Höhere Produktivität, mehr Umsatz, verbesserte körperliche und psychische Gesundheit, mehr Zeit für die Familie: Ergebnisse des global größten Versuchs für eine 4-Tage-Woche, durchgeführt von der Organisation „4 Day Week Global“, sprechen Bände.

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1967 wurde die 5-Tage-Woche in der Bundesrepublik endgültig umgesetzt. Heute, fast 60 Jahre später, ist die 4-Tage-Arbeitswoche im Kommen; zumindest, wenn es nach dem weltweit größten Modellversuch der Organisation 4 Day Week Global geht. Die Resultate des Pilotprogramms zeigen, dass viele Arbeitnehmer zufrieden sind und am liebsten gar nicht erst zu ihrer normalen Arbeitswochen zurückkehren möchten. Durchgeführt wurde der Versuch mit Forschern der Universitäten Cambridge und Oxford sowie vom Boston College.

Bei den aktuellen Ergebnissen handelt es sich um die Erkenntnisse aus einem Experiment mit 61 britischen Unternehmen, die von Juni bis Dezember 2022 eine 4-Tage-Woche eingeführt haben. Vorreiter Belgien hat die kürzere Arbeitswoche mittlerweile gesetzlich verankert: Die belgischen Arbeitnehmer können an den Arbeitstagen länger arbeiten und dafür drei Tage abschalten. Auch in Island wurde eine 4-Tage-Arbeitswoche schon ab 2015 getestet, was dazu geführt hat, dass Arbeitnehmer seit 2021 – bei einer Arbeitszeitverkürzung – ihren vollen Lohn erhalten können.

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Das steckt dahinter

Eine 4-Tage-Arbeitswoche gilt heute grundsätzlich als ein viel diskutiertes Arbeitszeitmodell. Befürworter begrüßen die Umsetzung des Modells als Normalarbeitszeit. In der Praxis würde das bedeutet, dass Beschäftigte jede Woche einen Tag zusätzlich zur Verfügung hätten, um sich Zeit für Familie, Freunde, Entspannung und Erholung zu nehmen.

Einerseits wäre eine generelle Arbeitszeitverkürzung denkbar, wie es beim Experiment der Fall war. Es wurde nach einem 100-80-100-Modell vorgegangen: Mitarbeiter bekommen 100 Prozent ihres Lohns und das für 80 Prozent ihrer Arbeitszeit, während derer sie 100 Prozent ihrer Regelleistung erbringen. Andererseits kann eine reguläre 40-Stunden-Woche auf vier Tage aufgeteilt werden, sodass es einen zusätzlich freien Tag gibt.

4-Tage-Woche: Zentrale Ergebnisse des Versuchs aus Großbritannien

Die aus dem Modellversuch stammenden Ergebnisse mit 61 Unternehmen zeigen eine positive Tendenz. Hier kommen die wichtigsten Erkenntnisse:

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1. Die meisten Unternehmen (92 Prozent) behalten die 4-Tage-Arbeitswoche bei

Die meisten Unternehmen sind überzeugt: Sie möchten nichts mehr verändern und haben sich entschieden, das neue Arbeitszeitmodell beizubehalten. Die Umsätze im Unternehmen sollen im Vergleich zu den Vorjahren um ganze 35 Prozent angestiegen sein, was ebenfalls für sich spricht.

2. Arbeitnehmer (73 Prozent) sind zufriedener mit ihrer Zeitaufteilung

Mehr Zeit für Familie und Freizeit – wer wünscht sich das nicht? Die Teilnehmer des Modellversuchs konnten jedenfalls profitieren. 73 Prozent der Arbeitnehmer gaben an, dass sie wegen der verkürzten Arbeitswoche von einer besseren Zeitaufteilung profitieren.

3. Teilnehmer (43 Prozent) spürten eine Verbesserung der mentalen Gesundheit

Im Zeitraum des Versuchs soll es zu weniger Fehltagen gekommen sein. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass Arbeitnehmer mehr Zeit hatten, um sich richtig zu erholen und den zusätzlichen Tag für sich nutzen konnten. 43 Prozent der Mitarbeiter haben angegeben, dass sie einen Unterschied in Bezug auf ihre psychische Gesundheit spüren.

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Es handelt sich um ein besonders wichtiges Ergebnis. Denn auch in Deutschland steigen die Fehltage wegen psychischen Erkrankungen grundsätzlich an, was dafür spricht, dass viele Beschäftigte sich überlastet fühlen und zum Beispiel an Depressionen erkranken oder ausbrennen. Dass hierzulande viel und unter großem Druck gearbeitet wird, trägt erheblich zu Burnout bei. Wie das Experiment zeigt, konnten die meisten Arbeitnehmer (71 Prozent) ihr persönliches Risiko reduzieren.

