Wer seinen Job liebt, bleibt? Ein Trugschluss: Studien zeigen, dass sich auch zufriedene Arbeitnehmer nach neuen Jobs umsehen.

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Es scheint paradox: Deutsche Arbeitnehmer sind heute laut Avantgarde Experts (Studie: Arbeitszufriedenheit 2023) mit ihrem derzeitigen Arbeitsplatz zufriedener als je zuvor. Im Jahr 2022 seien demnach rund 68 Prozent der Umfrageteilnehmer mit ihren aktuellen Arbeitgebern glücklich gewesen. Im Jahr 2023 sollen es schon 79 Prozent sein. Gleichzeitig steigt die Wechselbereitschaft der deutschen Arbeitnehmer stetig an.

Die Zahl der Bleibewilligen ist von 82 Prozent auf 62 Prozent gesunken. Immer mehr Berufstätige schauen sich aktiv nach neuen Stellen um und bewerben sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bei anderen Unternehmen.

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Dass auch zufriedene Fachkräfte bereit sind, diesen Schritt zu gehen, zeigte bereits eine frühere StepStone-Untersuchung (Studie: Jobsuche im Fokus). Demnach suchte knapp jede vierte Fachkraft, die mit ihrem Job eigentlich zufrieden war, einen neuen Arbeitgeber.

Warum schauen sich zufriedene Arbeitnehmer nach neuen Jobs um?

Für deutsche Arbeitgeber ist das angesichts des Fachkräftemangels eine bittere Pille. Zwar zeigt die steigende Jobzufriedenheit, dass Unternehmen auf dem richtigen Weg sind und die Bemühungen dieser fruchten. Denn immer mehr Firmen legen Wert auf Mitarbeiterorientierung. Dennoch genießen Arbeitnehmer heute eine größere Wahlfreiheit und können so – auch wenn sie sich in einer guten Position befinden – schneller den Job wechseln.

Laut StepStone schauen sich über 80 Prozent der Fachkräfte in regelmäßigen Abständen nach neuen Möglichkeiten um. Damit sind nur 20 Prozent der Arbeitnehmer ihren Arbeitgebern tatsächlich „treu“.

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Warum aber wollen Mitarbeiter trotz hoher Jobzufriedenheit vielleicht die aktuelle Stelle aufgeben? Erreicht die Arbeitszufriedenheit zum Beispiel einen Wert von 90 Prozent, ist dies zwar hoch. Die restlichen Prozente können jedoch ausschlaggebend sein, um sich doch nach anderen potenziellen Arbeitgebern umzuschauen. Mögliche Gründe:

1. Ein Jobwechsel bietet frische Karriereperspektiven mit besserer Position

Manchmal ist ein Jobwechsel trotz hoher Zufriedenheit der einzige Weg, um ein noch höheres Karrierelevel zu erreichen. Kündigt ein Arbeitnehmer, bedeutet es deshalb nicht unbedingt, dass dieser mangels Jobzufriedenheit das Handtuch schmeißt. Ergeben sich auf diese Weise Karrierechancen, ist es sogar wichtig, dann und wann die Stelle zu wechseln.

Eine Kündigung seitens der Arbeitnehmer wird heute deshalb nicht automatisch mit dem Scheitern eines Jobs gleichgesetzt. Im Gegenteil: Wer eine größere Herausforderung sucht, um eigene Fähigkeiten und Skills weiterzuentwickeln und besser einsetzen zu können, verfügt über ein hohes Maß an Selbstreflexion, Mut und Lernwillen.

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2. Der Job ist toll, das Umfeld weniger

Ein weniger geeignetes Umfeld muss nicht automatisch bedeuten, den eigenen Job nicht zu mögen. Eine Korrelation ist jedoch wahrscheinlich. Denn immer mehr Arbeitnehmern ist das „soziale Miteinander“ wichtig. Haben diese vor einigen Jahren ein toxisches Arbeitsumfeld noch hingenommen, wenn das Geld und die Arbeit ansonsten stimmten, sind viele heute nicht mehr bereit, dies zu tun.

Trotz hoher Jobzufriedenheit mit sinnvollen Aufgaben und Spaß an der Arbeit ist es deshalb möglich, dass Angestellte sich nach neuen Stellen umschauen. Zu einem guten Arbeitsumfeld gehören ein gesundes Arbeitsklima, ein wertschätzender Umgang unter Kollegen, eine einladende Pausenkultur sowie eine tolerante Fehlerkultur.

3. Arbeitnehmer schätzen ihre Chancen für mehr Gehalt bei neuen Arbeitgebern höher ein

Statt eines Arbeitgebermarktes existiert längst ein Arbeitnehmermarkt, der es für Fachkräfte möglich macht, Bedingungen zu stellen. Laut Avantgarde Experts sei der Studie nach vor allem Geld ausschlaggebend für die Zufriedenheit von Arbeitnehmern, wie die aktuelle Befragung zeigt: Mit 62 Prozent landete der Punkt „Gehalt“ als Zufriedenheitsfaktor auf dem ersten Platz. Möglich ist eine höhere Wechselbereitschaft deshalb auch, weil der Marktwert von Fachkräften angestiegen ist und somit auch die Chancen steigen, bei potenziellen Arbeitgebern mehr Geld auszuhandeln.

