Fehlzeiten sind milliardenschwer für die Wirtschaft. Doch die Zahl psychisch erkrankter Arbeitnehmer steigt. Zeit, der massiven Belastung zu entgegnen.

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Immer mehr psychisch erkrankte Arbeitnehmer: „Schwere, langwierige Fälle“

Als „schwer“ und „langwierig“ bezeichnet Arbeitspsychologin Antje Judick von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) die weiter ansteigenden Fälle von psychisch erkrankten Arbeitnehmern. Beschäftigte bleiben immer häufiger von der Arbeit fern. Aktuelle Zahlen und Daten der KKH aus Mai 2023, welche das Meinungsforschungsinstitut forsa erhoben hat und die kürzlich veröffentlicht worden sind, belegen die traurige Entwicklung:

  • 60 Prozent der Erwerbstätigen leiden heute unter einem höheren Stresslevel als in den letzten ein bis zwei Jahren.
  • Stressbedingte Ängste werden laut Umfrage bei jedem Sechsten ausgelöst.
  • Ganze 90 Prozent der Beschäftigten spüren hin und wieder vermehrten Stress.
  • 37 Prozent der Befragten ordnet die ständige Erreichbarkeit als Stressfaktor ein.
  • Geld belastet 24 Prozent der Umfrageteilnehmer.
  • Jeder dritte Berufstätige hat mit Depressionen zu kämpfen.

Inflation, Pandemie, globale Krisen: Gründe für den Stress sind vielfältig

Arbeitsplatzbezogener Stress wird durch die wirtschaftlichen und sozialen Krisen der letzten Monate und Jahre zusätzlich verstärkt, mit denen Berufstätige auch privat zu kämpfen hatten oder haben. Der Verlust des Arbeitsplatzes, explodierende Lebenshaltungskosten, die permanente Erreichbarkeit via Internet für das berufliche und private Umfeld – die Belastungen sind parallel zu den unzähligen Veränderungen angestiegen. Und sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, mental zu erkranken.

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Trotz der äußeren Umstände, auf die Unternehmen wenig Einfluss haben, liegt es in ihren eigenen Händen, in das Wohlbefinden von Mitarbeitern zu investieren. Denn Stressfaktoren am Arbeitsplatz, welche die Wahrscheinlichkeit für psychische Erkrankungen erhöhen, können (auch präventiv) identifiziert, erörtert und im Rahmen des Möglichen reduziert werden.

Besser gestern als heute: Unternehmen müssen in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter investieren

Firmenfitness reicht nicht aus, um die Gesundheit von Mitarbeitern zu fördern. Ein ernsthaftes Problem stellen deshalb die scheinbaren Problemlöser dar, mit denen Unternehmen zumindest nach außen ein Bild des attraktiven, gesundheitsbewussten Arbeitgebers präsentieren. Gut gemeint ist hier, zumindest gilt dies für die vermeintlichen Lösungen, nicht immer gut gemacht.

Tipp: Ob steuerliche Fragen zu klären sind oder ob es an allgemeinen Informationen fehlt – um sich zum Thema betriebliche Gesundheitsförderung beraten zu lassen und einen ersten Anlaufpunkt für die Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen zu haben, bieten die BFG-Koordinationsstellen der Krankenkassen Unterstützung für Betriebe an.

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Was sich Unternehmen auf ihre To-do-Liste zu notieren haben, ist, umsetzbare und ansprechende Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen von Mitarbeitern auf sozialer, zeitlicher, finanzieller und beruflicher Ebene entgegenkommen. Das Problem der Kinderbetreuung etwa ist nicht gelöst, wenn berufstätigen Eltern ein gesunder Obstkorb samt Fitnessprogramm angeboten wird. Deshalb müssen Unternehmen in das Wohlbefinden ihrer Arbeitnehmer investieren:

1. Gesunderhaltung:

Prävention ist im Vergleich zur Intervention bekanntermaßen immer die bessere Option. Gesunde Mitarbeiter, die ihren Jobs nachkommen, ohne unter Burnout zu leiden oder etwa innerlich zu kündigen, sollten deshalb bei ihrer Gesunderhaltung gefördert und gestärkt werden. Stressfaktoren gilt es, frühzeitig zu erkennen. Diese können so individuell wie die Mitarbeiter selbst sein, weshalb regelmäßiger und bewusster Austausch mit der eigenen Belegschaft eine wertvolle Basis bildet, um sinnvolle Konzepte zu entwickeln.

2. Mitarbeiterentlastung:

Weil Arbeitnehmer zunehmenden wegen ihrer seelischen Leiden ausfallen und die Zahl weiter steigt, sind es die gesunden Beschäftigten, welche die massiven Ausfälle auszugleichen haben. Infolgedessen haben auch diese es mit einem erhöhten Stresslevel zu tun, was Krankheiten wiederum fördert. Deshalb ist es wichtig, einen besonderen Fokus auf das Wohlbefinden von Mitarbeitern zu legen, um sie nicht ausbrennen zu lassen und Erschöpfungszuständen vorzubeugen.

