Immer mehr Menschen haben Schwierigkeiten, unerwartete Ausgaben zu bewältigen, da sie kaum noch über finanzielle Rücklagen verfügen. „Flexible Pay“ im Job könnte das nun ändern.

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Was ist Flexible Pay?

Flexible Pay (flexible Zahlung) ist ein Gehaltstrend aus den USA, welcher auch in Deutschland Anklang finden könnte. Das Modell sieht vor, dass der Monatslohn anteilig schon früher als am Monatsende ausgezahlt wird. Das, was bereits erarbeitet worden ist, etwa zum 15. eines Monats, kann demnach zum Beispiel früher vom Arbeitgeber überwiesen und Liquiditätsengpässe bei Beschäftigten so reduziert werden.

Dass viele Menschen Probleme damit haben, unerwartete Ausgaben oder manchmal auch laufende Kosten zu decken, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis): Im Oktober 2022 gab das Amt bekannt, dass hierzulande rund ein Drittel der Menschen nicht in der Lage waren, für ungeplante finanzielle Ausgaben aufzukommen.

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Wie funktioniert Flexible Pay?

Obwohl der Flexibilisierungstrend in anderen Bereichen in Deutschland längst angekommen ist, wurde das Thema Gehaltsauszahlung nur wenig beleuchtet. Tatsache aber ist, dass Beschäftigte einen ganzen Monat auf ihren Lohn oder auf ihr Gehalt warten, während die Arbeit bereits erledigt ist. Eine berechtigte Frage lautet deshalb: Ist das zeitgemäß?

Auch der Antrag auf eine Vorschusszahlung ist für Arbeitnehmer alles andere als angenehmen – denn so wird noch einmal das Machtgefälle erkennbar, weil Beschäftigte explizit nach ihrem Geld fragen müssen. Ein flexibles Auszahlungsmodell könnte das ändern. In den Staaten und auch in Großbritannien sind solche Modelle als „Earned Wage Access“ (Zugang zu verdientem Lohn) oder kurz „EWA“ bekannt.

Flexible-Pay-Modelle, die auf einer solchen EWA-Lösung basieren, machen es für Beschäftigte möglich, dass sie einen Zugriff aus das bereits von ihnen verdiente Geld erhalten. Auch für die Finanzabteilungen von Unternehmen kann dies ein Schritt sein, der den Aufwand, der bei Einzelanträgen auf eine frühere Auszahlung entsteht, vereinfacht – und Arbeitnehmer müssten nicht mehr darum bitten, einen Teil ihres Geldes vorab zu bekommen, weil Arbeitgeber die Lösung von sich aus anbieten.

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Doch unabhängig davon, welche Infrastrukturen geschaffen werden können oder müssen, um Flexible Pay anbieten zu können, sieht die flexible Zahlung vor, Auszahlungen bis zum 15. eines Monats zu berücksichtigen.

Beispiel: Du erhältst normalerweise einen Nettolohn in Höhe von 2.800 Euro monatlich. Solltest du dich nun dafür entscheiden, deinen Verdienst, den du dir bis zum 15. eines Monats erarbeitest hast, schon früher auszahlen zu lassen, würden insgesamt 50 Prozent deines monatlichen Gesamtlohns auf deinem Gehaltskonto landen. Das wären 1.400 Euro.

Was sind Vorteile des Flexible-Pay-Modell?

Flexible Zahlungsmodelle kennst du vielleicht schon aus der Gig Economy. Dieser Teil des Arbeitsmarktes zeichnet sich generell durch eine große Flexibilität aus: Nebenjobber und Freiberufler erarbeiten sich ihr Geld von Auftrag zu Auftrag. Auch wenn keine festen Arbeitsaufträge vereinbart worden sind und die Einnahmen somit schwanken, können sie zumeist jedoch direkt auf ihr Geld zugreifen. Die Wartezeit bis zum Monatsende entfällt – und je nach Vereinbarung sind auch Vorschusszahlungen möglich.

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Der große Vorteil der flexiblen Zahlung ist für Beschäftigte, dass sie nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben, wenn eine Rechnung ins Haus flattert und auch laufende Kosten bereits früher gedeckt werden können, sodass der finanzielle Druck entfällt, der häufig sogar zu gesundheitlichen Problemen und seelischem Stress führt. Berufstätige sind in finanzieller Hinsicht demnach freier.

Arbeitgebervorteile beim Flexible Pay

Arbeitgeber profitieren ebenfalls: Wer Mitarbeiter binden will, kann dies mit solchen Incentives für seine Angestellten erreichen. Eine Studie des Unternehmens Ernst & Young belegt, dass Mitarbeiter seltener fehlen, wenn sie finanziell flexibler aufgestellt sind. Demnach soll die Fehlzeitenquote um 34 Prozent sinken. Gleichzeitig führe der flexible Zugang zum eigenen Verdienst zu einer Steigerung der Leistung, was ebenso auf die Reduzierung von Stressgedanken zurückzuführen sein kann.