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Weigern sich Arbeitgeber, dem Wunsch nach mehr Lohn und Gehalt nachzugeben, ist es deshalb auch wahrscheinlich, dass zufriedene Mitarbeiter sich ebenfalls nach neuen Jobchancen mit attraktiveren Konditionen umschauen.

4. Mitarbeiter haben ihre Karriereziele erreicht

Beförderung bekommen, hohe Karrierestufe erreicht, mehr Geld verdient: Eigentlich läuft alles rund. Dennoch ist es möglich, dass das Erreichen der eigenen Ziele auch das Ende einer persönlichen Reise bedeutet. Laut Avantgarde Experts verspüren 42 Prozent der Befragten mittlerweile eine Unterforderung im Job. Auch wenn der Arbeitgeber prima ist und das Arbeitsklima passt, ist es deshalb möglich, dass das Fehlen der Herausforderung zum Jobkiller wird.

Wer sich nach mehr Herausforderung sehnt, etwa nach einer fachlichen Weiterentwicklung, wird deshalb aktiv nach neuen Chancen schauen. Zufriedene Mitarbeiter werden deshalb – trotz ihrer guten Position – keine Möglichkeit ungenutzt lassen, um beruflich noch weiter wachsen zu können.

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5. Arbeit und Kollegen sind spitze – die Führungskultur aber nicht

Wir können zufrieden zur Arbeit gehen, wenn wir uns auf unsere Kollegen und das neue Arbeitsprojekt freuen. Geistert uns unsere Beziehung zum Chef im Hinterkopf herum, weil etwas nicht in Ordnung ist, kann dies jedoch Wechselbereitschaft auslösen.

Führungskräfte werden immer häufiger zum Grund, den Arbeitsplatz zu wechseln. Vor allem jüngere Fachkräfte und Arbeitnehmer sind eher bereit, einen tollen Job zu kündigen, wenn sie merken, dass sie trotz einer grundsätzlichen Zufriedenheit eigentlich mit der vorherrschenden Führungskultur nicht einverstanden sind.

6. Der Jobwechsel hat familiäre/persönliche Gründe (zum Beispiel: Umzug)

Zu guter Letzt bleibt zu erwähnen, dass nicht immer ein direkter Zusammenhang zwischen Jobzufriedenheit und Jobwechsel besteht. Müssen Arbeitnehmer zum Beispiel aufgrund eines Umzugs ihre Stelle aufgeben, etwa wegen der Verwirklichung des Traums vom Eigenheim, ist dies ebenfalls ein guter Grund, trotz Jobzufriedenheit eine neue Stelle suchen zu müssen.

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Going with the flow: Häufige Jobwechsel haben eine eigene Kultur

Nun könnte man meinen, die Entwicklung, dass sogar zufriedene Arbeitnehmer ihren Arbeitgebern nicht unbedingt treu sind, negativ werten zu müssen. Dem ist jedoch nicht so. Denn auch eine Kultur des Jobhoppings, die je nach Arbeitnehmer mal weniger stark und mal stärker ausgeprägt ist, ist heute nicht ungewöhnlich und Teil der New-Work-Ära.

Die Neugier nach Neuem, der Wunsch, persönlich zu wachsen und die Erkenntnis, dass Arbeitnehmer einen höheren Marktwert haben, als ihnen zugestanden wird, hat diese Entwicklung verstärkt. Hohe Arbeitszufriedenheit und Wechselbereitschaft funktionieren aus diesen Gründen gut zusammen und schließen sich, auch wenn es zunächst paradox klingt, nicht automatisch aus.

Jobfrust: Wechselbereitschaft in Deutschland ist grundsätzlich hoch

Nach aktueller Studienlage denkt ein Großteil der deutschen Arbeitnehmer grundsätzlich über einen Jobwechsel nach. Die meisten von ihnen möchten zu neuen Ufern aufbrechen, weil sie sich nach einer besseren Führungskultur, mehr Geld, einem besseren Arbeitsklima oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehnen. Während die Wechselbereitschaft zufriedener Arbeitnehmer eher überrascht, ist die generelle Bereitschaft unzufriedener Mitarbeiter aus den genannten Gründen keine Überraschung.

Häufige Gründe für eine höhere Wechselbereitschaft auf einen Blick:

Tipp: Ein Jobwechsel will dennoch gut überlegt sein. Haben häufige Stellenwechsel zum Beispiel den Hintergrund, dass Verträge übereilt unterschrieben werden und sich dann erneut Unzufriedenheit einstellt, könnte auch ein Branchenwechsel helfen. Stellen für Quereinsteiger werden häufig ausgeschrieben und die Möglichkeiten, sich fachlich weiterzubilden und umzuorientieren, sind heute größer denn je.

Bild: Pinkypills/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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