Lebenskrisen, etwa durch eine Scheidung verursacht, bleiben nicht in den eigenen vier Wänden. Oft tragen wir die schwere Last bis in die Büroräume unserer Arbeit.

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Hollywoodstar Johnny Depp sowie Ex-Ehegattin und Schauspielerin Amber Heard haben erst kürzlich einen Gerichtsprozess hinter sich gebracht, der es in sich hatte. Depp würdigte Heard keines Blickes. Die US-Amerikanerin brach hingegen in Tränen aus, während sie ihre Perspektive schilderte. Es ging um Verleumdung, häusliche Gewalt, Drogen. Wegen der Vorwürfe seiner Ex soll Depp aus dem „Fluch der Karibik“-Franchise gekickt worden sein. Die Rolle als Captain Jack Sparrow gehörte zu seinen erfolgreichsten.

Wer prominent ist, sich scheiden lässt und die Schlammschlacht öffentlich austrägt, muss damit rechnen, dass Deals platzen werden. Wenn die Presse mitmischt und vermeintliche Insider die Gerüchteküche anheizen, bleibt kaum einer verschont. Werbepartner:innen werden abspringen. Fans werden sich abwenden. Die Karriere wird es hart treffen.

Fernab von Hollywood leiden aber auch „normale“ Beschäftigte unter einer Trennung – denn im Berufsalltag kann eine solche Krise kaum Berücksichtigung finden. Sie verursacht seelische Schmerzen und Stress, wenn beispielsweise Kinder, Geld und Haus im Spiel sind. Wie soll es weitergehen? Wer zieht aus, wer bleibt? Wie steht es um den gemeinsamen Nachwuchs? Wie werden Anwalts- und Gerichtstermine verlaufen?

Wie wir den Scheidungskonflikt mit auf die Arbeit nehmen

Wer einige Nächte im Bett weint, schlaflos bleibt und am nächsten Morgen stets mit einem verquollenen Gesicht auf der Arbeit erscheint, wird die ersten neugierigen Blicke auf sich ziehen. Mitleidige Gesichter und Beileidsbekunden lassen nicht lange auf sich warten. „Es wird schon wieder!“, das werden Betroffene jetzt häufiger hören. Überrascht nur wenig.

So weit, so gut. Zum Problem wird es nur, wenn unser privater Scheidungskonflikt sich auf die Arbeit auswirkt. Denn „private Belange“ sollten weder die eigene Arbeitsleistung noch die der Kolleg:innen belasten.

Folgen der Krise können sein, dass wir

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  • unproduktiver sind,
  • Konzentrationsprobleme haben,
  • in Tagträume versinken,
  • schnell reizbar sind,
  • Aufgaben vergessen,
  • Meetings verpassen,
  • uns nicht an Abmachungen halten,
  • Kolleg:innen und deren Zeitplanung ebenfalls durcheinanderbringen.

Darf ich mir eine Auszeit nehmen?

Der Gedanke an eine Auszeit ist für viele Betroffene zunächst eine nahestehende Lösung. Wenn Ehepartner:innen versterben, haben wir die Möglichkeit, uns auf § 616 (BGB) zu berufen. So besteht die Möglichkeit, sich für einige Zeit freistellen zu lassen und zugleich den Anspruch auf Lohnfortzahlung zu wahren. Der Kummer und der volle Kopf nach einer Scheidung sind jedoch kein Grund dafür – und deshalb müssen wir diese Pille, so bitter sie auch sein mag, schlucken und eigentlich auf der Arbeit erscheinen.

So schleppen wir uns samt Konflikt ins Büro. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir unsere Karriere damit gefährden: Manchmal reißt uns der Kummer so um, dass wir kaum fähig sind, zu arbeiten. Am liebsten möchten wir den Job schmeißen, für immer im Bett bleiben und uns nie wieder draußen blicken lassen. Kurzfristig könnte eine Krankschreibung wegen psychischer Belastung helfen. Aber: Was kommt danach?

Wie damit umgehen, um die Karriere nicht zu beeinträchtigen?

Setze deinen Job nicht aus dem Affekt heraus aufs Spiel, wenn du dich in einer Krisensituation befindest. Auch wenn es sich wie ein Befreiungsschlag anfühlen könnte, hält das Gefühl meist nicht lange an.

Besser: Sprich deine Vorgesetzten direkt an, um Möglichkeiten abzuwägen. Ist es zum Beispiel realistisch, beschäftigt zu bleiben, aber für eine Weile von großen Projekten zurückzutreten, um den Kopf freizubekommen und durchzuatmen? Vielleicht erklärt sich jemand aus dem Team bereit, die Aufgaben temporär zu übernehmen.

