Ein Fehlverhalten von Führungskräften müssen Arbeitnehmer nicht wortlos hinnehmen. Ob Schikane oder fehlende Pausenzeiten: Du darfst abmahnen.

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Nicht nur Vorgesetzte dürfen einem Mitarbeiter bei einem Fehlverhalten eine Abmahnung erteilen. Auch du als Arbeitnehmer hast das Recht dazu. Obwohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vertrag abgeschlossen haben, fühlen sich häufig viele Angestellte so, als hätte der Chef aufgrund seiner Machtposition Sonderrechte gegenüber seinen Mitarbeitern. Dem ist nicht so: Jeder Arbeitnehmer darf auf eine Vertragsverletzung aufmerksam machen und im Ernstfall eine Abmahnung erteilen, bevor die eigene (fristlose) Kündigung vorbereitet wird. Du gibst deinem Chef also eine Chance, jetzt noch etwas zu ändern – denn andernfalls gehst du und dein Boss muss gegebenenfalls mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.

Hinweis: Eine rechtliche Beratung kann im Zweifelsfall helfen, bevor du erste Schritte unternimmst. Denn nicht jede Situation ist, zumindest aus juristischer Sicht, eindeutig. Wer sich unsicher ist, sollte sich deshalb Hilfe suchen.

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Gründe: Wann darf ich meinen Chef abmahnen?

Liegt ein grobes Fehlverhalten oder eine Vertragsverletzung vor, dürfen Mitarbeiter gegen ihren Boss vorgehen – denn so sieht es das Arbeitsrecht vor. Nicht alle Situationen stellen eine Pflichtverletzung dar. Wenn es sich lediglich um einen Konflikt handelt, bei dem ihr euch beispielsweise nicht einigen könnt, ist dies noch keine Grundlage. Jetzt kommt es auf Form und Inhalt an: Findet beispielsweise Mobbing, Beleidigung oder Belästigung statt?

Aus folgenden Gründen kannst du deinen Chef zum Beispiel abmahnen:

1. Dein Boss will, dass du Überstunden ohne vertragliche Vereinbarung leistest

Existiert im Vertrag keine Überstundenregelung, bist du, bis auf die Ausnahme, in Notsituationen auszuhelfen, nicht dazu verpflichtet, Überstunden zu leisten. Grundsätzlich zählt zu einer Notsituation ein extremer Zustand, den dein Arbeitgeber so nicht voraussehen kann. Brennt es beispielsweise in den Büroräumen, kann es notwendig sein, dass du aushilfst, um Gefahren für den Betrieb aktiv abzuwehren.

Aber: Wirst du immer wieder zu Überstunden verdonnert, weil dein Arbeitgeber bisher kein neues Personal gefunden hat, kannst du diesen abmahnen, sofern vertraglich keine Regelung existiert.

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2. Du darfst deine Pausen nicht nehmen

Dir stehen Pausen zu. Wenn du sechs Stunden gearbeitet hast, muss dein Arbeitgeber dir eine Pause von 30 Minuten ermöglichen, weil du ohne Pausen laut Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nicht länger als eben diese sechs Stunden arbeiten darfst. Dies dient deiner Gesundheit und Sicherheit.

Verwehrt dein Chef dir diese Pausen immer wieder, wird es Zeit, spätestens jetzt aktiv zu werden: Es liegt ein Grund vor, eine Abmahnung vorzubringen, die deutlich macht, dass du gehst, wenn sich nichts ändert.

3. Du wirst von deinem Chef gemobbt

Bossing hat viele Gesichter – doch jedes ist eines, das Mitarbeiter willkürlich mobbt. Wenn du häufiger und mit voller Absicht gedemütigt, beleidigt, belästigt oder heruntergemacht wirst, solltest du dir Hilfe holen. Aus rechtlicher Sicht ist Mobbing am Arbeitsplatz kein ganz einfaches Thema, weshalb es wichtig ist, sich beispielsweise um juristischen Rat zu bemühen. In vielen Fällen ist es aufgrund des toxischen Klimas so, dass Arbeitnehmer sich dafür entscheiden, zu kündigen.

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Unser Tipp: Dokumentiere alle Vorfälle und schreibe auf, wer beteiligt ist, was passiert ist und wann etwas vorgefallen ist. Denn nicht immer handelt es sich tatsächlich um „Mobbing“, welches eine rechtliche Konsequenz nach sich zieht. Im Ernstfall kannst du so aber nachweisen, worum es dir geht.

