Deutschland befindet sich mitten in der Rezession. Die Wirtschaft schrumpft. Was heißt das für Arbeitnehmer und Verbraucher?

Anzeige

Die Rezession ist da: Zwei negative Quartale besiegeln die Befürchtung

Zwei negative Wirtschaftsquartale, die Ende 2022 und Anfang 2023 hintereinander folgten, haben Deutschland definitionsgemäß in eine sogenannte „technische Rezession“ schlittern lassen. Eindeutige Hinweise waren bereits vorhanden, doch das Statistische Bundesamt (Destatis) musste sich korrigieren: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im 1. Quartal 2023 um 0,3 Prozent gesunken. Vor allem die Energiekrise hat bedeutenden Einfluss auf die Entwicklungen genommen, die als Folge des russischen Angriffskrieges folgte.

Was bedeutet Rezession?

Eine Rezession beschreibt eine Konjunkturphase, die anzeigt, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst, sondern stagniert und schrumpft. Der aus dem Lateinischen stammende Begriff lässt sich mit „Rückgang“ übersetzen. Die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten gehen bedeutend zurück, sodass der Wohlstand insgesamt sinkt. Bereits die weltweite Finanzkrise um 2007 bis 2009 herum führte auch in Deutschland zu Einbrüchen und einem Abschwung der Wirtschaft.

Anzeige

Ein wichtiger Indikator für Rezessionen ist die Kaufkraft von Privatverbrauchern. Geben Menschen weniger Geld aus, kann sich dies auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Auch aktuell ist zu spüren, dass die Kaufkraft von Verbrauchern nachgelassen hat. Inflation und explodierende Energiepreise hätten „ihren Tribut gefordert“, so Jörg Krämer (Chefvolkswirt der Commerzbank). Verbraucher fangen an, Geld zu sparen, ihre Konsumausgaben deutlich einzuschränken, weniger Reisen zu planen und sich auf Krisenzeiten gefasst zu machen. Die Löhne steigen verhältnismäßig langsam an, während die Preise für Produkte und Dienstleistungen rasant wachsen.

Welche Folgen hat die Rezession für Arbeitnehmer?

Die gute Nachricht vorweg: Der Arbeitsmarkt in Deutschland bleibt vergleichsweise stabil, obwohl eine Rezession auch Unternehmen hart trifft. Als Folge müssen häufig Einsparungen vorgenommen werden.

Trotz der insgesamt schwächeren Wirtschaftsleistung bleibt die Nachfrage nach Arbeitskräften auf einem hohen, robusten Niveau, auch wenn der Arbeitsmarkt abkühlt und der Job-Boom vor allem im Jahr 2021 besonders hoch war. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) spricht in einer Analyse von einem „Rekord-Arbeitskräftebedarf in schwierigen Zeiten“. Auch in wirtschaftlichen Schwächephasen versuchten Unternehmen, ihre Arbeitnehmer aufgrund des Personaldefizits zu halten, heißt es im Bericht. Denn „Horten“ von Arbeitskräften sei in solchen Phasen nicht ungewöhnlich, vor allem nach der zuvor erfolgten Krise zwischen den Jahren 2007 und 2009.

Anzeige

Die robuste Arbeitsmarktlage schließt in Zeiten der Rezession Entlassungen und eine steigende Arbeitslosenquote nicht aus, im Gegenteil. Dennoch stabilisiere sich der Markt, unter anderem aufgrund der staatlichen Unterstützung durch Kurzarbeit, verhältnismäßig schnell.

Auch die Verrentung der Generation Babyboomer spiele eine wichtige Rolle. Aufgrund des demografischen Wandels wächst die Fachkräfteknappheit deutschlandweit und die Nachfrage bleibt nach wie vor hoch, sodass die wirtschaftlichen Folgen zwar insgesamt zu spüren sind, die Arbeitsmarktentwicklung jedoch Anlass zur Hoffnung gibt.

Dennoch weist das IAB darauf hin, dass der erwartete Konjunkturaufschwung, der Experten zufolge nach der Corona-Krise folgen sollte, ausgeblieben ist. Dies sei vor allem der Ukraine-Krise und den damit einhergehenden Energiepreisen zuzuschreiben, die Unternehmen und auch Privatverbraucher belasten.

Anzeige

Prognosen: Wie wird sich die Rezession in Deutschland entwickeln?

Auf die aktuelle Lage bezogen hätten Experten – ohne den Ukraine-Krieg zu berücksichtigen – eine Hochkonjunktur nach der Pandemie prognostiziert, doch die Erholung der Wirtschaft schreitet wegen der Kriegsfolgen nur langsam voran, so VWL-Experte und Ökonom Prof. Dr. Aymo Brunetti von der Universität Bern.

