Auf Social Media ist sie als Profilspruch bei vielen Usern präsent und in Vorträgen wird sie immer wieder zitiert: die Konfuzius-Weisheit, man solle – sinngemäß – einen Job wählen, den man liebe, um keinen einzigen Tag im Leben arbeiten zu müssen.

Totaler Mist, findet Apple-CEO Tim Cook, der heute auf dem Chefsessel des Weltkonzerns sitzt. In einer Rede an der Tulane-Universität (New Orleans) soll der gebürtige US-Amerikaner mitgeteilt haben, dass ihm diese Erkenntnis während seiner Arbeit bei Apple kam. Seit 2011 ist er CEO des Unternehmens, nachdem dieser Steve Jobs einige Male vertreten hatte und anschließend den Posten übernahm, als Jobs aufgrund von schwerem Bauchspeicheldrüsenkrebs zunächst zeitweise und dann ganz als Apple-Konzernchef zurücktrat.

Welche Weisheit gilt stattdessen?

Bis jetzt sind die Worte umstritten, die vom chinesischen Philosophen Konfuzius stammen sollen, heute jedoch eher auf eine Abwandlung hindeuten. Wahrscheinlich ist, dass Arbeiter zur Epoche der Östlichen Zhou-Dynastie, zu deren Zeit auch Konfuzius gelebt haben soll, wohl kaum eine solch große Entscheidungsfreiheit oder eine solch große Auswahl an Berufen hatten, aus denen sie beliebig wählen konnten, um ihre Existenz zu sichern und nebenbei eine große Liebe für ihren Job zu entwickeln. Ein solcher Luxus, zumindest in Sachen Berufsauswahl, ist den heutigen Arbeitnehmern eher vergönnt.

Cooks Alternative zur Konfuzius-Weisheit, die der Apple-Chef in seiner Rede an der Universität stattdessen zitiert haben soll, lautet sinngemäß:

Auch Jobs, für die wir Leidenschaft empfinden, sind harte Arbeit. Aber die Leidenschaft erleichtere die harte Arbeit wesentlich.

Von der Idealvorstellung, keinen einzigen Tag in seinem Leben mehr arbeiten zu müssen, nimmt er damit Abstand.

Denn obwohl Cook, der 1998 von Steve Jobs höchstpersönlich in die Apple-Family geholt wurde, seinen Beruf liebe, sei dieser mit harter Arbeit verbunden. Der Druck, unter dem er steht, zeigt sich in seiner Arbeitsroutine, die mit Verantwortung für eine der global erfolgreichsten Marken einhergeht.

Sein Tag beginne bereits um 4 Uhr in der Früh. Nachdem der CEO sich zunächst Zeit für User-Kommentare nehmen soll, steht als Nächstes eine Sporteinheit auf dem Plan, um seinen Arbeitsstress besser regulieren zu können, bevor der weitere Arbeitstag seinen Lauf nimmt.

Muss man seinen Job lieben?

Die Auffassungen von „harter Arbeit“ gehen heute weit auseinander. Für die einen bedeutet es, dass sie schuften und leiden. Für die anderen, dass sie gerne alles von sich geben und zielstrebig auf Resultate hinarbeiten – sei es die nächste Karrierestufe oder die Anerkennung von Chef und Kollegen.

Dass Jobs laut Cook zwar immer Arbeit bedeuteten, einem aber auch harte Arbeit leicht fiele, wenn man für den Beruf brenne, dem kann grundsätzlich zugestimmt werden. Denn positiver Stress (Eustress) wirkt oft beflügelnd und kann Euphorie hervorrufen, während negativer Stress (Distress) langfristig unzufrieden macht und nebenher gesundheitliche Folgen haben kann.

Tendenziell führt hoher psychischer Stress im beruflichen Kontext zu Burnout und Ängsten, wenn wir einem Job nachgehen, den wir nicht besonders attraktiv finden. Heißt das jedoch im Umkehrschluss, dass wir unsere Jobs lieben müssen?

Nicht unbedingt. Für alle, die ihren Job gut finden und zufrieden sind, ihn aber nicht vergöttern, kommt hier die gute Nachricht: Es reicht aus, seinen Job zu mögen. ‚Good vibes only‘ ist eine Illusion. Wer „brennen“ muss, wenn der Chef dies erwartet, muss auch Überstunden und Mehrarbeit liefern – alles, was eben zum Job dazugehört, wenn man bedingungslos liebt.

Davon ab: Äußere Umstände, die eigene Gesundheit oder Probleme im Privatleben beeinflussen unsere Haltung zum Job, sodass wir nicht immer in der Lage sind, 100-prozentig für eine Arbeit zu brennen. Eine übertriebene Liebe zum Job kann so auch dazu führen, desillusioniert zu werden, wenn dieser nicht alle Bedürfnisse, die wir haben, erfüllt.

