Jeder von uns verurteilt es, aber trotzdem tun es alle: Die Rede ist vom Tratschen. Egal ob im Privatleben oder am Arbeitsplatz: Klatsch, Tratsch und Lästereien gehören einfach dazu. Und weil das so ist, befasst sich eine ganze Reihe von Wissenschaftlern seit langem mit diesem Thema. Die Erkenntnisse der Experten: Tratschen und Lästern sind hochentwickelte soziale Kompetenzen, die sich auch positiv auf unsere Gesundheit auswirken können. Sie wollen gern mehr zu diesem Thema erfahren? Dann sollten Sie unbedingt weiterlesen.

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Inhalt
1. Warum tratschen wir überhaupt so gern?
2. Tratschen = soziale Kompetenz?!
3. Soziale Isolation durch Lästereien

Warum tratschen wir überhaupt so gern?

Einer, der sich besonders intensiv mit der Thematik des Lästerns auseinandersetzt, ist Robin Dunbar. Der britische Forscher hat schon etliche Studien durchgeführt und veröffentlicht. Eines seiner Forschungsergebnisse: Mehr als ein Drittel unserer Gesprächsthemen drehen sich ausschließlich um Menschen, die gerade nicht anwesend sind und können deswegen als Klatsch bezeichnet werden. Dunbar fand weiterhin heraus, dass dieses Ergebnis weder von Alter noch Geschlecht abhängig ist, sondern jeden Menschen gleichermaßen betrifft.

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Doch warum tratschen wir überhaupt so gern? Sollte sich nicht jeder damit zurückhalten – wohlwissend, dass man selbst auch Opfer einer Lästerattacke werden könnte? Nun, in erster Linie schaffen Klatsch und Tratsch in der Kaffeeküche, auf dem Flur, im Fitnessstudio und überall sonst ein angenehmes Wir-Gefühl. Indem über eine andere, nicht anwesende Person geredet wird, entsteht eine kollektive Zielscheibe, die im Extremfall auch zum gemeinsamen Feindbild wird.

Apropos Feind – Natürlich ist das Gemeinschaftsgefühl allein in den Augen der Wissenschaftler nicht Grund genug für unsere Vorliebe zu tratschen und zu lästern. Wie so oft wird die offizielle Begründung in der Evolutionsgeschichte des Menschen gesucht. Die beiden gängigsten Theorien:

  • Klatsch und Tratsch halfen unseren Vorfahren dabei, herauszufinden, wem sie trauen können und wer eine potentielle Gefahr außerhalb der schützenden Höhle darstellt. Um festzustellen, wer Freund oder Feind ist, musste der Mensch neugierig sein und Informationen sammeln. Der moderne Klatsch und Tratsch ist im Grunde genommen nichts anderes.
  • Klatsch und Tratsch entstanden aus dem Ritual der gegenseitigen Fellpflege, welche wiederum eine soziale Rolle eingenommen hat. Der Grund für die Weiterentwicklung: Tratschen als spezielle Form der Kommunikation erreicht nicht nur eine Person, sondern gleich mehrere und ist deswegen zeitsparend.

So oder so – Der Grund für unsere Läster-Leidenschaft scheint sozialer Natur zu sein. Diese Erkenntnis führt dazu, dass einige Wissenschaftler sogar von einer sozialen Kompetenz sprechen, wenn es ums Tratschen und Klatschen geht.

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Tratschen = soziale Kompetenz?!

In unserem Artikel Lästereien am Arbeitsplatz: So gehen Sie damit um haben wir Sie ausdrücklich davor gewarnt, sich am bürointernen Getratsche zu beteiligen. Der Grund hierfür: Es behindert Ihre Karriere. Wir vertreten natürlich nach wie vor diese Meinung, wollen Ihnen hier allerdings auch die „andere Seite der Medaille“ vorstellen. Wissenschaftler sprechen vom Lästern nämlich auch als soziale Kompetenz, die sich positiv auf unser zwischenmenschliches Miteinander auswirkt.