4. Dein Chef enthält dir wiederholt deinen Lohn vor

Niemand sollte ohne Gegenleistung arbeiten müssen. Denn wir alle gehen einem Job nach, um die eigene Existenz sichern zu können. Du führst die Arbeit aus – und dein Arbeitgeber bezahlt dich dafür. Normalerweise.

Manchmal aber ist es so, dass dein Chef sich weigert, deinen Lohn zu zahlen oder vielleicht sogar nicht in der Lage ist, sich eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern zu leisten. Probleme mit Lohn und Gehalt gibt es dann viele. Zum Beispiel:

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  • Dein Lohn wird erheblich gekürzt, obwohl es dafür keinen Grund gibt.
  • Dein Lohnt kommt immer zu spät an
  • Dein Lohn wird seit mehreren Monaten nicht mehr gezahlt.

Das sind gute Gründe, fristlos kündigen zu wollen. Bevor dies geschieht, ist es wichtig, dass du deinen Arbeitgeber abmahnst. Übrigens: Sofern dein Lohn länger als drei Monate ausbleibt, hast du üblicherweise das Recht, die weitere Ausführung des Jobs zu verweigern. Wenn es schließlich ganz ernst wird, ist es ebenfalls möglich, dass du später vor Gericht auf Schadensersatz bestehst.

5. Dein Vorgesetzter hat dich sexuell belästigt

Eindeutige Angebote, aufdringliche Nachrichten und Bilder oder gar unerwünschte Berührungen: Ob körperliche oder verbale sexuelle Belästigung, es gibt leider viele Möglichkeiten der sexuellen Gewalt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Handlungen und Verhalten üblicherweise heruntergespielt und sogar Opfer dafür verantwortlich gemacht werden. Diese Täter-Opfer-Umkehr (Victim Blaming) führt oft zu Scham und zu irrationalen Schuldgefühlen.

Wenn dein Chef dich auffällig bedrängt, dich eindeutig sexuell belästigt oder subtiler vorgeht, solltest du nicht lange zögern: Suche dir Unterstützung, damit du mit dem Thema nicht alleine bist. Sexuelle Belästigung ist strafbar. Zudem solltest du dich unbedingt an den Vorgesetzten deines Chefs wenden, welcher gesetzlich in der Pflicht steht, zu handeln und beispielsweise eine Abmahnung oder eine fristlose Kündigung auszusprechen.

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Übrigens: Dein Chef weiß von einer sexuellen Belästigung durch Teamkollegen, bleibt aber weiter unbeteiligt und ergreift keine Maßnahmen? Auch das ist eine Pflichtverletzung, die Vorgesetzte manchmal begehen, um sich ihrer Verantwortung elegant zu entziehen. In solchen Fällen kannst du auf dein Leistungsverweigerungsrecht (§14 AGG) bestehen. Reiche die Erklärung schriftlich ein, sodass du anschließend von der Arbeit fernbleiben kannst – und dennoch bezahlt wirst.

Wie mahne ich meinen Chef ab?

Neben den genannten Situationen gibt es oft noch weitere heikle Szenarien, in denen Arbeitnehmer manchmal über eine fristlose Kündigung nachdenken. Wichtig ist in solchen Fällen vor allem, dass du trotz des emotionalen Durcheinanders auf die Formalitäten achtest.

Grundsätzlich steht es dir frei, eine Abmahnung schriftlich zu verfassen oder mündlich auszusprechen – sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes steht. Wirf deshalb einen Blick in das Dokument, um später auf der sicheren Seite zu stehen. Die Schriftform ist empfehlenswert, um einen Nachweis zu haben. Eine Abmahnung sollte Informationen wie Ort, Uhrzeit und genaue Schilderung des Vorfalls enthalten. Denn nur so wird ersichtlich, warum du deinen Chef abmahnst.

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Was kann ich außerdem tun?

Du kannst versuchen, eine Einigung zu finden oder eine Veränderung des Verhaltens zu erwirken, indem du beispielsweise um ein Gespräch bittest und eine dritte Partei involvierst. Das kann der Betriebsrat sein. Sollte es sich um juristisch heikle Themen handelt, ist es außerdem wichtig, dass du dich nie auf gefährliches „Terrain“ begibst, indem du dich auf ein Gespräch in Unterzahl einlässt, wenn mehrere Vorgesetzte oder Personalverantwortliche sowie möglicherweise auch die Rechtsabteilung sich zusammentun und dich um ein Statement bitten. Solche Szenarien wirken oft bedrohlich, weil du die Absicht nicht einschätzen kannst.

Du musst dich von deinem Chef nicht unter Druck setzen lassen: Weise darauf hin, dass du die Situation jetzt verlassen wirst – und suche dir selbst Beistand.

Bildnachweis: DjelicS/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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