Dein Chef teilt dir permanent Aufgaben zu, sobald du mit einer Arbeit fertig bist? Das Rätsel hinter „Busywork“ und warum es sogar kontraproduktiv sein kann, Leerlauf zu vermeiden – wir haben nachgeforscht.

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Busywork: Was ist das überhaupt?

Das englische Wort „Busywork“ beschreibt eine Beschäftigung, welcher wir nachgehen, um – kurz gesagt – beschäftigt zu bleiben.

Laut Cambridge Dictionary handelt es sich demnach um Arbeit, die nicht wirklich notwendig ist. Sie hilft jedoch dabei, unentwegt „busy“ zu sein. Damit wird Leerläufen, Langeweile und Stillständen vorgebeugt.

Beispiele für Busywork:

  • das Redigieren von bereits redigierten Berichten
  • an für den eigenen Aufgabenbereich nicht relevanten Meetings teilnehmen
  • eine Präsentation korrigieren, die längst steht
  • Protokolle oder Tabellen erstellen, die hinterher im Computer-Papierkorb landen
  • (sortierte) Akten neu sortieren

Warum neigen Führungskräfte zum Phänomen Busywork?

Mehr ist mehr – so zumindest erklärt sich die Ausführung von Busywork. Auffällig ist, dass das Phänomen in vielen Unternehmen zu finden ist. Laut den ausgewerteten Daten aus einer Conversica-Umfrage des Jahres 2018 würden über 40 Prozent der Befragten Busywork betreiben – und das etwa 50 Prozent ihrer Zeit.

Besonders Führungskräfte neigen im Arbeitsalltag dazu, ihren Angestellten neue Aufgaben zuzuteilen – entweder vorbeugend, um einen Leerlauf zu vermeiden. Oder nach getaner Arbeit.

Warum ist das so? Professorin Susan Vroman kennt die Antwort: Die Management-Dozentin (Bentley University, Massachusetts) beschreibt das Phänomen aus Sicht von Führungskräften. Demnach sei es für Chefs besonders beruhigend, wenn sie wüssten, dass ihre Angestellten beschäftigt sind – denn Beschäftigung verbinden wir bekanntlich mit Produktivität.

Zur Verdeutlichung: Büroangestellte, die ihre Arbeit längst – und sogar besonders gut – erledigt haben, sehen weniger produktiv aus, wenn sie nach getaner Arbeit zum Beispiel mit dem Smartphone beschäftigt sind, die Füße hochlegen oder Kekse knabbern. Dass sie ihre Aufgaben gründlich und vorbildlich erledigt haben, spielt nur eine Nebenrolle.

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Busywork gibt Führungskräften das Gefühl von Kontrolle

Es ginge auch darum, die Kontrolle zu behalten – aus Sorge, die Angestellten könnten sich mit etwas anderem als mit der Arbeit beschäftigen. Nach Aussage der Psychologin und Organisationsberaterin Franziska Stiegler sei Kontrolle ein ganz zentrales Bedürfnis des Menschen – und in der Führungsetage ist es, in Zusammenhang mit der großen Verantwortung, besonders ausgeprägt.

Häufige Gefahren:

  1. Angestellte fühlen sich überfordert und erschöpft.
  2. Die Gefahr des Ausbrennens steigt.
  3. Pausen und Leerläufe sind negativ behaftet, obwohl sie notwendig sind; Durchatmen und Stillstehen gelten als „moralisch verwerflich“.
  4. Schuldgefühle kommen auf, wenn zusätzliche Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt werden.
  5. Es gibt keinen Raum und keine Zeit für Reflexion.

Gut zu wissen: Nicht nur Chefs verteilen Aufgaben, um Stillständen vorzubeugen. Auch wir selbst beschäftigen uns manchmal mit Aufgaben, die lediglich als Lückenfüller dienen – zum Beispiel, weil wir uns von negativen Gedanken ablenken möchten.

Warum führen Zeiten des Homeoffice zu noch mehr Busywork?

Die Situation hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Denn in Zeiten von Homeoffice und Remote Work sind Angestellte flexibler als sonst. Sie unterliegen weniger der Kontrolle ihrer Vorgesetzten – zumindest, wenn es um die visuelle Sichtbarkeit im Büro geht.

Dass Busywork jetzt häufiger vorkommt, verwundert nicht: Chefs und Chefinnen haben das Gefühl, die für sie so wichtige Kontrolle zu verlieren – zumindest bestätigt das die im Jahr 2020 durchgeführte Robert-Half-Arbeitsmarktstudie mit insgesamt 300 Teilnehmern. Die Daten aus der Auswertung haben ergeben, dass Führungspersonen in Zeiten von Homeoffice davon ausgehen, dass Angestellte sich insgesamt weniger mit ihren eigentlichen Aufgaben beschäftigen.