Studie: Liebe zum Job kann dazu führen, dass wir ausgenutzt werden

Erwecken wir bei anderen den Eindruck, dass wir für unseren Job brennen oder lieben wir ihn tatsächlich, hat unsere starke Passion auch eine weitere Kehrseite.

Eine Forschungsstudie der Fuqua School of Business (Duke University) mit über 2.400 Probanden belegt: Wer leidenschaftlich dabei ist, wird auf der Arbeit eher ausgenutzt. So würden Führungskräfte Mitarbeitern, die ihren Job lieben, eher Mehrarbeit auftragen. Eine Bezahlung für die zusätzlichen Stunden käme dabei auch nicht unbedingt herum.

Vielleicht bestätigt diese Erkenntnis, wenn auch aus Sicht von Vorgesetzten, die These des Apple-CEOs, dass Passion stets mit harter Arbeit verbunden ist; zumindest wird die Bereitschaft, harte Arbeit zu leisten, von leidenschaftlichen Arbeitnehmern laut Studie eher erwartet.

Die Auswertungen haben auch ergeben, dass Ausbeutende eine Art Legitimation empfinden, wenn sie Menschen, die ihre Jobs mit großem Eifer erledigen, ausnutzen, was bedeutet, dass das Schuldgewissen entsprechenden Mitarbeitern gegenüber weniger ausgeprägt ist. So sei es „in Ordnung“, dass leidenschaftliche Arbeitnehmer weniger Zeit für ihre Familie hätten oder aber unbezahlte Arbeit erledigen müssten.

Warum ein sinnvoller Job wichtiger ist als ein „perfekter“ Job

Was bei Arbeitnehmern heute eher als „blinde Leidenschaft“ gefragt ist, ist echte Sinnhaftigkeit. Auch wenn Apple-CEO Cook Leidenschaft als erleichternde Komponente im Beruf einstuft, ist Sinnhaftigkeit ein Faktor, der harte Arbeit nicht nur erträglicher macht, sondern zu mehr Erfüllung im Job führt.

Laut XING E-Recruiting sollen sich knapp 50 Prozent der Befragten einen Job mit Sinn wünschen. Vor allem jüngere Menschen kommen in den Genuss, eher selbstständig entscheiden zu können, was sie heute machen möchten, weil die Berufsauswahl stetig wächst und der Druck, den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen zu müssen, tendenziell abnimmt. Ob Kunden glücklich machen, beruflich an verschiedene Orte reisen dürfen oder einfach nur Brot backen – Sinnhaftigkeit kann für jeden unterschiedlich aussehen.

Vorrangig aber führt Sinnhaftigkeit eher als starke Liebe dazu, Professionelles und Privates unterscheiden zu können und dennoch glücklich zu sein. Wird im Job eine Art „Ersatzfamilie“ gesucht und können berufliche Kontakte diese Sehnsucht – verständlicherweise – nicht (immer) erfüllen, ist Frust vorprogrammiert.

Quintessenz: Falscher Erwartungsdruck führt oft zu Enttäuschungen

Können, Fähigkeit und Talent sollten nicht mit Liebe oder Leidenschaft verwechselt werden. Wir können gut in einem Job sein, auch wenn wir ihn „nur“ mögen, gut ausgebildet sind und über Talent verfügen. Arbeitszufriedenheit bedeutet deshalb nicht in jedem Fall, einem Beruf nachzugehen, der perfekt ist und in den wir zwangsläufig vernarrt sind, weil etwas Distanz sogar hilfreich sein kann, um Arbeit auch Arbeit sein zu lassen. Die Erwartung, Liebe empfinden zu müssen, löst Druck aus und führt oft zu Enttäuschungen.

Kein Job dieser Welt, so heiß und innig wir ihn lieben (wollen) und so hart wir arbeiten, kann uns nachhaltig Trost spenden. Es sind vielleicht die Menschen im Job – oder unsere Liebsten außerhalb der Berufswelt, die uns bei Schwierigkeiten emotional zur Seite stehen.

Um zu Konfuzius und Tim Cook zurückzukommen: Es trifft für viele nicht zu 100 Prozent zu, dass wir „keinen Tag mehr in unserem Leben“ arbeiten müssen, wenn wir unserem Job passioniert nachgehen. Aber es stimmt, dass ein Job, der harte Arbeit bedeuten kann, wesentlich angenehmer ist, wenn wir ihn mögen.

Bild: IMAGO / ZUMA Press