Wenn im Flurfunk von „Firmenverkauf“ die Rede ist, geraten Arbeitnehmer in Panik. Was passiert tatsächlich mit ihnen?

Anzeige

Nervöse Unruhe in der Belegschaft vor Firmenverkauf ist keine Seltenheit

Zunächst die gute Nachricht für Arbeitnehmer: Mitarbeiter eines Unternehmens werden nicht automatisch ihre Jobs verlieren, wenn ein Firmenverkauf stattfindet, weil sie Rechte haben. Dies regelt § 613a Abs. 4 BGB. Demnach darf eine Kündigung von Angestellten nicht ohne Weiteres erfolgen, wenn diese bei einem Verkauf ausschließlich betrieblicher Natur ist. Falls doch, können Betroffene dagegen vorgehen.

Trotzdem müssen Unternehmensinhaber und Käufer damit rechnen, dass Mitarbeiter unruhig werden, sobald sie Wind von einer geplanten Betriebsübergabe bekommen und Kündigungsgerüchte die Runde machen. Jetzt ist Aufklärungsarbeit gefragt, um Arbeitnehmer nicht vor vollendeten Tatsachen zu stellen. Denn vor Massenentlassungen à la Twitter (heute als „X“ bekannt), graut es Mitarbeiter auch hierzulande. Nach der Firmenübernahme soll die Belegschaft drastisch geschrumpft sein.

Anzeige

Was passiert mit Beschäftigten einer Firma bei einem Unternehmensverkauf?

Das Arbeitsverhältnis geht zunächst lediglich auf den neuen Unternehmensinhaber über, sodass dieser zum Arbeitgeber für die Beschäftigten wird.

Ein Unternehmensverkauf kann unter anderem damit einhergehen, dass der neue Inhaber tatsächlich Entlassungen plant, wenn auch inoffiziell, und diese personen- oder verhaltensbedingt durchsetzen möchte. Das hat verschiedene Gründe. In erster Linie geschieht dies, um eigene Pläne zu realisieren und die Effizienz zu verbessern. Es sollen üblicherweise Kosten gespart und zugleich der zu erwartende Gewinn optimiert werden, um die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens insgesamt zu steigern.

Ob es zu einer Kündigung kommt, können Mitarbeiter nicht wissen – zumindest darf dies nicht geschehen, wenn Entlassungen, wie beschrieben, bei einer Übernahme aus betrieblichen Gründen erfolgen. Die Sorgen, die zu existenziellen Ängsten führen können, sind trotzdem nachvollziehbar, obgleich ein solches Vorgehen aufgrund der Gesetzeslage und dem besonderen Schutz von Arbeitnehmern ein kompliziertes Unterfangen wäre.

Anzeige

Die gute Nachricht: Mitarbeiter eines Unternehmens sind nach wie vor ihre wertvollste, wichtigste Ressource. Entgegen der Annahme, dass Arbeitnehmer nach der Firmenübernahme durch einen neuen Inhaber massenweise gekündigt werden, ist es in der Praxis oft so, dass das bestehende Arbeitsverhältnis zunächst unberührt bleibt und Arbeitsplätze auf diese Weise nachhaltig gesichert werden. Dennoch fehlt es in der Belegschaft oft an entsprechender Informationen, sodass einzelne Teammitglieder oder auch viele Mitarbeiter sich zusammentun und das Schlimmste befürchten.

Darf der neue Firmeninhaber Arbeitsverträge ändern?

Die einfache Antwort lautet: Eine Vertragsänderung darf der Käufer grundsätzlich nicht ohne Weiteres durchführen (§ 613a BGB). Arbeitnehmer, die einem solchen Vorgehen ausgesetzt sind, sollten deshalb wissen, dass solche Änderungen, die nicht selten auch einen Nachteil für Beschäftigte bedeuten, nicht wirksam sind. Trotzdem kommt es vor, dass Arbeitnehmer den Änderungen selbst zustimmen. Dann wäre der Arbeitsvertrag wirksam. Unter Umständen wird der neue Firmeninhaber hierfür zum Beispiel zu einem Abfindungsangebot greifen, was erlaubt ist. Das bedeutet: Mitarbeiter und neuer Unternehmensinhaber handeln einen Deal aus, wenn Arbeitnehmer ihre Zustimmung geben sollen.

Bei solchen Vergleichsangeboten sollten Arbeitnehmer aber mit Bedacht vorgehen. Verklausulierte Angaben im Vertrag, die es erschweren, den Inhalt gänzlich zu verstehen, können sich nachteilig auswirken. Bevor verlockende Angebote angenommen werden, können Arbeitnehmer die Vertragsänderungen deshalb zum Beispiel einem Fachanwalt zur Überprüfung vorlegen, um grünes Licht zu bekommen oder gegebenenfalls abzulehnen.

Anzeige

Müssen Arbeitgeber Mitarbeiter informieren?

Grundsätzlich ergibt sich aus § 613a Abs. 5 BGB die Pflicht für Arbeitgeber, dass sie Arbeitnehmer stets in Kenntnis setzen müssen, wenn eine Unternehmensübergabe geplant ist. Dieser Schritt sollte übrigens nicht erst später erfolgen, sondern immer – und schriftlich – vor dem Zeitpunkt des Verkaufs. Die Informationspflicht von Arbeitgebern sieht vor, dass die Auskunft an ihre Beschäftigten nicht lückenhaft sein sollte. Um diesen Punkt zu erfüllen, müssen mindestens folgende Fragen beantwortet werden:

1. Wann ist der konkrete oder geplante Zeitpunkt, zu dem der Betrieb an den neuen Inhaber übergeben wird?

Arbeitgeber müssen ihre derzeitigen Angestellten darüber informieren, wann der Verhandlungspartner zum neuen Betriebsinhaber wird. Auf diese Weise können Arbeitnehmer sich auf kommende Veränderungen einstellen und bei Bedarf eigene Schritte planen.

