Ob Beförderung oder Bewerbung: Arbeitgeber würden in Stereotypen denken, so Sozialforscher Ruud Koopmanns. Deshalb ist Sensibilisierung notwendig.

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Was heißt es, stereotype Urteile zu haben?

„Typisch Mann.“ Oder: „Die Jugend von heute!“

Laut Glassdoor wünschen sich knapp 67 Prozent der Bewerber Diversität. Stereotype sind dennoch omnipräsent. Auch in der Arbeits- und Geschäftswelt und vor allem unter Führungskräften, wenn sie Entscheidungen treffen müssen.

Sie sind eigentlich sogar wichtig, wie Prof. Dr. Juliane Degner von der Universität Hamburg (Institut für Psychologie) erklärt. Die Sozialpsychologin betont: Nicht erst im Erwachsenenalter beginnen wir mit der Kategorisierung von Menschen, sondern schon in unseren ersten Lebensjahren. Das sei wichtig, um nicht orientierungslos durch die Welt zu gehen, weil wir darauf angewiesen sind, auf Basis unserer Kenntnisse Entscheidungen zu treffen.

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Weil es so ist, handelt es sich um einen unterbewussten Prozess und nicht um ein willentlich herbeigeführtes Denkmuster. Gelernte Rollenmuster haben jedoch einen Einfluss. Stereotype verfolgen dabei das primäre Ziel der Vereinfachung: Alles, was komplex erscheint, soll simpel werden. Durch die Typisierung ordnen wir ein.

Dem stehen Vorurteile und Klischees jedoch gegenüber – die abgewandelten Formen des Stereotypen, weil sie vergleichsweise unreflektiert entstehen. Werden Stereotype nicht hinterfragt, können sie deshalb zum Problem werden.

Worauf beziehen sich Stereotype?

Kategorisieren wir Menschen anhand folgender kultureller, biologischer oder sozialer Merkmale, handelt es sich zum Beispiel um Stereotype:

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  • ethnische Herkunft und Nationalität
  • beruflicher Status
  • Aussehen (Kleidungsstil, Haarstil)
  • Geschlecht
  • Alter

Während Vorurteile und Klischees sich auch auf Situationen beziehen können, haben Stereotype stets direkt mit Personen oder einer Gruppe von Personen zu tun. Der entscheidende Unterschied ist jedoch die negative Besetzung. Nicht immer müssen Stereotypen eine bestimmte Menschengruppe schlecht darstellen, weil der Vorgang unterbewusst abläuft, wohingegen Vorurteile, die sich manchmal durch das Vorhandensein von Stereotypen ergeben können, durchaus auf negative Aspekte abzielen.

Forschung: Arbeitgeber nutzen stereotype Urteile für Personalentscheidungen

Je größer unsere Wertedistanz zu einer bestimmten Personengruppe, die wir selbst kategorisieren, desto kritischer wird es, so Sozialforscher Prof. Dr. Ruud Koopmans. Er hat das Phänomen der Stereotypen mit seinem Forschungsteam untersucht. Etwa 5.800 fiktive Bewerbungen an Unternehmen kamen hierbei zum Einsatz, welche empirisch ausgewertet werden konnten.

Der niederländische Wissenschaftler, welcher an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, kommt zum Schluss: Arbeitgeber treffen ihre Entscheidungen auf Basis ihrer stereotypen Urteile. So spielten kulturelle Merkmale, Geschlecht und Bildungsniveau eine Rolle, welche zu Fehlschlüssen führen können. Führungskräfte sind sich jedoch nicht immer über ihr oft diskriminierendes Verhalten bewusst.

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Tagtäglich fließen also stereotype Urteile bei Personalentscheidungen oder etwa bei der Frage nach einer Beförderung ein, ohne dass wir bewusst Einfluss darauf nehmen. Hinterfragen wir unsere Gedanken und Urteile jedoch nicht, um auszuschließen, dass wir urteilend in Schubladen denken, kann eine solche Art des Denkens zu Fehlentscheidungen führen.

Kurz: Stereotype werden gefährlich, wenn sie sich zu festgefahrenen Vorurteilen entwickeln. Dies geschieht beispielsweise, wenn wir unreflektiert Entscheidungen treffen, uns anderen Kulturen, Normen und Andersartigkeiten gegenüber verschließen, Klischee-Denken von anderen übernehmen und ignorant durch die Welt gehen.

Mögliche Folgen:

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  • Diskriminierung: Personalentscheidungen beruhen nicht auf dem tatsächlichen Potenzial eines Bewerbers, sondern auf vorgefertigten Urteilen einer bestimmten Person gegenüber.
  • Keine Chancengleichheit: Menschen, die einer sozialen oder kulturellen Minderheit angehören, werden diskriminiert und vorverurteilt, ohne sich beweisen zu können.
  • Unternehmen schaden sich selbst: Systematische Ablehnungen in Bewerbungsverfahren können Unternehmen ihren Ruf und auch ihre Wettbewerbsfähigkeit kosten, weil immer Menschen diverser Herkunft (Geschlecht, Kultur, Alter) auf den Arbeitsmarkt strömen.

Stereotype auf Führungsebene: Vor allem Frauen kämpfen

Führungsetagen sind bis heute eine Männerdomäne – ein statistisch belegbarer Fakt (und kein Vorurteil), weil Frauen noch immer unterrepräsentiert sind. Deshalb haben weibliche Beschäftigte in der Berufswelt mit geschlechtsspezifischen Stereotypen zu kämpfen. So heißt es oft, sie seien „zu sensibel“, um führen zu können. Dies ist ein klassisches Beispiel für Geschlechterstereotype, mündend in einem sich hartnäckig haltendem Vorurteil, welches teils auf gesellschaftliche Einflüsse und Prägungen zurückgeht.

