Heinz Leymann war einer der ersten Forscher, welche sich intensiv mit dem Thema Mobbing beschäftigten. Der Pionier hat im Laufe seines Lebens 45 Mobbinghandlungen identifiziert, welche heutzutage häufig für die Kategorisierung von Mobbing herangezogen werden.

Heinz Leymann: Der Pionier der Mobbingforschung

Der Forscher Heinz Leymann wurde im Jahr 1932 in Niedersachen geboren und verbrachte einen Großteil seines Lebens in Schweden. Hier widmete er sich ab dem Jahr 1955 den Themen Mobbing, Arbeitspsychologie und Psychoterror. Der Diplompsychologe verfasste zahlreiche Dissertationen zum Thema und lehrte an der Universität Umeå im Fachbereich Arbeitswissenschaft.

Sein Buch „Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann“ aus dem Jahr 1993 gilt als eine der ersten nennenswerten Veröffentlichungen zum Thema. Heinz Leymann verstarb im Jahr 1999 in Stockholm und gilt bis heute als Pionier der Mobbingforschung.

Definition: Was ist eigentlich Mobbing?

Wie bereits erwähnt, fehlt es beim Mobbing an einer einheitlichen Definition, welche hieb- und stichfest genug für eine klare Rechtslage ist. Prinzipiell handelt es sich beim Mobbing um einen gezielten Psychoterror, durch welchen der Betroffene, beispielsweise ein Mitarbeiter, von seinen Kollegen so lange gequält und schikaniert wird, bis er entweder selbst kündigt oder irgendwann erkrankt und vom Arbeitgeber gekündigt wird.

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Bezeichnend für Mobbing ist das Modell „Alle gegen einen“. Es handelt sich also nicht um einen Konflikt zwischen zwei Parteien auf Augenhöhe, beispielsweise zwischen zwei Personen oder gleich großen Personengruppen, sondern um mehrere Täter und ein Opfer. Zwar gibt es häufig einen „Haupttäter“, doch schließen sich ihm weitere Personen an oder verweigern zumindest den Schutz des Opfers. Es ist gegen die Schikane daher machtlos. In Ausnahmefällen kommt es bei Mobbing auch zu körperlicher Aggression, in der Regel handelt es sich aber um psychische Angriffe. Diese psychische Belastung wirkt sich früher oder später in einer stressbedingten Erkrankung aus, einer Depression beispielsweise, einem Burnout-Syndrom oder auch in körperlichen Erkrankungen wie Krebs, einem Bandscheibenvorfall oder Migräne.

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Mobbing gilt daher als Körperverletzung und kann gerichtlich geahndet werden – zumindest in der Theorie. In der Praxis gestaltet sich das leider schwierig. Die Mobbingopfer können ihr Leiden häufig nicht ausreichend „beweisen“ oder haben am Ende nicht einmal mehr die Kraft, sich vor Gericht gegen den Mobber zu wehren. Viele Betroffene greifen stattdessen zur Krankmeldung oder Kündigung und müssen sich erst einmal in professionelle Behandlung begeben. Bis sie wieder psychisch und physisch stark genug sind, werden die Geschehnisse von den Tätern und Richtern als „Schnee von gestern“ abgetan. Und da das Sammeln von Beweisen zusätzliche Kraft gekostet hätte, ist es dafür mittlerweile ohnehin zu spät

Mobbing hat viele Gesichter

Mobbing kann in vielen Formen stattfinden: So wird Mobbing durch den Vorgesetzten beispielsweise als Bossing bezeichnet. Hierbei nutzt die Führungskraft ihre Machtposition aus und der Arbeitnehmer ist gegen die Schikane denkbar schutzlos.

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Eine weitere Art von Mobbing, welche durch Führungskräfte ausgeübt wird, ist das sogenannte Straining. Hierbei werden dem Betroffenen gezielt keine oder minderwertige Arbeitsinhalte übertragen, um diesen im wahrsten Sinne des Wortes „zu Tode zu langweilen“ – oder zumindest zur Kündigung beziehungsweise Erkrankung.

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Einige Vorgesetzte nutzen Mobbingstrategien sogar gezielt, um „ungeliebte“ Mitarbeiter im Unternehmen loszuwerden, wenn sie diese rechtlich gesehen nicht kündigen können. So befinden sich beispielsweise Teilzeitmütter besonders häufig auf der Abschussliste des Unternehmens – und die Mobbingstrategien der Führungskräfte strotzen geradezu vor Kreativität.

