befindest du dich gerade – und wie lange willst du noch warten, bevor du die nächsten Schritte planst?