Experten schätzen die Wirtschaftsflaute insgesamt unterschiedlich ein: Sowohl positive Signale als auch pessimistische Stimmen sind in Bezug auf die weitere Prognose wahrzunehmen. Eine gemischte Einschätzung gibt etwa Rolf Bürkl (GfK-Konsumexperte) ab. Die Konsumenten verspürten aktuell stärkere Verunsicherungen. Die Folgen der Inflation verhinderten, so Bürkl, dass der Konsum von Privatleuten positiv zur Wirtschaft beitragen könne. Dennoch bemerkt er, dass es in den nächsten Monaten durchaus zu einer Besserung kommen kann. Banken-Ökonomen rechnen hingegen weiterhin mit einem deutlichen Abschwung.

Immerhin: Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit einem moderaten Wachstum im Laufe des Jahres 2023 und mit einem Plus von etwa 1,8 Prozent für das kommende Jahr 2024. Demnach sei der Ausblick durchaus positiv – obwohl die BIP-Jahresrate zunächst nicht darauf hindeute.

Anzeige

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bleibt optimistisch. Es sei damit zu rechnen, dass Verbraucher wegen steigender Löhne schon bald mehr Geld auf dem Konto hätten und dass es im Anschluss zu einer Erholung des privaten Konsums kommen könne, was wiederum die Wirtschaft positiv beeinflussen kann.

Woran erkenne ich eine Rezession – und wie ist der Verlauf?

Rezessionen entwickeln sich individuell. Der Ausgang lässt sich anhand der weiteren Entwicklung des BIP und den typischen Konjunkturphasen zwar prognostizieren, aber auf das Ausmaß bezogen, handelt sich dennoch um Schätzungen. So sieht ein typischer Konjunkturzyklus aus:

Phase 1: Der Aufschwung (Expansion)

Wenn sich eine Volkswirtschaft kontinuierlich positiv entwickelt, ist die Rede von einem Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit ist – nach einer vorangegangenen Tiefphase – gering, die Wirtschaft wächst, die Unternehmen produzieren mehr, die Börsenkurse erleben einen Aufwärtstrend. Das BIP nimmt zu und der Wohlstand wächst.

Anzeige

Phase 2: Die Hochkonjunktur (Boom)

Auf den Aufschwung folgt die sogenannte Boom-Phase, die als Hochkonjunktur bekannt ist. Diese Phase kennzeichnet sich durch eine robuste Beschäftigungsquote, Wohlstand, höhere Löhne und Wachstum.

Was zunächst positiv klingt, ist aber auch ein erstes Anzeichen dafür, dass es zu einer „Überhitzung“ kommen kann: Eine erhöhte Nachfrage nach Darlehen, die Zinsen in die Höhe treibt, und Fehlinvestitionen kommen den Menschen teuer zu stehen. Nach der Hochkonjunktur folgt der Abschwung.

Phase 3: Der Abschwung (Rezession)

Nach dem Boom folgt der Abschwung. Per Definition kann dieser Abschwung erst festgelegt werden, wenn eine Wirtschaft zweimal hintereinander, bezogen auf die jeweiligen Quartale, schwächelt. Konsumenten geben weniger Geld aus, nachdem die Preise zuvor in die Höhe geschossen sind. Das BIP nimmt ab.

Anzeige

Phase 4: Die Tiefphase (Depression)

Im schlimmsten Fall folgt nun eine Tiefphase – die sogenannte Depression. Die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen nimmt drastisch ab, Unternehmen haben keine Aufträge, die Arbeitslosenquote schießt in die Höhe.

Nach dieser letzten Phase aber folgt üblicherweise der Aufschwung: Die Preise normalisieren sich, die Zinsen sinken, die Wirtschaft steuert in Richtung Erholung.

Welche Faktoren beeinflussen die Entstehung der Rezession?

Das BIP sinkt allen voran aufgrund der sinkenden Kaufkraft, aber auch Lieferengpässe wirken sich auf die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland oder weltweit aus. Die Folge ist eine Rezession. Sofern die Produktionskosten insgesamt ansteigen und das Geld der Menschen an Wert verliert, ist mit einem solchen Abschwung zu rechnen. Deshalb existiert ein enger Zusammenhang zwischen Inflation und Rezession.

Fazit: Deutsche Wirtschaft leidet, Arbeitsmarkt stabil, Prognosen gemischt

Zumindest für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende dürfte es eine gute Nachricht sein, dass die Arbeitskräfteknappheit weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgt, obwohl der Markt in der Gesamtbetrachtung abkühlt und einige Unternehmen Einsparungen vornehmen.

Dass der private Konsum sich bald erholen könnte, sorgt ebenfalls für Hoffnung. Dennoch sind die möglichen Folgen einer Rezession nicht zu unterschätzen: Eine drohende Depression könnte die wirtschaftliche Lage deutlich verschlechtern. Die Entwicklungen bleiben weiterhin spannend.

Bild: tang90246/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

Mach mit und diskutiere mit uns in unserer Skool Community!

Egal, ob du Fragen hast, Antworten suchst oder einfach nur deine Erfahrungen zu diesem oder anderen Themen teilen möchtest, du bist herzlich willkommen. Diskutiere mit, erweitere dein Wissen und werde Teil einer inspirierenden Gemeinschaft. Zur Arbeits-ABC Community