„Unlimited Vacation Policy“, ein Traum vieler Arbeitnehmer und kein Scherz: Wer für Arbeitgeber mit dieser Regelung arbeitet, genießt unbegrenzte Urlaubstage.

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Wir alle brauche mehr Urlaub, mehr Erholung, mehr Entspannung. Denn Arbeitnehmer werden künftig länger arbeiten müssen, bis sie in die Rente dürfen. Und sie müssen einen großen psychischen Druck aushalten, um dem Leistungsterror der heutigen Arbeitswelt standhalten zu können. Überstunden und Mehrarbeit sind tägliche Begleiter, weil viel zu viel Personal fehlt.

Dass Arbeitgeber existieren sollen, die ihren Mitarbeitern unbegrenzte Urlaubstage als Benefit anbieten, klingt in einer solchen Zeit fast zu schön. Aber es ist wahr, es gibt sie. Vor allem junge, moderne Unternehmen zählen zu den großzügigen Arbeitgebern, die eine solche Regelung erlauben. Dazu gehören unter anderem Pinterest, Netflix und Zoom.

Unlimited Vacation Policy“, so lauten Trend und Regelung, die das ermöglichen. Die SHRM Employee Benefits Survey aus dem Pandemiejahr 2020 zeigt, dass zum Zeitpunkt der Umfrage rund 7 Prozent der US-Arbeitgeber bereits unbegrenzte Urlaubstage angeboten haben.

Die große Frage: Brauchen wir wirklich so viel Urlaub, dass es einer solchen Regelung bedarf – oder ist das Unfug? Im Folgenden einige Gedanken dazu, die dafür und dagegen sprechen.

Urlaub ohne Grenzen: Sinn und Unsinn hinter dem Trend

Unbegrenzter Urlaub bedeutet zunächst, sich so viele freie Tage als Arbeitnehmer gönnen zu können, wie wir wollen – ohne Verrechnung, ohne Jahresobergrenze, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, wie wir unsere sonst begrenzten Urlaubstage gut verteilen. Unbegrenzter Urlaub bedeutet in der Praxis also, dass wir flexiblere Arbeitnehmer sind.

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Warum unbegrenzter Urlaub sinnvoll sein kann:

1. Steigerung der Arbeitgeberattraktivität:

Unternehmen befinden sich mitten im Krieg um Talente. Unbegrenzte Urlaubstage wirken anziehend – und können die Aufmerksamkeit potenzieller Arbeitnehmer erregen. Mit einem solchen Angebot kommen Unternehmen vor allem Familien entgegen, die sich nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehnen.

2. Verbesserung der Work-Life Balance:

Viele jungen Arbeitnehmer sehnen sich nach mehr Freizeit und Entspannung als Ausgleich zur Arbeit. Unbegrenzte Urlaubstage könnten eine Antwort auf die Frage sein, wie sich der Faktor Work-Life-Balance verbessern lässt. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, zumindest über eine solche Regelung nachzudenken – vor allem, um mentalen und körperlichen Belastungen durch einen Ausgleich in Form von mehr freier Zeit entgegenzuwirken.

3. Stärkung der Vertrauensbeziehung

Es ist ein Vertrauensvorschuss von Arbeitgebern, wenn sie ihren Mitarbeitern erlauben, sich unbegrenzt viele Urlaubstage zu nehmen. Denn die Arbeit muss dennoch erledigt werden und hängt davon ab, ob Mitarbeiter trotz der Freiheiten ihren Job machen. Führen Unternehmen die Regelung ein, können sie deshalb das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stärken.

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Warum unbegrenzter Urlaub weniger sinnvoll sein kann:

1. Schuldgefühle bei Arbeitnehmern

Wie viele Tage Urlaub sind angemessen? Was ist, wenn ich häufiger als alle anderen fehle? Solche Gedanken könnten Mitarbeiter beschäftigen, wenn sie selbst entscheiden müssen, wie viel Urlaub sie sich gönnen. Oft sind es Schuldgefühle, die eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Deshalb hat unbegrenzter Urlaub, so schön er auch klingen mag, diesen bedeutenden Nachteil. Wer mit Schuldgefühlen in den Urlaub fliegt, wünscht sich vielleicht lieber, dass es eine klare Regelung und Begrenzung geben würde, um sich daran zu orientieren.

2. Gefahr, dass die Regelung missbraucht wird

In der Praxis passiert es bisher selten – doch Unternehmen, die unbegrenzten Urlaub anbieten, setzen sich auch dem Missbrauchsrisiko aus. So könnten Arbeitnehmer die freien Tage nutzen, ohne ihren Job wirklich zu erledigen. Voraussetzung ist deshalb, dass klare Absprachen getroffen werden, die nur wenig Spielraum für Missbrauch lassen.