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Dann gibt es noch eine Form von Mobbing, welche sich im Zuge der Digitalisierung entwickelt hat. Es handelt sich dabei um das sogenannte Cybermobbing, welches über das Internet stattfindet – auf Social Media Plattformen zum Beispiel.

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Mobbing kann viele verschiedene Gesichter haben. Genau das macht eine Kategorisierung so schwierig und vor Gericht ist es oft problematisch, das Mobbing festzustellen. Die Grenzen zwischen „normalen“ Konflikten und Mobbing sind fließend und vor allem, wenn es an handfesten Beweisen fehlt, haben die Opfer auf dem Rechtsweg meist schlechte Karten. Manchmal sind diese sich sogar selbst nicht ganz sicher, ob es sich in ihrem Fall wirklich um Mobbing handelt oder ob sie „über reagieren“ – zumindest zu Beginn des Psychoterrors.

Die 45 Mobbinghandlungen nach Heinz Leymann

Und genau an dieser Stelle kommen die sogenannten 45 Mobbinghandlungen von Heinz Leymann ins Spiel. Der Mobbingforscher hat nämlich 45 Handlungen in insgesamt fünf Gruppen klassifiziert, welche auf Mobbing schließen lassen und dadurch eine Kategorisierung ermöglichen. Wenn du oder jemand in deinem sozialen Umfeld also von Mobbing betroffen sein sollten, lohnt sich zur Gewissheit ein Blick in die Auflistung. So kannst du unter Umständen noch rechtliche Schritte einleiten, bevor das Mobbing so weit fortgeschritten ist, dass dir hierfür die Kraft fehlt. Leymann hat das Mobbing in folgende fünf Kategorien eingeteilt:

  1. Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen
  2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
  3. Angriffe auf das soziale Ansehen
  4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation
  5. Angriffe auf die Gesundheit

(Quelle: Verband Bildung und Erziehung (VBE) Berlin)

Wenn Mobbing vorliegt, finden demnach Handlungen aus mindestens einer dieser Kategorien statt – häufig aber sogar als Kombination aus mehreren oder allen der fünf Klassifizierungen. Leymann hat diesen fünf Kategorien insgesamt 45 Mobbinghandlungen zugeschrieben, welche als eindeutiger Indikator für das Vorliegen eines Mobbingfalles dienen. Diese gestalten sich wie folgt:

Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen

Die wohl wirksamste Methode als Schutz des Opfers gegen Mobbing wäre die Hilfe durch Dritte. Dementsprechend neigen Mobber dazu, die Möglichkeit des Opfers, sich Hilfe zu suchen oder in anderer Form „mitzuteilen“, bereits in einem frühen Stadium einzuschränken. Typische Mobbinghandlungen in dieser Kategorie sind beispielsweise:

  • Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeit ein, sich zu äußern
  • Man wird ständig unterbrochen
  • Kollegen schränken die Möglichkeit ein, sich zu äußern
  • Anschreien oder lautes Schimpfen
  • Ständige Kritik an der Arbeit
  • Ständige Kritik am Privatleben
  • Telefonterror
  • Mündliche Drohungen
  • Schriftliche Drohungen
  • Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten
  • Kontaktverweigerung durch Andeutungen, ohne dass man etwas direkt ausspricht

Angriffe auf die sozialen Beziehungen

Auch soziale Beziehungen des Opfers stellen für den Mobber insofern eine „Gefahr“ dar, als dass dieses sich Beistand bei Angehörigen, Bekannten, Freunden oder auch Vorgesetzten suchen und dadurch zur Wehr setzen könnte. Die Täter verstehen es deshalb, die sozialen Beziehungen der Opfer gezielt zu sabotieren und dieses dadurch zunehmend zu isolieren. Hierfür geht der Mobber zum Beispiel wie folgt vor:

  • Man spricht nicht mehr mit dem/der Betroffenen
  • Man lässt sich nicht ansprechen
  • Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen
  • Den Arbeitskollegen wird verboten, den Betroffenen anzusprechen
  • Man wird wie „Luft“ behandelt

Angriffe auf das soziale Ansehen

Damit der Täter mehr und mehr Unterstützung erhält, ruiniert er das soziale Ansehen des Opfers. Er treibt es dadurch immer weiter in die Isolation und gewinnt seinerseits „Mittäter“, welche seine Mobbinghandlungen unterstützen – oder sie zumindest bewusst oder unbewusst nicht unterbinden. Klassische Handlungen in dieser Kategorie wären:

  • Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen
  • Man verbreitet Gerüchte
  • Man macht jemanden lächerlich
  • Man verdächtigt jemanden, psychisch krank zu sein
  • Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen
  • Man macht sich über eine Behinderung lustig
  • Man imitiert den Gang, die Stimme oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen
  • Man greift die politische oder religiöse Einstellung an
  • Man macht sich über das Privatleben lustig
  • Man macht sich über die Nationalität lustig
  • Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die sein Selbstbewusstsein verletzen
  • Man beurteilt den Arbeitseinsatz auf falsche und krankende Weise
  • Man stellt die Entscheidungen des Betroffenen in Frage
  • Man ruft ihm obszöne Schimpfworte oder andere entwürdigende Ausdrucke nach
  • Sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote

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Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation

Um das Opfer immer weiter auszulaugen und zielgerichtet in die psychische oder physische Erkrankung zu treiben – quasi zum „Aufgeben“ zu zwingen – machen die Mobber den Arbeitsplatz für das Opfer zur Hölle auf Erden. Wenn sie die Möglichkeit erhalten, zerstören sie auch die private Lebensqualität des Mobbingopfers, sodass dieses keinen Rückzugsort zur Erholung oder für das Tanken von neuer Kraft mehr findet, um sich gegen den Täter zur Wehr zu setzen. Im beruflichen Umfeld äußern sich solche Mobbinghandlungen so oder so ähnlich:

  • Man weist den Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu
  • Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann
  • Man gibt ihm sinnlose Arbeitsaufgaben
  • Man gibt ihm Aufgaben weit unter seinem eigentlichen Können
  • Man gibt ihm ständig neue Arbeitsaufgaben
  • Man gibt ihm „krankende“ Arbeitsaufgaben
  • Man gibt ihm Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen, um ihn zu diskriminieren

Angriffe auf die Gesundheit

Zwar schädigen auch die anderen vier Kategorien die psychische und eventuell sogar physische Gesundheit des Mobbingopfers, doch gleiten manche Täter auch auf konkret gesundheitsschädliche Mobbinghandlungen ab. Einen solchen Angriff auf die Gesundheit stellen beispielsweise dar:

  • Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten
  • Androhung körperlicher Gewalt
  • Anwendung leichter Gewalt, zum Beispiel um jemandem einen „Denkzettel“ zu verpassen
  • Körperliche Misshandlung
  • Man verursacht Kosten für den Betroffenen, um ihm zu schaden
  • Man richtet physischen Schaden im Heim oder am Arbeitsplatz des Betroffenen an
  • Sexuelle Handgreiflichkeiten

Suche dir so schnell wie möglich Hilfe!

Wenn du dich von den geschilderten Mobbinghandlungen betroffen fühlst, solltest du dir so schnell wie möglich Hilfe suchen. Gemobbt zu werden, ist kein Grund zum Schämen. Und keine Sorge:  Du bist alles andere als alleine. Häufig ist der hohe Leidensdruck der Opfer für Außenstehende erst ersichtlich, wenn das Mobbing bereits so weit fortgeschritten ist, dass sich erste gesundheitliche Probleme bemerkbar machen. Und selbst, wenn das Mobbing frühzeitig gemeldet wird, so fühlen sich viele Führungskräfte mit der Situation überfordert oder nehmen diese schlichtweg nicht ernst – unter Umständen sind sie ja sogar selbst (Mit-) Täter.

Was also kannst du tun? Als Betroffener von Mobbing solltest du dir externe Hilfe suchen – durch den Betriebsrat beispielsweise, eine unabhängige Beratungsstelle oder einen Anwalt. Für eine eventuelle Auseinandersetzung vor Gericht ist es zudem wichtig, dass du alle möglichen Beweise für die Mobbinghandlungen sammelst. Dazu gehören zum Beispiel:

  • E-Mails,
  • Dokumente wie einen Nachweis über eine interne Versetzung,
  • Aufzeichnungen von Gesprächen oder
  • Fotos eines leergeräumten Arbeitsplatzes.

Zudem können ärztliche Gutachten vor Gericht eine wichtige Rolle spielen. Suche deshalb so früh wie möglich deinen Hausarzt, einen Psychiater oder Psychotherapeuten auf, damit dieser den Mobbingverlauf sowie dessen gesundheitliche Auswirkungen dokumentiert – sowie professionellen Beistand leistet.

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