2. Warum wird die Firma übergeben?

Die Informationspflicht umfasst hier den Rechtsgrund für die geplante Übergabe der Firma. Firmeninhaber, die ihren Betrieb bald abgeben werden, müssen Angestellte zudem mindestens in Schlagworten Auskunft zu den unternehmerischen Motiven geben.

Anzeige

3. Mit welchen Folgen haben Beschäftigte des Unternehmens in sozialer, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu rechnen?

Sobald ein Betrieb verkauft wird, ergeben sich hierdurch einige Neuerungen für Beschäftigte, denen sie aber nicht zwangsläufig zustimmen müssen. Soll das Arbeitsverhältnis zum Beispiel nicht automatisch auf den neuen Firmeninhaber übergehen, können Beschäftigte ihr Widerspruchsrecht anwenden. Der derzeitige Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer über solche und weitere Punkte aufzuklären; dieser ist lediglich einer von vielen: Ob soziale, rechtliche oder wirtschaftliche Folgen – Arbeitnehmer müssen früh genug informiert werden.

4. Welche Maßnahmen sind geplant, die den Arbeitnehmer beruflich betreffen?

Es ist möglich, dass der Firmenübergang für Beschäftigte bedeutet, dass diese an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen müssen oder dass beispielsweise ein Sozialplan geplant ist. Möglicherweise sind für diejenigen, die ihren Job aufgeben wollen, Abfindungen vorgesehen. Über alle Maßnahmen, die schon konkretisiert worden sind und umgesetzt werden sollen, sollten Arbeitnehmer informiert werden.

Wie sollten Arbeitgeber bei einem Firmenverkauf vorgehen?

Ob für Mitarbeiter oder für Arbeitgeber, die den Betrieb veräußern möchten: Die ungewisse Zukunft kann für gemischte Gefühle sorgen. Während einige die Pläne als Anlass nehmen werden, um sich beruflich umzuorientieren, werden andere dagegen ankämpfen, dass große Veränderungen stattfinden, oft aber erfolglos, weil die Entscheidungsmacht fehlt. Was können Noch-Inhaber und Arbeitgeber also tun?

Anzeige

Eine Möglichkeit: für Transparenz sorgen. Um sich selbst und dem Geschäft nicht zu schaden, aber auch, um nicht dem Groll der Belegschaft ausgesetzt zu sein, verschleiern Firmeninhaber häufig ihre Pläne. Grundsätzlich ist es, abgesehen von der Informationspflicht, die alleinige Entscheidung des Inhabers, wie dieser vorgehen möchte. Trotzdem gilt es, die Belegschaft nicht gänzlich außen vorzulassen, wenn es sich vermeiden lässt. Denn das Team wird von der Übernahme der Firma betroffen sein.

Abgesehen von der Informationspflicht können Arbeitgeber deshalb auch für mehr Aufklärungsarbeit sorgen, indem Gespräche geführt und Arbeitnehmern frühzeitig ihre Optionen aufgezeigt werden. Allen voran sind es langjährige oder auch ältere Mitarbeiter, die wenig Alternativen für sich sehen und sich zeitig darum kümmern müssten, eine neue Stelle zu finden, sofern sie mit dem neuen Inhaber aus Loyalitätsgründen nicht einverstanden sind.

Für neue Firmeninhaber kann dies wiederum frustrierend sein, wenn sie Mitarbeiter behalten möchten, ihnen selbst aber keine faire Chance gegeben wird. Auch hier bestünde die Möglichkeit der gezielten Kommunikation und des Austausches, um Missverständnisse zu verhindern und Mitarbeiter auf die Firmenübergabe einzustimmen.

Anzeige

Zusammenfassend: Mitarbeiter sind geschützt

Weil Arbeitnehmer hierzulande vor Kündigungen, die bei einem Firmenverkauf betriebsbedingt erfolgen, geschützt sind, müssen diese sich zunächst nicht den Kopf darüber zerbrechen. Trotzdem ist die Sorge, was nach der Übernahme passieren wird, nachvollziehbar.

Neue Firmeninhaber, aber auch Verkäufer und baldige Ex-Arbeitgeber sollten deshalb stets mit Bedacht vorgehen: Es liegt im Interesse aller, dass das Unternehmen weiterhin gut läuft – und die Mitarbeiter des Betriebes sind hierfür die wertvollste Ressource. Gute Lösungen sollten deshalb wirtschaftlich, nachvollziehbar, nachhaltig, aber auch transparent für alle Beteiligten sein.

Bild: Martin Barraud/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

Mach mit und diskutiere mit uns in unserer Skool Community!

Egal, ob du Fragen hast, Antworten suchst oder einfach nur deine Erfahrungen zu diesem oder anderen Themen teilen möchtest, du bist herzlich willkommen. Diskutiere mit, erweitere dein Wissen und werde Teil einer inspirierenden Gemeinschaft. Zur Arbeits-ABC Community