Medikamente, Lebensmittel und eine beheizte Wohnung – für viele Menschen der Generation 65 plus sind das keine Selbstverständlichkeiten mehr. Die Altersarmut in Deutschland nimmt zu.

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Der Lebensabend wird für ältere Menschen in Deutschland zu einer immer größeren Herausforderung. Essen wird teurer. Ausflüge mit Enkelkindern, kleine Urlaube oder Kaffee und Kuchen mit den Liebsten werden zunehmend zum Luxus. Die Heizkosten sind kaum bezahlbar. Auf neue Kleidung muss manchmal verzichtet werden.

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ist aktuell bereits jeder sechste Deutsche über 65 Jahren betroffen. Auffällig ist, dass die Armutsgefährdungsquote in kurzer Zeit einen großen Sprung gemacht hat: Die Destatis-Auswertung zeigt, dass die Quote bei den über 65-Jährigen im Jahr 2018 bei 14,7 Prozent lag. Im Jahr 2021 hat sie traurige 17,4 Prozent erreicht.

Soziale Vereinsamung durch Altersarmut

Die Grundsicherung im Alter, auf welche Bedürftige bei einem nicht ausreichenden Einkommen Anspruch haben, deckt bei vielen Rentner:innen gerade so die laufenden Kosten. Die Linke hat sich dazu klar positioniert: Eine Mindestrente von 1.200 Euro müsse her – so die Forderung des Fraktionschefs Dietmar Barsch.

Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Ausflüge und Freizeitaktivitäten werden zu einem seltenen Komfort, wenn Betroffene sich kaum noch etwas davon gönnen. Isolation und Einsamkeit im Alter sind die Folgen.

Eine soziale Vereinsamung ist jedoch nicht das einzige Resultat. Manchmal werden Nahrungsmittel knapp. Sogar bei Medikamenten, die zur Behandlung von Beschwerden im Alter notwendig wären, müssen einige Rentner:innen nun sparen. Scham, Verzweiflung und Verzicht gehören zum Alltag: Weil Pflegedienste aufgrund der tariflichen Bezahlung ihres Personals ebenfalls die Preise anheben, werden Leistungen zwangsläufig teurer. Für Betroffene bedeutet es, dass sie sich Extras, welche die Krankenversicherungen nicht genehmigen, nur mit der finanziellen Hilfe von Bekannten oder Verwandten leisten können. Doch auf diese Art von Unterstützung kann nicht jeder zurückgreifen.

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Besonders bedroht von Armut sind ältere Frauen

Wie eine der Studie der Universität Köln, die vom BMFSFJ gefördert wurde, zeigt, sind es vor allem Frauen, die mit zunehmenden Alter gefährdet sind. Die Lohnlücke und die vergleichsweise häufige Unterbrechung der Erwerbsbiografie von Frauen – beide Aspekte tragen dazu bei, dass das Geld im Alter häufig nicht zum Leben reicht.

Barbara Eschen, einst Leiterin der Nationalen Armutskonferenz und Sozialwissenschaftlerin, benennt die Probleme: Minijobs würden von Frauen ausgeführt werden. Die Pflege von Angehörigen, welche nicht bezahlt werden würde, wäre ebenfalls Aufgabe der Frau – und in Zukunft, so Eschen weiter, würden die prekären Arbeitsverhältnisse weiter zunehmen. Ihres Erachtens sei das größte Armutsrisiko in Deutschland, eine Frau zu sein. Denn das Recht, die eigene Existenz eigenständig sichern zu können, sei hierzulande noch immer keine Selbstverständlichkeit.

Wer armutsgefährdet ist, bleibt im Schnitt häufiger arm

Etwa 88 Prozent der Menschen, welche im Jahr 2018 armutsgefährdet waren, befanden sich bereits in den Jahren zuvor in einer ähnlichen Lage – so das Ergebnis des Datenreports 2021, welcher u. a. von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) herausgegeben wurde. Das zeigt eine deutliche Tendenz: Wer schon einmal von Armut bedroht war, ist – dem Report nach – von einem größeren Risiko bedroht, wieder in die Spirale zu geraten.

Das ist nicht die einzige Erkenntnis. Armut macht auch krank: Ein niedriger sozioökonomischer Status kann uns psychisch gefährden. Wer im Alter in Armut leben muss, ist einer großen mentalen Belastung ausgesetzt. Der chronische Stress, welcher aufgrund des fehlenden Geldes entsteht, führt unter anderem zu Depressionen oder anderen Erkrankungen, die unsere Seele belasten. Das geht aus einer Untersuchung des Berlin-Instituts hervor. Demnach würde die Gesundheit sowie auch unsere Lebenserwartung unter anderem von unserem sozialen Status beeinflusst werden.