Zudem hilft es, Teamkolleg:innen kurz einzuweihen, um diese nicht zu irritieren. Denn häufig kann es zu einem seltsamen Beigeschmack im Teamwork kommen, wenn wir uns (ohne sichtbaren Grund) schnell überfordert, gereizt und genervt fühlen. Nach einer Aufklärung wissen alle Bescheid – und Missverständnisse werden geklärt. Das Gespräch sollte idealerweise nicht während der eigentlichen Arbeitszeit stattfinden. Mögliche Optionen für ein gutes Timing sind der Feierabend oder der gemeinsame Lunch.

Scheidung kann manchmal sogar positiv für die Karriere sein

Wie die „Stiftung Deutsche Depressionshilfe“ betont, diene unsere Arbeit grundsätzlich als eine Art Schutzfaktor, wenn wir psychisch leiden und an einer Depression erkranken. Die Vorteile seien demnach vor allem der Austausch mit Kolleg:innen, also der soziale Aspekt. Auch eine klare Tagesstruktur, die unter anderem unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst, wirke sich positiv aus, wenn Betroffene eine harte Zeit durchleben.

Beziehen wir die Scheidung auf unsere weitere Karriere, kann sie manchmal sogar eine Chance und Ablenkung sein, um sich mehr um den Beruf zu kümmern und persönliche Ziele voranzubringen. Einige konkrete Beispiele im Überblick:

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  • Ortsunabhängigkeit: Sofern es keine gemeinsamen Kinder gibt, können wir nach einer Trennung ortsunabhängiger werden und neue Karrierechancen wahrnehmen, auf die wir bisher verzichtet haben.
  • Mehr Zeit: Es gibt niemanden, der auf uns wartet, um sich über unsere Überstunden zu beschweren. Wer sich bisher eingeschränkt hat, um einen Kompromiss zu erfüllen, kann die Verantwortung jetzt ablegen – und sich auch zeitlich voll und ganz der Karriere widmen.
  • Mehr Mut: Wer in seiner Komfortzone gelebt hat, kann die Scheidung als Anlass nehmen, um persönlich und beruflich etwas auszubrechen und so neuen Mut für ungewöhnliche Karrierewege zu gewinnen. Warum nicht einfach mal für diese eine Stelle bewerben, die uns schon immer interessiert hat?

Mit der Karriere als Ablenkung nicht übertreiben

Sich mit dem Beruf abzulenken, ist grundsätzlich eine gute Idee. So steigern wir unser angeknackstes Selbstwertgefühl, wenn wir nach der Scheidung wieder Erfolgserlebnisse feiern. Dennoch verschwindet der emotionale Schmerz nur, wenn wir ihn bearbeiten.

Deshalb ist schnelles Weitermachen keine langfristige Lösung: Beachte, dass es sich beim Rationalisieren um ein kurzfristiges „Coping“ handeln kann, also um eine Bewältigungsstrategie, die in erster Linie der Ablenkung dient. Sie bezieht sich auf die im Jahre 1984 veröffentlichte Theorie des Stressmodells vom Psychologen Richard Lazarus:

Wenn wir in eine schier unkontrollierbare und emotional schwere Stresssituation geraten, bedienen wir uns manchmal einer Strategie der Belastungsverarbeitung, indem wir das Problem rationalisieren, uns ablenken und es gar leugnen. Dieser Prozess beruhige uns in erster Linie selbst. Er ist vergleichbar mit einer Notfallbehandlung.

Die „Wunde“ muss aber eigentlich beobachtet und langfristig gepflegt werden. Kurz gesagt: Unser Beruf wird uns nicht auffangen können, wenn wir nach einer Scheidung emotional am Ende sind. Hilfreicher sind stabile Beziehungen zu Freunden und Vertrauenspersonen, und manchmal, wenn überhaupt nichts mehr geht, auch professionelle Hilfe.

Schon gewusst?

Nicht nur die Scheidung beeinflusst die Karriere. Auch umgekehrt soll die Berufswahl darüber entscheiden, ob eine Ehe geschieden wird. Klingt skurril, wurde aber wissenschaftlich untersucht: Der amerikanische Statistiker Nathan Yau hat die aus dem Jahr 2015 stammenden Daten aus der „American Community Survey“ verwendet, um das herauszufinden. So haben Casino-Manager:innen, Barkeeper:innen und Flugbegleiter:innen die höchsten Scheidungsquoten. Bei diesen Berufsgruppen liege die Quote demnach bei jeweils über 50 Prozent.

Bildnachweis: MagMos/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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