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3. Arbeitsplatzzufriedenheit verbessern:

Motivation, Sinn und Wertschätzung fehlen, während Überstunden, eine toxische Führung und unrealistische Erwartungen stets vorhanden sind: Die Jobzufriedenheit von Beschäftigten hängt eng mit diesen Komponenten zusammen. Um die Gesundheit Mitarbeitern zu schützen, ist es deshalb wichtig, an Einflussfaktoren für die allgemeine Arbeitsplatzzufriedenheit zu arbeiten, nicht nur als Maßnahme, um hoher Fluktuation zu begegnen, sondern als langfristiges Ziel zur Verhinderung von hohen Fehlzeiten.

Ganzheitliche Maßnahmen: Körperliche und seelische Gesundheit unterstützen

Was können Unternehmen konkret tun? Zunächst ist es wichtig, sich die eigenen Einflussmöglichkeiten bewusst zu machen. Arbeitgeber haben Chancen, erheblich zur Gesundheit ihrer Mitarbeiter – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne – beizutragen. Darüber hinaus gilt es, folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. Psychosoziale Beratungsangebote anbieten

Professionelle Unterstützungsangebote für Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmensteams helfen, Sorgen und Ängste abzubauen, Konflikte zu lösen und sich mental zu stärken, um die seelische Gesundheit zu schützen. Eine psychosoziale Beratung, die von Fachexperten durchgeführt wird, bietet eine gute Chance für alle Beteiligten.

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Angebote gibt es einige, doch Arbeitgeber müssen sich um die Organisation und Umsetzung kümmern. In Kooperation mit externen Dienstleistern kann auf diese Weise sichergestellt werden, dass Mitarbeiter beispielsweise eine anonyme psychologische Beratung wahrnehmen können.

2. Gesundheitsbewusstsein fördern

Ob Themenrunden zum Thema Resilienz, die Stärkung des Bewusstseins für das soziale Miteinander oder Seminare zum Thema Stressmanagement: Unternehmen können sensibilisieren, indem sie das Gesundheitsbewusstsein von Mitarbeitern gezielt stärken. Die Bereitstellung von Informationsmaterial, aber auch die praktische Organisation von entsprechenden Angeboten, die zum Beispiel auf Basis eines allgemeinen Stimmungsbildes der Belegschaft erfolgen kann, hilft.

3. Individuellen Bedarf für maßgeschneiderte Programme ermitteln

Körper und Psyche hängen eng zusammen. Wer etwa unter psychosomatischen Problemen leidet, wird sowohl seelische als auch physische Unterstützung zum Ausgleich benötigen. Themen wie Mehrarbeit, Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen oder finanzielle Probleme belasten und können Auslöser sein. Unternehmen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten Flexibilität beweisen und auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Angestellten eingehen, können zur Entlastung beitragen.

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Mindestens drei Fragen müssen geklärt werden, um eine gesunde Work-Life-Balance herstellen zu können:

  1. Welche Bedürfnisse haben Mitarbeiter?
  2. Wo gibt es Veränderungsbedarf?
  3. Was ist (wie) umsetzbar?

Um passende Lösungen zu finden und gezielt in das Wohlbefinden von Mitarbeitern zu investieren, welche Angebote nicht ungenutzt lassen, sondern diese wahrnehmen, sind individuelle Konzepte gefragt. Denn die Abwesenheit von maßgeschneiderten Maßnahmen, die stattdessen von Pauschallösungen ersetzt werden, ist nicht nur für Unternehmen eine Fehlinvestition, sondern auch für Mitarbeiter belastend.

4. Entlastungsmaßnahmen einführen, ausprobieren, bewerten

Wie effektiv Entlastungsmaßnahmen tatsächlich sind, zeigt die Praxis in Unternehmen. Deshalb müssen diese nicht nur auf dem Papier als Konzept existieren, sondern umgesetzt und anschließend regelmäßig auch bewertet werden. Feedback von Mitarbeitern sowie messbare Zahlen, etwa die Fehlzeiten von Beschäftigten oder die Entwicklung der Produktivität, tragen zu einem umfassenden Bild bei.

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Kommunikation: Ein wichtiger Faktor, um psychischen Stress zu reduzieren

Der Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, aber auch die Kommunikation unter Kollegen und in Teams ist bedeutend, um arbeitsbedingten Stress reduzieren zu können und so langfristig mentalen Belastungen vorzubeugen.

Die wohl einfachste, kostengünstigste und auch effektivste Maßnahme ist deshalb, eine transparente, unmissverständliche Kommunikation zu gewährleisten und Mitarbeiter stets einzubinden, wenn es um offene Fragen zur Umsetzung von Gesundheitsmaßnahmen geht. Was Unternehmen zum Beispiel nicht bieten oder einhalten können und was im Rahmen ihrer Möglichkeiten hingegen realistisch ist, sollten diese deutlich kommunizieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Vor allem, um die Gesundheit von Mitarbeitern zu schützen.

Bild: filadendron/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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