  • Tratschen signalisiert Vertrauen: „Ich muss dir was erzählen, aber du musst mir versprechen, es nicht weiter zu tratschen, okay?“ Jetzt mal ehrlich: Jeder von uns hat diesen Satz (oder einen ganz ähnlichen) doch schon einmal benutzt, um eine fröhliche Tratsch-Runde einzuläuten. Auch wenn es sich hierbei häufig um eine rhetorische Aussage handelt, signalisiert sie doch immer eines: Ich vertraue dir und deswegen weihe ich dich nun in ein Geheimnis ein. Wer mit anderen tratscht, vertraut diesen. Andernfalls bestünde schließlich die Gefahr, selbst ins Visier der Lästereien zu geraten.
  • Tratschen ist Informationsaustausch: Ganz klar, nicht alles, was zwischen Tür und Angel propagiert wird, entspricht auch tatsächlich der Wahrheit. Es gibt jedoch durchaus Informationen, die bestätigt sind und durch das Tratschen verbreitet werden. Auch hierbei handelt es sich um einen Sachverhalt, der extrem wichtig ist für das soziale und gemeinschaftliche Miteinander verschiedener Personen. Der bereits angesprochene Tratsch-Wissenschaftler Robin Dunbar spricht sogar von einem sozialen Warnsystem, das unverzichtbar für uns Menschen ist.
  • Tratschen fördert Beziehungen: Zu diesem Ergebnis kam Dunbar in seiner Abhandlung Grooming, Gossip, and the Evolution of Language. Seiner Meinung nach fällt es Menschen, die nicht (oder nur selten) lästern, schwerer, Freundschaften zu schließen. Um diese These zu untermauern, zieht er die „Höhlen-Theorie“ zu Rate, die weiter oben in diesem Text bereits thematisiert wurde.
  • Tratschen integriert: Es spricht nicht gerade für uns Menschen, doch gilt ganz allgemein der einfache Merksatz: Wer nicht mitlästert, der gehört nicht dazu. Im Umkehrschluss sind Menschen, die an vorderster Lästerfront stehen, immer gut integriert und ein fester Bestandteil des sozialen Gefüges.

Übrigens: Je geschlossener eine Gruppe ist, desto öfter wird getratscht. Aus diesem Grund ist das Phänomen beispielsweise in eingeschworenen Dorfgemeinden weiter verbreitet als in anonymen Großstädten. Auch die Größe der Gruppe spielt hierbei eine tragende Rolle.

  • Tratschen schafft Aufmerksamkeit und steigert die Lebenserwartung: Jeder hat diese eine Person in seinem Freundes-, Bekannten- und/oder Kollegenkreis, die einfach alles weiß und dadurch die unangefochtene Gossip-Zentrale ist. Das ist gut für besagte Person, denn ein solcher Status bedeutet, dass sie immer Gehör findet und im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Mit anderen Worten: Sie sammelt viele soziale Kontakte, die wiederum zu einer Steigerung ihrer Lebenserwartung beitragen. Diese Annahme stammt ebenfalls vom britischen Forscher Robin Dunbar.
  • Tratschen zeigt, welche Fehler man vermeiden sollte: „Hast du schon gehört, was sich XY letztens geleistet hat?“ Lästereien dieser Art dienen nicht nur ausschließlich dem Austausch von Neuigkeiten. Sie transportieren auch eine andere, viel wertvollere Information: Mache es ihr besser nicht nach, es könnte sein, dass du sonst das Thema der nächsten Lästerstunde wirst. Klatsch und Tratsch ist also in gewisser Weise auch ein Werkzeug der Sensibilisierung, das uns aufzeigt, was gesellschaftlich anerkannt wird und was zu einer Stigmatisierung führt.

Übrigens: Besonders paradox ist, dass Menschen, die häufig lästern, selbst zur Tratsch-Zielscheibe werden und das Vertrauen ihrer Mitmenschen verlieren. Überlegen Sie sich daher immer zweimal, mit wem und vor allem wie oft sie sich auf Lästereien einlassen.

Soziale Isolation durch Lästereien

So wichtig Tratschen auch für den sozialen Zusammenhalt ist, es handelt sich hierbei um eine Form der Kommunikation, die immer mit Vorsicht genossen werden sollte. Denn: Besonders negatives Getratsche muss als Angriff gegen eine andere Person gewertet werden. Während man selbst zwar soziales Ansehen genießt, sinkt das des Läster-Opfers permanent, bis schließlich eine vollständige Isolation stattfindet. Das ist vor allem der Fall, wenn die Lästereien im Zuge von Mobbing stattfinden.

Info: Dass früher nicht alles besser war, wir deutlich, wenn Sie sich folgendes vor Augen führen: Zur Zeit der Hexenverfolgung konnten Klatsch und Tratsch sogar dazu führen, dass Menschen ihr Leben lassen mussten – nur weil andere ihnen etwas anhingen, was nicht einmal zwangsweise stimmen musste.

Unser Appell an Sie lautet: Machen Sie sich immer bewusst, welchen Schaden Klatsch und Tratsch anrichten können. Soziale Anerkennung kann auch auf anderen Wegen gewonnen werden.

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Anmerkungen, Fragen oder Ergänzungen zu diesem Thema? Wir freuen uns auf einen Kommentar von Ihnen.

Bildnachweis: Stephanie Zieber/Shutterstock.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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