3. Arbeitnehmer könnten ihr Pensum falsch einschätzen

Um mehr Urlaub nehmen zu können, muss ein gewisses Maß an Arbeit erledigt werden – denn andernfalls könnte alles auf der Strecke bleiben. Die Folge ist, dass einige Angestellte es mit ihrer Arbeit maßlos übertreiben, indem sie beispielsweise 24/7 arbeiten und so automatisch ausbrennen. Dann hilft auch ein Urlaub nicht mehr.

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Wie lässt sich unbegrenzter Urlaub in der Praxis umsetzen?

So schön die Urlaubspolitik in der Theorie auch klingen mag: In der Praxis muss das Modell erst richtig umgesetzt werden. Eine regelmäßige Abstimmung mit der Personalabteilung und dem Team ist wichtig, um Dienstpläne entsprechend planen zu können. Der organisatorische Aufwand könnte zur Herausforderung werden. Personalengpässe könnten zudem auch aus „moralischer“ Sicht etwas ausbremsend auf Arbeitnehmer wirken. Denn das Verantwortungsbewusstsein dem Arbeitgeber gegenüber wächst zumeist, wenn signalisiert wird, dass jeder Mitarbeiter gebraucht wird.

Letztlich hängt die Umsetzung von mehreren Faktoren ab:

1. Feste Regeln einführen

Obwohl der New-Work-Gedanke sich festen, starren Regeln entgegenstellt, braucht eine solche Urlaubspolitik feste Regeln. Denn anders kann unbegrenzter Urlaub nicht funktionieren. Unternehmen, die einen solchen Job-Perk einführen wollen, sind deshalb auch verpflichtet, konsequent zu bleiben, wenn Absprachen verfehlt und Jobziele nicht erreicht werden können.

2. Mindesturlaubstage ansetzen

Wer keine Grenzen nach oben oder unten hat, sollte dennoch aufgefordert werden, einen „Urlaubsminimum“ zu nehmen. Denn: Unternehmen, die ihre Mitarbeiter komplett selbst entscheiden lassen, ob und wie viel Auszeit sie sich gönnen, müssen nicht nur damit rechnen, dass die Urlaubstage missbraucht werden – sondern auch, dass sie gar nicht erst genommen werden.

Urlaub ist jedoch essenziell: Jeder Arbeitnehmer benötigt freie Tage, um gesund und produktiv bleiben zu können. Urlaubsregelungen sollten deshalb keine extremen Formen annehmen.

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3. Regelung nicht nur einführen, sondern vorleben

Damit Mitarbeiter sich trauen, ihren Urlaub zu beanspruchen, müssten auch Führungskräfte bereit sein, sich diesen zu nehmen. Deshalb lautet der dritte Punkt: Achtet darauf, dass keine Kultur des „Messen und Vergleichens“ entsteht. Denn möglicherweise würden Mitarbeiter anfangen, einen Konkurrenzkampf zu führen – ganz nach dem Motto: „Wer braucht weniger Urlaub und schafft es, häufiger anwesend und somit der fleißigere Mitarbeiter zu sein?

Eine alternative Idee: Die 4-Tage-Woche

Nicht ganz so radikal wie die Regelung der unbegrenzten Urlaubstage, aber ebenfalls attraktiv, ist die 4-Tage-Woche, die in einigen europäischen Ländern bereits Anwendung findet. Auch diese Regelung kann zur Verbesserung der Work-Life-Balance und Arbeitnehmerzufriedenheit beitragen. Ob die 4-Tage-Woche in Deutschland eingeführt werden kann, steht in den Sternen: Das Pensum würde sich erhöhen, wenn wir Arbeit von fünf Tagen in vier Tagen schaffen müssten. Dennoch gibt es bereits deutsche Unternehmen, die auf eine kürzere Arbeitswoche umgestiegen sind, um die Work-Life-Balance der Belegschaft zu verbessern.

Wir fassen zusammen

Unbegrenzte Urlaubstage sind in erster Linie ein neuartiger Trend unserer Arbeitswelt. Folgen und Wirkungen deuten sich an, müssen jedoch weiter beobachtet werden. Allen voran sind es junge Unternehmen mit einem ausgeprägten Freiheits- und Flexibilitätsgedanken, die einen solchen Mitarbeiter-Benefit in die Tat umsetzen. Ob er sinnvoll ist? Ja – und nein. Einerseits kann die Sicherheit, sich flexibel freinehmen zu können, beruhigend sein. Andererseits stehen Arbeitgeber vor einigen Herausforderungen, wie etwa die Umsetzung des Trends in die Praxis.

Was jedoch sicher ist: Mehr Entspannung könnten wir alle gebrauchen, um nicht allzu schnell auszubrennen. Und hier bedarf es sicherlich neuer Ansätze wie der Überlegung, mehr Urlaubstage oder flexiblere Arbeitszeitmodelle einzuführen.

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Bildnachweis: Unsplash/Natalia Blauth

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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