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Zwar seien Führungskräfte insgesamt ganz zufrieden mit der Situation. Aber:

  • Rund 31 Prozent gehen davon aus, dass Homeoffice-Arbeiter sich während der Arbeitszeit mit privaten Anrufen beschäftigen.
  • Etwa 28 Prozent gaben an, zu glauben, dass der Fernseher nebenbei laufen würde. Genau so viele gehen auch davon aus, dass ihre Beschäftigten Lebensmitteleinkäufe erledigen würden.
  • 30 der Befragten vermuten, dass im Homeoffice online eingekauft wird, obwohl Arbeit aussteht.
  • Und etwa 23 Prozent würden ihren Angestellten unterstellen, dass diese es bevorzugen, mit dem Hund spazieren zu gehen.

Was sind die Auswirkungen von zu viel Busywork?

Dass viel Busywork nicht zu mehr Produktivität führt, sondern diese sogar hemmen kann, bestätigen die Auswertungen einer Metastudie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA).

Den Ergebnissen nach wären Pausen wichtiger als dauerhafte Arbeitseinsätze. Denn während einer Pause bekommen Psyche und Körper die Chance, Erschöpfung und Müdigkeit abzubauen. Das seelische Wohlbefinden würde nachhaltig steigen – und dafür genüge sogar schon ein Leerlauf von fünf Minuten.

Ergo: Gehen wir von dieser Erkenntnis aus, handelt es sich bei Busywork nur um eine „Täuschung“ – unabhängig davon, ob diese von uns oder von unseren Führungskräften ausgeht. Denn Busywork beruhigt uns oder Vorgesetzte zwar. Dass produktiv aussehen aber nicht bedeutet, wirklich produktiv zu sein, liegt auf der Hand.

Vielmehr geht es beim Phänomen Busywork im Kern darum, einem negativen Gefühl – dem der Sinnlosigkeit – entgegenzuwirken. Das Problem ist jedoch, dass wir ein negatives Gefühl mit einer anderen „sinnlosen“ Tätigkeit ersetzen. Eine Problemlösung ist das nicht.

Was stattdessen tun?

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Sinnlosigkeit von Busywork mit Sinnhaftigkeit zu füllen – und das Phänomen selbst besser zu verstehen:

Beispiele für Chefs und ihre Angestellten:

1. Eine gesunde „Pausenkultur“ entwickeln:

Ruhepausen und Leerläufe sollten regelmäßig stattfinden und gefördert werden. Sie gehören zu den wichtigsten Werten einer modernen Arbeitskultur. So ist es möglich, Kraft zu tanken, um produktiver zu arbeiten – und sich seelisch auszubalancieren.

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2. Zeit für Schulungen und Projekte:

Wer Zeit für Busywork „einräumt“, kann auch Zeit für Fortbildungen, Schulungen und Projekte, die von Angestellten vorgeschlagen werden, freiräumen.

3. Frühe Feierabende gewähren:

Sind Angestellte und Vorgesetzte sich einig, spricht nichts gegen einen früheren Start in den Feierabend. Auch wenn es für Führungskräfte nicht so einfach ist, loszulassen und damit etwas „Kontrolle abzugeben“ – es kann sich lohnen.

4. Keine Angst vor Selbstreflexion:

Wenn wir uns selbst mit Aufgaben überhäufen und sinnlosen Tätigkeiten nachgehen, um beschäftigt zu sein (oder busy zu wirken): Leerläufe sind wunderbare Gelegenheiten, sich mit dem „echten“ Problem hinter Busywork zu beschäftigen: negative Emotionen kompensieren, Verdrängung von Problemen, das Gefühl, nur etwas wert zu sein, wenn man sich beschäftigt zeigt.

Wer sich Zeit für Selbstreflexion nimmt, ist auf dem richtigen Weg. Das gilt für Vorgesetzte und auch Angestellte, die tendenziell und auffällig häufig zu einem „Beschäftigungsdrang“ neigen.

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Wir fassen zusammen

Busywork hat sich schon längst in vielen Unternehmen „etabliert“. Was schwer nach einer sinnvollen, produktiven Arbeit klingt, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen jedoch als Attrappe.

Denn Busywork ist nichts anderes als das Phänomen, einer (unnötigen) Tätigkeit nachzugehen, um beschäftigt zu bleiben. Dass das dauerhafte Beschäftigtsein kontraproduktiv sein kann, zeigt die aktuelle Studienlage: Burn-Out, Schuldgefühle und eine negative Einstellung gegenüber gewöhnlichen Verschnaufpausen, die wir alle benötigen, sind die Ergebnisse.

Stattdessen gilt es, mehr Pausen zu gewähren und nach echten, sinnvollen Projekten zu suchen. Denn: Mehr ist eben nicht immer mehr.

Bildnachweis: LightFieldStudios/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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