Selbstreflexion ist das Merkmal starker Führung. Erst die Arbeit an dir selbst macht die Arbeit mit anderen möglich.

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Der Fisch beginne am Kopf zu stinken, so Hirnforscher und Neurobiologe Gerald Hüther, der das norddeutsche Sprichwort zitiert, um die Verantwortung von Führungskräften deutlich zu machen. Doch das Gehirn und Mindset von Leadern sei, wie bei anderen Menschen auch, zeitlebens veränderbar – wenn wir bereit seien, an uns zu arbeiten.

Für angehende Führungskräfte und auch für alteingesessene Leader gilt deshalb: Wer sich selbst kennt, akzeptiert und reflektiert, hat ein ausgezeichnetes Fundament, um ein ganzes Team zu führen. Vor allem langjährige Führungskräfte können ein Lied davon singen. Zu den schmerzlichsten Erkenntnissen ihrer Karriere gehört, dass niemand als Chef geboren wird, sondern zu einem wird. Es ist ein weiter Weg. Selbstreflexion hilft, dieses Fundament aufzubauen, das ein ganzes Team tragen kann.

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Wie kann ich an mir arbeiten, um eine bessere Führungskraft zu werden?

Zunächst die schlechte Nachricht: Es gibt keine Abkürzung. An der Arbeit an dir selbst führt kein Weg vorbei. Die gute Nachricht aber ist, dass der Prozess der Selbstreflexion dir nicht nur hilft, eine gute Führungskraft zu werden, sondern auch dabei, eine Inspiration für dein Team zu sein.

1. Situatives Führen: Du hast mehr als nur eine Rolle – lerne sie kennen

Die Arbeitswelt entwickelt sich heute dynamischer; Agilität steht weit oben. Und auch trotz klarer Rollenverteilung ist Flexibilität gefragt, wenn du Führungskraft bist.

Ein guter Leader ist in der Lage, situativ zu führen. Die Herausforderung besteht darin, ein einengendes, tunneblickhaftes Verständnis, wie ein Führungsstil zu sein hat, über Bord zu werfen. Der Grundsatz der situativen Führungstheorie besteht darin, dass es nicht „den einen perfekten Führungsstil“ gibt, der alle anderen überragt. Führungskräfte sollten sich vielmehr der jeweiligen Situation anpassen, so die Idee des Organisationspsychologen Fred Edward Fielder.

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Das bedeutet in der Umsetzung zum Beispiel:

  • Du berücksichtigst die individuelle Beziehung und Entwicklung zum Mitarbeiter.
  • Du wirst dir deiner Position und Verantwortung bewusst.
  • Du gehst auf die Erfahrungsstufe ein und passt deinen Stil an (Delegieren, Partizipieren, klare Anweisungen erteilen oder Trainieren).
  • Du nimmst verschiedene Führungselemente auf, die unterschiedlichen Stilen entstammen.

2. Beobachten: Stärke deine Wahrnehmung und trainiere deine Aufmerksamkeit

Erfolgreiche Führungskräfte wissen, was um sie herum passiert und mit welchen Menschen sie sich umgeben. Denn sie haben feine Fühler, weil sie ihre Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe stetig trainieren. Das hilft dir dabei, nicht in impulsive Handlungen zu verfallen und außerdem, einzelne Teammitglieder besser zu verstehen. Ein Punkt, an dem du in deinem Arbeitsalltag in vielen Situationen arbeiten kannst – etwa während eines Meetings, bei einem Feedbackgespräch oder auch nur während einer gemeinsamen Kaffeepause mit Kollegen.

Was dich als Führungskraft dabei stärken kann:

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  • aktives Zuhören, ohne ins Wort zu fallen
  • divergentes, kreatives Denken
  • Blickkontakt halten
  • innehalten und ruhig Atmen
  • Fragen stellen

3. Selbstakzeptanz: Lerne dich so zu nehmen, wie du bist

Du neigst dazu, dich ständig mit deiner Konkurrenz zu vergleichen und du beginnst, an dir zu zweifeln? Konkurrenzgedanken liegen in der Natur des Menschen. In der Führungsetage sind sie omnipräsent. Wenn du ein Team selbstsicher führen möchtest, ist es jedoch von großer Bedeutung, gelassener damit umzugehen.

Selbstakzeptanz ist ein wichtiger Schritt, um an dir und deiner Führungspersönlichkeit arbeiten zu können. Denn viele Menschen überspringen diesen essenziellen Schritt, wenn sie Persönlichkeitswachstum anstreben.

