Der Nettolohn wird schrumpfen: Schon ab Juli 2023 müssen viele Arbeitnehmer mit weniger Geld rechnen.

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Inhalt
1. Warum sinkt der Nettolohn?
2. Wer bekommt ab Juli 2023 weniger Geld?
3. Wie sieht die Staffelung der Beiträge zur Pflegeversicherung aus?
4. Wieso zahlen Kinderlose mehr Geld für die Pflegeversicherung?
5. Warum wird die Pflegeversicherung angepasst?
6. Kritik: Kolumnist beschreibt Änderungen als „Diskriminierung bei Kinderlosigkeit“
7. Für Arbeitnehmer: Wie rechne ich mein neues Nettogehalt aus?
8. Was müssen Arbeitnehmer jetzt außerdem beachten?

Warum sinkt der Nettolohn?

Ab Sommer 2023 verändern sich die Gehälter und Löhne bundesweit. Bereits ab Juli werden viele deutsche Arbeitnehmer weniger Nettogehalt bekommen. Bei anderen wird der Auszahlungsbetrag wiederum steigen. Hierfür verantwortlich ist der veränderte Beitragssatz, den Versicherte der Pflegeversicherung zahlen müssen. Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern werden Monat für Monat automatisch vom Bruttogehalt abgezogen, sodass Beschäftigte die Folgen für ihre Netto-Auszahlung erst bei Veränderungen der Beitragssätze auf dem Konto zu spüren bekommen.

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Wer bekommt ab Juli 2023 weniger Geld?

Betroffen sind Arbeitnehmer mit einem Kind und Kinderlose. Weil der Beitragssatz für die Pflegeversicherung auf insgesamt 3,4 Prozent für Arbeitnehmer mit Kind bzw. auf 4,0 Prozent für Kinderlose ansteigt, fällt das, was tatsächlich auf dem Konto der Arbeitnehmer landen wird, niedriger aus. Der zu zahlende Zuschlag für alle, die keine Kinder haben, beläuft sich demnach auf 0,6 Prozent.

Arbeitnehmer mit zwei bis fünf Kindern werden hingegen sparen: Für sie sinkt der Beitragssatz je Kind um 0,25 Prozent. Sobald Kinder jedoch das 25. Lebensjahr erreichen, gilt die Regelung für die Senkung um 0,25 Prozent nicht mehr.

Wie sieht die Staffelung der Beiträge zur Pflegeversicherung aus?

Arbeitgeber übernehmen stets einen Teil der Beitragszahlung zur Pflegeversicherung, der sich auf 1,7 Prozent beläuft. Folgende neue Beitragssätze für Arbeitnehmer sind ab Juli 2023 gültig:

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  • Kinderlose Arbeitnehmer: Der Beitragssatz beträgt 4,0 Prozent
  • Arbeitnehmer, die 1 Kind haben: Der Beitragssatz beträgt 3,4 Prozent
  • Arbeitnehmer, die 2 Kinder haben: Der Beitragssatz beträgt 3,15 Prozent
  • Arbeitnehmer, die 3 Kinder haben: Der Beitragssatz beträgt 2,90 Prozent
  • Arbeitnehmer, die 4 Kinder haben: Der Beitragssatz beträgt 2,65 Prozent
  • Arbeitnehmer, die 5 Kinder haben: Der Beitragssatz beträgt 2,40 Prozent

Wieso zahlen Kinderlose mehr Geld für die Pflegeversicherung?

Die Staffelung der neuen Beitragssätze soll vor allem die Familien entlasten, die mehrere Kinder haben. Dass Kinderlose mehr zahlen, ist auf dem Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Versicherungen zurückzuführen.

Das Urteil zur finanziellen Entlastung kinderreicher Familien hatte das Bundesverfassungsgericht zuvor gefällt. Demnach sei die Tatsache, dass sich der Beitragssatz von Menschen mit und ohne Kindern nicht unterscheide, mit dem Grundgesetz schlichtweg nicht vereinbar. Hierbei sei vor allem die Zahl der Kinder zu berücksichtigen, weil die Belastung für Eltern mit jedem Kind steige.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte die Änderungen mit den Worten an, dass die Pflegeversicherung auf „mehr Geld“ angewiesen sei und andernfalls immer mehr Menschen mit Kindern vom Sozialamt leben müssten. Vor allem Ältere, die viele Jahre gearbeitet haben, hätten dies, so Lauterbach, nicht verdient.

