Wenn der Chef bestimmen will, mit welchem Verkehrsmittel Mitarbeiter zur Arbeit kommen, muss dieser aufpassen: Das Gesetz steht auf der Seite der Mitarbeiter.

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Wegen einer Bahnverspätung willst du dich unauffällig in das bereits begonnene Meeting schleichen. Doch dein Boss merkt es und besteht darauf, dass du beim nächsten Mal das Auto nimmst? Ob wir das Fahrrad nehmen, um zur Arbeit zu radeln oder den Roller anschmeißen, ist uns selbst überlassen. Denn der Weg zur Arbeit gilt offiziell als reine Privatsache.

Manuela Beck, Fachanwältin für Arbeitsrecht, verweist auf die Schwierigkeiten, die sich hier bei der Frage nach dem Arbeitsbeginn bisher manchmal ergeben haben. Während es dort, wo die Zeit des Arbeitsbeginns elektronisch dokumentiert wird, indem sich Mitarbeiter ein- und ausstempeln, eindeutig ist, ist es bei anderen Firmen ein Streitthema, wann Privatzeit aufhört und Arbeitszeit beginnt. Entsprechende Fälle landen regelmäßig vor Gericht.

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Gestritten wird vor Arbeitsgerichten dann, ob tatsächlich das Betreten des Firmengeländes als Arbeitsbeginn gewertet wird oder nicht. Zählt der Weg vom Tor bis zum Einstempeln dann etwa nicht zum Arbeitsweg, sondern als Privatsache? Nathalie Oberthür, ebenfalls Fachanwältin für Arbeitsrecht, sieht ganz klar den Beginn der Tätigkeit als Beginn der Arbeitszeit. Demnach müssten wir bereits an unserem eigentlichen Arbeitsplatz sitzen oder eben einer Aufgabe nachkommen, die zum Job zählt, damit die Arbeitszeit beginnt. Das Auto zu parken ist deshalb, auch wenn wir ewig nach einem Parkplatz suchen, ebenfalls Privatsache.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits deutlich gemacht: Unsere Fahrten zur Arbeit, die wir etwa mit Auto, Bus, Fahrrad oder gar per Fuß zurücklegen, zählen offiziell nicht zu unserer eigentlichen Arbeitszeit (Az. 5 AZR 427/17). Damit wird klar, dass wir unseren Arbeitsweg theoretisch sogar mit dem Jet zurücklegen könnten, weil es grundsätzlich Privatsache ist, wie wir zur Arbeit gelangen.

Das heißt zusammenfassend: Wenn es sich nicht um Dienstzeit handelt, wählen wir selbst, wie wir zur Arbeit kommen. Befinden wir uns in der Dienstzeit, wird der Chef möglicherweise ein Fahrzeug zur Verfügung stellen. Ist es vertraglich vereinbart, kann dieser auf die Nutzung während der Arbeitszeit bestehen.

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Wann wollen Arbeitgeber vorschreiben, welche Verkehrsmittel Mitarbeiter zu nutzen haben?

Praktisch kann es sich um verschiedene Gründe handeln, weshalb der Arbeitgeber darauf besteht, dass Arbeitnehmer auf bestimmte Verkehrsmittel umsteigen. Selten: Kommt ein Beschäftigter zu Fuß oder aber mit dem Fahrrad zur Arbeit, und zwar mit regelmäßiger Verspätung, und wäre der Weg hingegen schneller mit Bahn oder Auto zu bewältigen, ist es plausibel, dass der Boss auf einen Umstieg beharrt. Vorschreiben kann er es trotzdem nicht. Im schlimmsten Fall kann der Verdacht der Arbeitsverweigerung hochkommen, wenn Beschäftigte immer wieder unpünktlich zur Arbeit erscheinen.

Ein anderer Fall, Mitarbeiter dazu aufzufordern, das Auto hingegen nicht zu benutzen und stattdessen auf Fahrrad oder Bus und Bahn umzusteigen, sind Nachhaltigkeitsziele des Betriebes. Dabei geht es einerseits oft um die tatsächliche Umsetzung solcher Ziele. Und andererseits um das Unternehmensimage. Mitarbeiter repräsentieren das jeweilige Unternehmen und diese agieren nach individuellen Werten. Gehört das Nutzen eines Fahrrads damit gar zur Firmenkultur, werden Arbeitnehmer möglicherweise automatisch umsteigen, weil es Kollegen auch so machen. Arbeitsrechtlich müssten sie es aber, wenn es sich um ihren Privatweg handelt, dafür trotzdem nicht.

Arbeitgeber bietet keine Parkmöglichkeiten: Was jetzt?

Grundsätzlich müssen Arbeitgeber keine Autoparkplätze zur Verfügung stellen, sofern Mitarbeiter auch die Möglichkeit haben, den Firmensitz zum Beispiel mit der Bahn zu erreichen. Die Frage danach, ob der Arbeitgeber dies tun muss, erübrigt sich damit.

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Deshalb sollten Bewerber, die sich etwa in hochfrequentierten Gebieten wie Berlin oder Hamburg befinden, Gedanken darum machen, wo sie ihr Auto parken können, sofern sie auf dieses angewiesen sind – und am Firmensitz keine Parkplätze zur Verfügung stehen. Es muss auch beachtet werden, dass Erreichbarkeit und Strecke zur Arbeit manchmal ein Grund für Bewerber sind, eine Stelle nicht anzunehmen. Damit ist es häufig auch für Unternehmen wichtig, attraktive Lösungen anbieten zu können, welche Mitarbeitern entgegenkommen. Vorschreiben können Arbeitgeber die Inanspruchnahme bestimmter Verkehrsmittel aber nicht.

Arbeitsplatz ist mit ÖPNV nicht erreichbar

Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter zur Firma fahren müssen, die sich etwas abseits der Verkehrsinfrastruktur für Bus und Bahn befindet. Wenn das Auto als einziges Mittel funktioniert, weil kein ÖPNV möglich ist, sind Beschäftigte des Unternehmens auf Parkmöglichkeiten angewiesen. Zugleich ist es Aufgabe des Arbeitgebers, sicherzustellen, dass Arbeitnehmer den Arbeitsplatz grundsätzlich erreichen können – auch wenn dies bedeutet würde, dass Unternehmen hierfür einen externen Dienstleister engagieren oder Alternativen zur Verfügung stellen müssen, um Mitarbeiter zur Arbeit zu bringen.

Was ist, wenn ein Unfall passiert?

Beschäftigte sind in puncto Versicherungsschutz bei Unfällen nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie sich im Falle einer Verletzung auf dem direkten Arbeitsweg befunden haben. Ob mit Fahrrad oder Auto: Wer vom Weg zur Arbeit abkommt und sich dann verletzt, muss damit rechnen, dass kein Versicherungsschutz greift. Nach Angaben des Bundessozialgerichts ist eine Abweichung vom Arbeitsweg nur dann legitim, wenn es zu einem sogenannten unvorhergesehenen Hindernis kommt. Dabei kann es sich etwa um einen Unfall anderer Verkehrsteilnehmer handeln.

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Bild: Unsplash+/Getty Images

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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