Wie kommt es zu Altersarmut in Deutschland?

Laut Bertelsmannstiftung sind es vor allem ältere Alleinstehende, die es etwas härter trifft. Paare, die im Alter gemeinsam leben, seien demnach nicht so häufig wie diese Personengruppe von Altersarmut betroffen.

Wie aber kommt es zu einer Altersarmut? Eine Tätigkeit im Niedriglohnsektor ist unter anderem ein möglicher Grund. Wer viele Jahre seines Lebens gearbeitet, aber nur ein geringes Entgelt bekommen hat, kann von einer geringen Rente betroffen sein. Denn Arbeitnehmer:innen zahlen nicht genügend ein, um später davon profitieren zu können. Unterbrechungen im Job, zum Beispiel, um für Angehörige oder Kinder da zu sein, wirken sich später ebenfalls auf die Rentenzahlung aus. Hinzu kommen Beschäftigte, die frühzeitig ihren Job aufgeben müssen, weil sie körperlich oder psychisch erkranken.

Auch der demografische Wandel trägt seinen Teil dazu bei. Senior:innen sind gefährdet, im Alter zu verarmen. Während es weniger Beitragszahler:innen gibt, nimmt die Zahl der Rentner:innen in der deutschen Bevölkerung zu.

Zudem gehören Selbständige zur gefährdeten Gruppe, weil sie zumeist privat vorsorgen müssen – und das gelingt nicht in jedem Fall. Wer nicht freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, erwirbt keinen Anspruch auf die spätere Versorgungsleistung. Im Auftrag der Ergo hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov im Sommer 2021 eine Umfrage unter Selbstständigen durchgeführt. Ergebnis: Fast die Hälfte gab an, dass sie sich davor fürchteten, im Alter zu verarmen.

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Armutsgrenze: Wann gilt man als arm?

Liegt das Nettoeinkommen eines deutschen Haushalts unter der sogenannten Armutsgrenze, ist die Rede von einer Armutsgefährdung. Die Grenze wird über den Median (mittleres Durchschnittseinkommen der Bevölkerung) definiert. Wer demnach weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zum Leben hat, leidet der Definition nach unter einer Armutsgefährdung. Dies gilt auch für Rentner:innen.

Prognose: Wie sieht die Zukunft der älteren Generation aus?

Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Armutsgefährdung im Alter tendenziell steigt. Eine Simulationsstudie vom Institut für Deutsche Wirtschaftsforschung (DIW) und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die sich mit der Entwicklung der Altersarmut bis 2036 beschäftigt, weist auf einige wichtige Erkenntnisse für die Zukunft hin:

  • In Ostdeutschland soll das Risiko einer Armutsgefährdung bis zum Jahr 2036 vergleichsweise stark ansteigen.
  • Wer von einer Langzeitarbeitslosigkeit betroffen ist, wird auch in Zukunft am ehesten unter einer Altersarmut leiden, so das Resultat der Studie.
  • Gefährdet sind zudem weiterhin vor allem Frauen und Menschen mit einem geringeren Bildungsstand.
  • Würde die betriebliche Altersvorsorge per Gesetz zur Pflicht werden, könnte das Risiko einer Altersarmut, so die Erkenntnis der Autor:innen, durch eine entsprechende Reform gesenkt werden.

Problematisch: Die gefährdeten Gruppen, die nur einen geringen Anspruch an die betriebliche Altersvorsorge hätten, würden von einer solchen Reform nicht unbedingt profitieren.

Zusammenfassend bedeutet es, dass die Zukunft von Senior:innen – zumindest aus finanzieller Sicht – düster aussehen könnte. Die Lücken im Gesetz, die Herausforderung für Selbstständige und die demografische Entwicklung sprechen dafür. Sofern es keine umfassenden Reformen geben wird, welche alle gefährdeten Gruppen in der Bevölkerung berücksichtigen, gibt es nur wenig Hoffnung.

Eine private Vorsorge ist für junge Leute, die sich schon jetzt Gedanken um ihre Zukunft machen, immerhin ein Hoffnungsschimmer. Dass immer mehr Menschen über 65 jedoch in Armut leben müssen, ist eine traurige Realität, die sich nicht schönreden lässt.

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Bildnachweis: RapidEye/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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