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Warum wird die Pflegeversicherung angepasst?

In der sozialen Pflegeversicherung existieren, ähnlich wie bei den Krankenversicherungen, finanzielle Defizite, während die Kosten für die Pflege stetig ansteigen. Denn immer mehr Deutsche sind hierzulande auf Pflege angewiesen. Schon im Jahr 2022 betrug das Defizit der Pflegeversicherung insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Um das Minus auszugleichen und die Stabilität insgesamt zu erhöhen, plant das Bundesgesundheitsministerium (BGM) umfassende Änderungen. Die Anpassung des Beitragssatzes soll der Pflegeversicherung nun jedes Jahr zusätzlich 6,6 Milliarden Euro einbringen.

Kritik: Kolumnist beschreibt Änderungen als „Diskriminierung bei Kinderlosigkeit“

Autor und Pfleger Ricardo Lang, der seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit auf Pflegemissstände aufmerksam macht, betrachtet die Entwicklung kritisch: Mit der Aussage Lauterbachs sei der Kolumnist der Berliner Zeitung einverstanden, aber für Menschen ohne Kinder sei die Lösung nur ein „Schlag ins Gesicht“. Denn Kinderlosigkeit, so Lang, basiere nicht immer auf Freiwilligkeit.

Auch die, die keine Kinder hätten, seien Teil der Solidargemeinschaft und leisteten demnach ihren Beitrag zur Gesellschaft. Um Versicherungen finanziell zu erleichtern, könne es aufgrund der Kategorisierung von Menschen zu Schwierigkeiten kommen.

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Bereits die Ankündigung, dass Kinderlose mehr Geld zahlen sollten, sorgte in der Vergangenheit für Kritik, so zum Beispiel von FDP und Grünen. Nicole Westig (FDP) äußerte hierzu, dass es „nachvollziehbar“ sei, wenn sich Menschen, die keine Kinder hätten, ungerecht behandelt fühlten.

Für Arbeitnehmer: Wie rechne ich mein neues Nettogehalt aus?

Für Arbeitnehmer wird sich ihr Lohn nun ändern. Wie aber kann der neue Auszahlungsbetrag berechnet werden? Zahlreiche kostenlose Online-Gehaltsrechner boten Arbeitnehmern bisher die Möglichkeit, sich ihre Netto-Auszahlung automatisch mit wenigen Angaben, etwa zum Familienstatus, ausrechnen zu lassen.

Obwohl dies auch weiterhin möglich ist, müssen Beschäftigte beachten, dass die Änderung des Beitragssatzes erst ab Juli 2023 gilt und dementsprechend noch nicht alle Rechner angepasst worden sind. Wer ein sicheres Ergebnis erhalten will, sollte sich an den Beitragssätzen der Sozialversicherungen und Beispielrechnungen orientieren oder abwarten, bis die Rechner aktualisiert worden sind.

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Was müssen Arbeitnehmer jetzt außerdem beachten?

Die eigenständige Prüfung des Gehaltszettels ist weiterhin empfehlenswert. Arbeitnehmer sollten vor allem folgende Informationen prüfen, um falsche Angaben oder Daten rechtzeitig korrigieren zu lassen:

  • Angaben zum Bruttogehalt
  • Angaben zum Auszahlungsbetrag (Nettogehalt oder -lohn)
  • Sozialversicherungsbeiträge
  • Steuerkategorie

Im Zweifelsfall können Profis vom Fach weiterhelfen. Ein Beratungsgespräch beim Steuerberater kann hilfreich sein, um offene Fragen zu klären. Fallen Unstimmigkeiten auf, sollten Arbeitnehmer zur Anpassung grundsätzlich einen schriftlichen Antrag stellen.

Bild: Turn around around/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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