Hand aufs Herz: Wann hast du das letzte Mal gelogen? Und war es eine vermeintlich kleine Notlüge oder doch eher eine schwerwiegendere Unwahrheit? Wieso hast du gelogen? Um dir einen Vorteil zu verschaffen, einer unangenehmen Diskussion aus dem Weg zu gehen oder einfach aus Gewohnheit? Tatsächlich können sich Menschen an das Lügen gewöhnen, wie jetzt eine neue Studie herausfand. Und jeder fängt bekanntlich „klein“ an…

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200 Mal pro Tag? Wie oft Menschen wirklich lügen

Vermutlich ist auch deine letzte Lüge noch nicht allzu lange her. Etwa 200 Mal am Tag sollen Menschen lügen – zumindest geistert diese Zahl quer durch das Internet. Eine glaubhafte Quelle ist hierfür allerdings nicht zu finden. Doch 200 Mal? Das erscheint doch ein wenig viel – mögen die Lügen auch noch so „klein“ sein. Auch die Psychologin Bella DePaulo hat sich daher noch einmal mit dem Thema „Wie oft lügen Menschen eigentlich?“ auseinandergesetzt und kam zu einem anderen Ergebnis:

Etwa zweimal täglich beziehungsweise in durchschnittlich jeder dritten sozialen Interaktion, so lauten die Erkenntnisse aus ihrer Studie mit 147 Probanden (Quelle: The Many Faces of Lies).

Doch liegt ihrer Untersuchung eine andere Definition der Lüge zugrunde. Das geschönte „Gut“ auf die Frage nach dem Wohlbefinden zum Beispiel, stellt für sie noch keine relevante Lüge dar. Tatsächlich können Lügen sogar positiv motiviert sein, wenn die Wahrheit beispielsweise einen Freund oder eine Freundin verletzen würde.

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Wieso lügen Menschen im Privatleben?

Doch wir möchten das Lügen an dieser Stelle natürlich nicht schönreden. Viele Menschen lügen schlichtweg, weil sie es als „einfacher“ empfinden, sich dadurch Ärger ersparen oder sich einen Vorteil verschaffen möchten.

26 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen halten Lügen sogar für gerechtfertigt, um dadurch Steuern zu sparen (laut einer Statistik bei Statista). An dieser Stelle handelt es sich also nicht mehr nur um die „Vereinfachung“ sozialer Interaktionen, sondern die „Lügner“ bewegen sich bereits an der Grenze der Legalität.

Statistik: In welchen Situationen ist es Ihrer Meinung nach erlaubt, zu lügen? | Statista
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Allgemein scheinen Frauen weniger zum Lügen zu neigen als Männer. Für immerhin 22 Prozent der weiblichen Befragten ist Lügen prinzipiell tabu. Bei den Herren sehen das nur 14 Prozent gleich. Da wundert es auch nicht, dass 25 Prozent der Männer bewusst lügen, um ihre Karriere zu fördern. Bei den Frauen sind es hingegen nur 12 Prozent.

Und wie sieht das im Berufsleben aus?

Aber was genau hat das Lügen eigentlich mit der Karriere zu tun? Ganz einfach: Wir leben in einer (Geschäfts-) Welt, in welcher der Schein oft mehr zählt als das Sein. Das bedeutet: Wer die Karriereleiter erklimmen möchte, darf keine Schwäche zeigen. Selbstbewusstsein, Kompetenz, hier und da ein Ellenbogen sowie die Witterung von Chancen und Möglichkeiten – so sieht in vielen Unternehmen das (traurige) Geheimrezept für den beruflichen Aufstieg aus. Doch nicht jeder Mensch ist mit Intelligenz, Kompetenz oder einem gesunden Selbstbewusstsein gesegnet.

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Die Lösung lautet also: Eine Rolle spielen, sprich lügen. Viele Menschen geben sich selbstbewusster als sie eigentlich sind, verschaffen sich durch Lügen auch beruflich einen Vorteil oder tragen in der Bewerbung etwas zu dick auf.

Statistik: Die häufigsten Lügen, die in Lebensläufen zu finden sind | Statista
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Leider werden Lügen, die bewusste Täuschung von Menschen oder gar (illegaler) Betrug in unserer Gesellschaft mit Erfolg gleichgesetzt. Da wundert es nicht, dass gerade in den Führungsetagen namhafter Unternehmen besonders viele Psychopathen und Soziopathen anzutreffen sind – also notorische Lügner und Meister der Manipulation.

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Macht Lügen also erfolgreicher? Leider müssen wir diese Frage (noch) mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. So sehen das zumindest 60,3 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen GfK-Umfrage.

Statistik: Aussagen zu karriereförderlichen und -behindernde Verhaltensweisen | Statista
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Von der Ausnahme zur Gewohnheit: Wie sich das menschliche Gehirn an Lügen gewöhnt

Die Forscher Neil Garrett, Stephanie Lazzaro, Dan Ariely und Tali Sharot untersuchten dieses Phänomen genauer. Sie ließen 80 Probanden Schätzungen bezüglich einer Anzahl von Münzen in einem Glas abgeben und dabei in Zweierpaaren gegeneinander antreten:

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  1. In der ersten Runde sollten sie als Team die Münzmenge im Glas so realistisch wie möglich einschätzen.
  2. In der zweiten Runde ging diejenige Testperson als Gewinner hervor, welche die höchste Münzmenge im Glas schätzte. Sie wurden also zum Lügen verführt.

Beobachtet wurde das Experiment mit einem Gehirnscan via funktioneller Magnetresonanztomografie. Mit erschreckenden Ergebnissen:

Je häufiger ein Mensch lügt, umso geringer ist seine physiologische Hemmschwelle (Quelle: Nature.com).

Die negativen und unangenehmen Gefühle, wie Angst oder Unwohlsein, welche bei den Probanden zu Beginn der zweiten Spielrunde noch beobachtet werden konnten, ließen mit der Häufigkeit des Lügens ohne (negative) Konsequenzen schnell nach. Während die Probanden also zu Beginn noch eher „vorsichtig“ logen, wurden ihre Schätzungen im Laufe des Experiments immer dreister.

Fazit: Auch ein Lügner fängt „klein“ an

Egal, ob du also aus vermeintlich „positiven“ Gründen lügst oder, um dir im Beruf einen Vorteil zu verschaffen: Mit jeder noch so kleinen Lüge sinkt deine physiologische Hemmschwelle zum Lügen weiter. Bei durchschnittlich zwei Unwahrheiten pro Tag, ergibt das ein sehr erschreckendes Bild unserer deutschen Gesellschaft – wo Lügen beinahe als „notwendig“ betrachtet werden für beruflichen Erfolg. Und da wundert es plötzlich auch niemanden mehr, dass so viele Psychopathen und Soziopathen in den Führungsetagen sitzen. Es wäre dringend an der Zeit, dass Ehrlichkeit im Berufsleben (wieder) mehr geschätzt und dadurch notorischen Lügnern der Wind aus den Segeln genommen wird. Denn wer gar nicht erst zum Lügen „verführt“ wird, der gewöhnt sich auch nicht daran!

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Bildnachweis: Suzanne Tucker/Shutterstock.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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