Generell hat sich gezeigt, dass viele Arbeitnehmer solche zusätzlichen Benefits im Job zu schätzen wissen und sich eher für ein Unternehmen entscheiden, welches ihnen Freiheiten ermöglicht. Starre Auszahlungsmodelle, die bisher den Status Quo bilden, könnten auch in Deutschland bald immer häufiger hinterfragt werden.

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Was sind die Nachteile der flexiblen Lohnzahlung?

Nun hat jedes noch so verlockend klingende Konzept auch seine Schattenseiten, vor allem, wenn es um das Thema Geld geht. Der flexible, frühzeitige Zugang zum Gehalt könnte ein Risikofaktor für eine Überschuldung darstellen. Denn der Reiz, sein Geld schon früher für die eine oder andere Sache auszugeben, da es ja schon auf dem Konto liegt, steigt. Üblicherweise liegt der Ausgleichstermin für die Fixkosten so, dass dieser sich mit dem Gehaltseingang deckt: Sobald das Geld da ist, werden Rechnungen überwiesen.

Wenn Erspartes fehlt und das verdiente Geld schon zum 15. eines Monats ausgegeben wird, kann es zum Monatsende hin knapp werden. Letztendlich liegt das Gehaltsmanagement aber bei Berufstätigen selbst: Sie müssen entscheiden, wie sie liquide bleiben und nicht in einen finanziellen Engpass geraten, wenn sie eine solche Freiheit wie flexible Zahlungen vom Arbeitgeber genießen.

Kredite vom Arbeitgeber entfallen dank New Pay

New-Pay-Modelle, zu denen die flexible Gehaltszahlung gehört, könnten auch dazu führen, dass Beschäftigte sich zum Beispiel nicht mehr beim Arbeitgeber verschulden. Denn einige Unternehmen bieten ihren Beschäftigten auf Antrag einen Kredit an, um finanzielle Engpässe zu überbrücken, die Zinsen aber könnten sich nachteilig auswirken und auch die Rückzahlung an sich kann zu Problemen führen.

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Grundsätzlich ist die Nachfrage nach kleineren Überbrückungskrediten – nicht nur beim Arbeitgeber – bei Banken in den letzten Jahren angestiegen. Mikro- und Minikredite sind also keine Seltenheit. Angesichts der steigenden Zinskosten, der Inflation und den Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt ist die Aufnahme eines Kredites aber keine optimale Lösung, zumal Darlehen stets das Risiko einer Überschuldung steigern. Auch deshalb ist ein früherer Zugriff auf das eigene Geld, welches ohne Zinskosten oder anderweitiger Verpflichtungen einhergeht, eine Überlegung wert.

New Pay: Diese Prinzipien bilden die Basis für flexiblere Gehaltszahlungen

Neuartige Vergütungsmodelle gehören zur New-Work-Welt dazu, auch wenn sie hierzulande manchmal noch unterschätzt werden oder zumindest in traditionell organisierten Unternehmen bisher keinen Einzug fanden. Einige Grundprinzipien beschreiben die Säulen des New-Pay-Konzeptes, auf deren Basis zukunftsfähige Zahlungsmodelle erarbeitet werden können. Dazu gehören unter anderem folgende Punkte:

  1. Transparenz: Über Geld wurde bisher nicht immer offen gesprochen. Dies soll sich künftig ändern, für Arbeitgeber und für Beschäftigte. Transparenz gehört deshalb zu den wichtigsten Bausteinen der neuen Arbeitswelt.
  2. Partizipation: Nicht nur Unternehmen und Arbeitgeber haben das alleinige Bestimmungsrecht. Arbeitnehmer haben ein Mitspracherecht und dürfen sich an der Mitgestaltung aktiv beteiligen.
  3. Flexibilität: Die Grundidee von Freiheit und Flexibilität bilden eine weitere Basis für trag- und zukunftsfähige Gehaltszahlungskonzepte und werden bei künftigen Entscheidungen rund um neue Vergütungsmodelle berücksichtigt.
  4. Verantwortung und Selbstverantwortung: Sowohl Unternehmen als auch ihre Mitarbeiter tragen Verantwortung für ihre Entscheidungen. Selbstverantwortung stellt einen zentralen Wert bei der Ausgestaltung von New-Pay-Konzepten dar. Der verantwortungsvolle Umgang mit finanziellen Mitteln ist bedeutend.

Ist Flexible Pay realistisch?

Agile Unternehmen und junge Startups, aber auch bereits etablierte Betriebe, die sich offen gegenüber New-Work-Modellen zeigen, machen es bereits vor: Es ist nicht immer einfach, den Status Quo über Bord zu werfen und sich Neuem gegenüber zu öffnen. Mit Veränderungsbereitschaft, den passenden Teams und Durchhaltevermögen sind solche Konzepte jedoch durchaus umsetzbar und realistisch.

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Bild: Arbeits-ABC/KI

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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