Überhaupt gilt: Selbstakzeptanz ist Voraussetzung für Veränderung, was zunächst paradox klingt. Aber sie hilft dabei, dass du deine Schwächen nicht krampfhaft verdrängst, sondern sie annimmst. Das bedeutet auch, deine aktuelle Situation zu akzeptieren, wie sie gerade ist.

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Genaues Hinschauen und Akzeptieren macht erst möglich, Veränderungspotenzial zu erkennen: Was kann und darf bleiben, was ist veränderbar?

4. Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung: Setze dir beide Brillen auf

Nicht alles, was andere dir über dich erzählen, muss der Wahrheit entsprechen. Zumindest nicht deiner Wahrheit. Und doch bringt uns die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zum Nachdenken.

Für konstruktives Feedback solltest du stets offen sein. Das bedeutet auch, Einschätzungen von anderen nicht als persönlichen Angriff zu werten, sondern sie wertungsfrei zu betrachten oder sie gegebenenfalls als Möglichkeit zu nehmen, um etwas zu verändern. Oft fällt es uns schwer, die Brille der Selbstwahrnehmung abzulegen, um die der Fremdwahrnehmung aufzusetzen. Beide sind wertvoll und hilfreich, um als Leader zu wachsen. Lerne deshalb, Kritik zu empfangen.

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5. Vorbildfunktion: Stelle Regeln auf, die du selbst erfüllst

Eine der bedeutendsten Schritte für angehende oder frischgebackene Führungskräfte ist, im Arbeitsalltag eines Chefs zu lernen, was es bedeutet, Regeln vorzugeben, die auch für dich gelten. Du erwartest Zuverlässigkeit, Absprachen oder Transparenz? Dann ist es höchste Zeit, das alles selbst vorzuleben, bevor du damit an dein Team herantrittst.

6. Verantwortung: Fehler passieren – stehe zu ihnen

Die wohl größte Baustelle von Führungskräften ist manchmal die Art, wie sie mit Fehlern umgehen. Um ein ganzes Team verantwortungsvoll führen zu können, nimmt die Fehlerkultur, die von Vorgesetzten maßgeblich geprägt wird, eine Schlüsselrolle ein.

Psychologe Guy Winch bezeichnet das Nicht-Zugeben von Fehlern als eine mentale Abwehrstrategie. Demnach haben es vor allem Führungskräfte mit einem großen Ego schwer, zu einem Fauxpas zu stehen. Selbstsicherheit hingegen hilft, auch Fehler zugeben zu können. Übe dich deshalb darin, Verantwortung für Handlungen zu übernehmen, Fehler nicht als Makel zu sehen und sie nicht auf andere zu schieben, vor allem nicht, wenn du dich als Führungskraft ohnehin in einer Machtposition befindest.

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7. Prinzipientreue: Handle nach den Werten, die du vertrittst

Auch wenn es unbequem wird, du dich bloßstellen könntest oder du einen mutigen Schritt nach vorne wagen musst: Bleibe den Werten und Prinzipien treu, die dir wichtig sind, nachdem du sie aufgestellt hast.

Führungskräfte, die ihr Handeln nach den Werten und Prinzipien ausrichten, die sie nach außen hin kommunizieren, können nachts nicht nur frei von Schuldgefühlen einschlafen. Sie sind auch ein Vorbild für ihr Team, indem sie Ehrlichkeit, Loyalität und Zuverlässigkeit beweisen, weil sie sich selbst in herausfordernden Situationen stets treu bleiben.

8. Growth Mindset: Höre mit dem Lernen nicht auf

Ein Growth Mindset zu haben, bedeutet, Fähigkeiten als etwas Erlernbares zu betrachten. Zum Vergleich: Menschen mit einem Fixed Mindset sind tief davon überzeugt, dass sie mit dem, was sie können und haben – etwa die Intelligenz – auf die Welt gekommen sind.

Eine Wachstumsmentalität hingegen lässt zu, dass du neugierig, lernfähig und offen bleibst. Unabhängig davon, wie viele Jahre du nun schon Führungskraft bist oder ob du gerade erst beginnst, aufzusteigen, wir sind in der Lage, jeden Tag etwas Neues über uns selbst zu lernen.

Die Entwicklung einer solchen Mentalität kann viele Jahre in Anspruch nehmen. Doch der Prozess hilft dir dabei, dich fit zu machen für einen inspirierenden, erfolgreichen Alltag als Leader – mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören.

Bild: AzmanL Ljubljana, Slovenia/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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