4. Viele Mitarbeiter (54 Prozent) konnten negative Emotionen reduzieren

Stress und negative Emotionen, die im Zusammenhang mit unserem Job entstehen, können belastend sein. Über 50 Prozent der Teilnehmer konnten beides reduzieren. Das soll auch dazu geführt haben, dass rund 40 Prozent einen besseren Schlaf genießen konnten.

5. Verbesserung der körperlichen Gesundheit (37 Prozent)

Ob Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder andere körperliche Beschwerden: Wenn wir uns physisch nicht wohlfühlen, ist das keine gute Voraussetzung für eine Arbeitswoche. Körperliches Wohlbefinden trägt wesentlich zu unserer Produktivität und Arbeitszufriedenheit bei. Während der 4-Tage-Woche konnten 37 Prozent der Arbeitnehmer eine Verbesserung ihrer körperlichen Gesundheit ausmachen.

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6. Männer und Frauen: Beide Geschlechter sind insgesamt zufriedenen

Die Studienautoren geben an, dass Männer und Frauen gleichermaßen profitieren konnten, wobei auffällt, dass vor allem Frauen mit einer 4-Tage-Woche insgesamt besonders zufriedenen waren. Eine positive Entwicklung zeigt sich hinsichtlich der Rollenverteilung: Viele Männer hatten die Möglichkeiten, mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs zu verbringen. Im Vergleich zu einer 5-Tage-Arbeitswoche war es dem Experiment nach also einfacher, dem Bedürfnis nach der Vereinbarkeit von Job und Familie besser nachzukommen. Die männlichen Teilnehmer des Experiments konnten zudem mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen.

Wie wurden die freien Tage genutzt?

Man könnte meinen, dass der freie Tag, der durch eine 4-Tage-Woche entsteht, auch genutzt wird, um sich beispielsweise einem eigenen Business zu widmen oder anderweitig Geld zu verdienen. Dem war jedoch nicht so. Im Gegenteil: Trotz finanzieller Verunsicherung, politischer Instabilität und Inflation haben die meisten Arbeitnehmer, die eine 4-Tage-Arbeitswoche ausprobieren durften, die Gelegenheit nicht genutzt – sondern verständlicherweise lieber etwas anderes gemacht. Der Job war Nebensache; den Ergebnissen nach wurde lieber Hausarbeit verrichtet, einem Hobby nachgegangen oder einfach die Freizeit genossen.

Ist eine 4-Tage-Woche in Deutschland realistisch?

Auch für deutsche Arbeitnehmer wäre eine kürzere Arbeitswoche denkbar. Arbeitspsychologe Prof. Dr. Dieter Zapf, welcher in Frankfurt am Main an der Universität lehrt, geht davon aus, dass die Erholung durch einen freien Zusatztag wichtig sein könnte. Denn der jährliche Urlaub, so Zapf, nehme lediglich eine untergeordnete Rolle bei der Erholungszeit von Beschäftigten ein. Demzufolge wäre es wichtig, den Erschöpfungszustand, der sich während der Arbeitswoche aufbaut, durch mehr Erholung abzubauen.

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Eine Meinung, die grundsätzlich von vielen Menschen geteilt wird: Wer lediglich auf eine große Erholungsphase hinarbeitet, sich im Alltag und am Wochenende aber keine richtige Pause gönnen kann, nimmt die Resterschöpfung immer mit – fast schon chronisch.

Da das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) maximal 10 Arbeitsstunden pro Arbeitstag zulässt, wäre es in Deutschland nicht ganz so einfach, eine 4-Tage-Woche umzusetzen, zumal die 10 Stunden daran gebunden sind, dass wir das letzte halbe Jahr im Schnitt nicht länger als 8 Stunden am Tag gearbeitet haben. Wichtig wäre also eine generelle Arbeitszeitreduktion bei gleicher Bezahlung, um eine 4-Tage-Woche einzuführen.

Auch einige deutsche Unternehmen trauen sich bereits

Arbeitnehmer würden dies begrüßen. Denn viele Beschäftige sehnen sich nach Ausgleich und einer besseren Work-Life-Balance. Immer mehr Angestellte, vor allem junge Menschen, wollen nicht mehr arbeiten, bis die Psyche erkrankt und der Körper nicht mehr mitmacht.

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Interessant in diesem Zusammenhang: Einige deutsche Unternehmen probieren die 4-Tage-Woche bereits aus oder haben sie schon eingeführt. Dazu gehört zum Beispiel ein hessischer Handwerksbetrieb, die Reuse Haustechnik – die Deutsche Handwerks Zeitung (DHZ) berichtet. Geschäftsführer Stephan Rech betont, dass die Mitarbeiter ihnen wichtig seien – und Werte wie Menschlichkeit, Zufriedenheit und Wertschätzung Teil der Unternehmenskultur seien. Um das Arbeitszeitmodell in die Tat umzusetzen, durften alle Mitarbeiter sich beteiligen und abstimmen. Das Ergebnis: überwiegend positive Resonanzen.

Bildnachweis: Mindful Media/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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