Unabhängig von Geschlecht, religiöser Zugehörigkeit oder ethnischen Unterschieden: Nicht nur auf Führungsebene, sondern auch unter Mitarbeitern können Vorurteile, die auf Stereotypen basieren, zu Distanz, Vertrauensproblemen und fehlendem Zugehörigkeitsgefühl führen.

Wie können Unternehmen sensibilisieren?

„Diversity Management“ ist vor allem in Personalabteilungen ein zunehmend wichtiger Baustein, welcher vor allem strategisch eingesetzt wird. Gemeint ist damit die Sensibilisierung und Förderungen von Vielfalt. Nicht nur, um niemanden zu benachteiligen, sondern auch, um das Potenzial verschiedener Arbeitnehmer zu nutzen, die unterschiedliche Stärken und Erfahrungen mitbringen und so das Team bereichern.

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Angesichts der Internationalisierung der Arbeitswelt und des demografischen Wandels ist Diversity Management deshalb fester Bestandteil der Unternehmen, die wissen, dass der Wettbewerb globaler und die Arbeitskräfte diverser werden. Ob sozialer Status, sexuelle Orientierung oder Geschlecht – Vorurteile sollen abgebaut werden, um Chancengleichheit zu schaffen.

Um Führungskräfte, Personalentscheider und Mitarbeiter zu sensibilisieren, ist vor allem die klare Wertvermittlung notwendig, um zu zeigen, wie ein Unternehmen zum Thema Diversität steht. So muss es für das Auswahlverfahren von Bewerbern beispielsweise transparente und eindeutige Kriterien geben, die zeigen, auf welcher Basis Entscheidungen getroffen werden.

Auch ein klares Statement zum Thema Diskriminierung kann hilfreich sein, um die Arbeitgebermarke zu stärken und Bewerber darin zu ermutigen, sich bei einem Unternehmen vorzustellen. Denn Betroffene, die zum Beispiel einer Minderheit angehören, sehen sich aufgrund ihrer Erfahrungen oft in dem bestätigt, was sie bisher erlebt haben – und trauen sich nicht immer, eine Bewerbung abzuschicken.

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Austausch, Seminare, Aufklärung: Wichtig ist, Möglichkeiten zu schaffen

Eine bewusste Auseinandersetzung mit Stereotypen und Vorurteilen kann für Gesprächsstoff sorgen, aber auch zu Konflikten führen. Dennoch ist es vor allem in der heutigen Berufswelt unabdingbar, soziale, kulturelle, religiöse oder geschlechtsspezifische Merkmale und Unterschiede als Diskriminierungsfaktor nicht unter den Tisch zu kehren, sondern zu thematisieren.

Offene Gespräche, Rollenspiele in Seminaren, der Austausch untereinander, Wertarbeit und Sensibilisierung tragen so dazu bei, dass sowohl Unternehmen als auch ihre Mitarbeiter profitieren. Auch angesichts des immer stärker werdenden Generationskonflikts zwischen Älteren und Jüngeren ist es ebenfalls wichtig, Differenzen zu kennen, diese aber auch nicht zum Anlass zu nehmen, um noch mehr Distanz zu schaffen, sondern um mehr Konsense zu finden.

Wie wirkt sich erfolgreiches Diversity Management aus?

Für Unternehmen kann eine erfolgreiche Umsetzung ihres Diversity Managements ein erheblicher Wettbewerbsvorteil sein. Auch Teams, Mitarbeiter und Kunden profitieren:

1. Bessere Entscheidungsprozesse

Weil unterschiedliche Perspektiven in wichtige Entscheidungsprozesse einfließen, werden Resultate vielfältiger und weniger eindimensional ausfallen. Dies gilt für Personalentscheidungen, innerbetriebliche Prozesse und Teamarbeit. So ist es möglich, Optimierungen vorzunehmen.

2. Verbesserter Kundenservice

Menschen, die heute Waren und Dienstleistungen beanspruchen, können nicht über einen Kamm geschert werden. Die Bevölkerung ist deutlich diverser als noch vor einigen Jahren. Die Sensibilisierung hilft, besser auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen und damit auch Produkte und Dienstleistungen zu verbessern.

3. Mehr Innovation und Erfolg

Unternehmen wachsen, wenn sie erfolgreich expandieren können, innovativ sind und kreativ bleiben. In einem Umfeld, in dem ohne Vorurteile gearbeitet werden kann, gibt es mehr Raum für diese wichtigen Faktoren. Ein erfolgreiches Diversity Management bietet deshalb mehrere Vorteile für Unternehmen.

4. Stärkere Mitarbeiterbindung

Weil vor allem jungen Nachwuchskräften nachgesagt wird, vorurteilsfreier, internationaler und weltoffener aufzuwachsen als ältere Generationen, wünschen diese sich von künftigen Arbeitgebern genau diesen Benefit: Sie möchten für Unternehmen arbeiten, die sich bewusst für Vielfältigkeit einsetzen. Wer neue Arbeits- und Fachkräfte überzeugen und auch binden will, setzt sich deshalb mit Stereotypen und der eigenen Unternehmensrealität auseinander.

Bild: CSA Images/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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