Eine verkürzte Arbeitswoche mit unverändertem Gehalt: der Traum vieler Beschäftigten. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen jetzt, ob sich die 4-Tage-Woche rentiert.

Die Forderungen nach einer besseren Work-Life-Balance sowie mehr Flexibilität nehmen stetig zu. Das zeigen unterschiedliche Untersuchungen, zu denen beispielsweise auch die HDI Berufe-Studie 2022 zählt. Eine 4-Tage-Woche wäre für jeden Vierten, der in der Industrie tätig ist, attraktiv. Die Befragten würden sogar einen geringeren Lohn in Kauf nehmen, wenn sie dafür einen Tag weniger arbeiten könnten.

Damit ergeben sich einige Fragen: Kann eine 4-Tage-Woche kommen? Lohnt sie sich überhaupt für Arbeitgeber – oder nur für Beschäftigte? Ist sie flächendeckend in allen Branchen einführbar?

Die kurze Antwort lautet: Es rentiert sich. Das zeigen zumindest die Ergebnisse der ersten großen und international ausgelegten Studie der Initiative „4 Day Week Global“.

Zentrale Studienergebnisse auf einen Blick

Bei der kürzlich erschienenen Studie handelt es sich um ein Pilotprojekt für Unternehmen in unterschiedlichen Ländern, die eine 4-Tage-Woche ausprobieren möchten, ohne Löhne zu kürzen. 4 Day Week Global arbeitet hierfür mit mehreren Forschern zusammen, unter anderem von den Universitäten Boston, Cambridge und Oxford. Die Versuchsphase dauert ein halbes Jahr. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor:

1. Hohe Zufriedenheit: Unternehmen stufen die Erfahrung mit einer 4-Tage-Woche besonders positiv ein. Im Schnitt vergeben sie hierfür 9 von 10 Punkten für das Erlebnis mit diesem neuen Zeitmodell.

2. Teilnehmer bleiben bei der 4-Tage-Woche: Alle Unternehmen, die am Projekt teilgenommen haben, möchten das Modell in Zukunft beibehalten. Das bedeutet, dass keines der Unternehmen zum ursprünglichen System zurückkehren wird.

3. Weniger Fehlzeiten: Während der 4-Tage-Woche haben Beschäftigte nicht so oft gefehlt, wie es zuvor der Fall gewesen war. Die Fehlzeiten haben sich insgesamt reduziert.

4. Stärkerer Umsatz: Vor allem Arbeitgeber dürfte es freuen, dass die Umsatzzahlen während der 4-Tage-Woche gestiegen sind.

5. Weniger Kündigungen, mehr Neueinstellungen: Auch auf die Fluktuationsrate hat die 4-Tage-Woche Auswirkungen. Insgesamt gab es weniger Kündigungen, während gleichzeitig mehr neues Personal eingestellt werden konnte.

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6. Beschäftigte fühlen sich wohler und produktiver: Die Messungen sollen ergeben haben, dass Arbeitnehmer sich während der kürzeren Arbeitswoche insgesamt besser fühlen. Demnach ist die Produktivität gestiegen und auch das Wohlbefinden hat zugenommen. Arbeitgeber berichten von einem höheren Engagement der Beschäftigten.

Vor allem die Ergebnisse, die sich auf den Punkt „Wohlbefinden“ beziehen, können sich zeigen lassen, so der frühere 4 Day Week Global CEO Joe O’Connor. Die Teilnehmer des Pilotprojekts litten zum Beispiel weniger unter

Was sind die Vorteile einer 4-Tage-Woche?

Obwohl die 4-Tage-Woche in Deutschland bisher eher die Ausnahme in Unternehmen bildet, gibt es bereits einige Arbeitgeber, die dem Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität nachkommen. Hierdurch ergeben sich folgende Vorteile:

1. Die Attraktivität der Unternehmen steigt

Vor allem junge Arbeitnehmer der Generation Z, aber auch die Millennials, wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle. Unternehmen, die ihren Beschäftigten eine 4-Tage-Woche anbieten, kommen diesem Wunsch nach und erhöhen so die Jobattraktivität.

2. Die Work-Life-Balance kann verbessert werden

Durch die Einführung einer kürzeren Arbeitswoche ergeben sich mehr freie Zeiträume für private Interessen, Freundschaften, Erholung und die Partnerschaft. Ein längeres Wochenende sorgt so dafür, dass Arbeitnehmer nicht „schuften“ müssen, um sich danach nur zwei Tage erholen zu können. Das Risiko für Stress sowie für gesundheitliche Probleme kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesenkt werden, wenn Beschäftigte nicht jeden Tag auf der Arbeit zu erscheinen haben.

3. Unternehmen profitieren von leistungsfähigeren Mitarbeitern

Wer Zeit hat, um sich vom Arbeitsstress zu erholen, arbeiten üblicherweise produktiver. Dass Arbeitnehmer frischer, ausgeschlafener und motivierter sind, wenn sie ihren Job erledigen, dürfte deshalb auch ein Vorteil für Arbeitgeber sein.

Kürzere Arbeitswoche einführen: Gibt es Nachteile?

Neben den sichtbaren Vorteilen einer verkürzten Arbeitswoche gibt es auch einige Herausforderungen zu beachten. Denn: Weniger Arbeitstage bedeuten nicht automatisch, dass auch weniger gearbeitet wird. Aus einem 8-Stunden-Tag wird zumeist ein 10-Stunden-Tag, um den fehlenden Arbeitstag zu kompensieren. Wird jedoch weniger gearbeitet, ergibt sich die Frage des Lohnausgleichs. Sofern Arbeitgeber diesen nicht bieten, heißt es für Beschäftigte, dass sie am Ende des Monats weniger Geld auf dem Bankkonto haben werden.

Ein Nachteil ergibt sich durch die insgesamt längeren Arbeitstage, weil Überstunden kaum noch zu realisieren wären. So könnten aus einem Tag schnell 12 oder 13 Stunden Arbeit werden, was der Idee einer gesunden Work-Life-Balance nicht gerecht wird. So oder so müssen Arbeitnehmer auf jeden Fall eine Ruhezeit einhalten, nachdem sie Feierabend machen. Diese beträgt insgesamt elf Stunden und darf nicht von einem frühzeitigen Arbeitsbeginn unterbrochen werden.

Wer sich für die Einführung der kürzeren Arbeitswoche entscheidet, sollte zudem beachten, dass der Koordinationsaufwand steigen und die interne Kommunikation anspruchsvoller wird. Das gilt zum Beispiel für die Zusammenarbeit in Gruppen: Teams, deren Mitglieder sich nicht regelmäßig sehen, weil sie an unterschiedlichen Tagen arbeiten, haben einen höheren Aufwand.

Flexibler Arbeiten: Eine flächendeckende Einführung nicht realistisch

Weil die Forderungen von Arbeitnehmer klar in Richtung Flexibilisierung gehen, werden viele Unternehmen, die Personal suchen, diese Forderung bald erfüllen müssen. Sie stehen unter Druck. Es geht nicht nur um die 4-Tage-Woche, sondern auch um Modelle, die ein ortsunabhängiges Arbeiten ermöglichen. Dabei sollte beachtet werden, dass eine flächendeckende Realisierung von flexibleren Arbeitszeitmodellen nicht immer möglich sein wird: In der Praxis werden einige Branchen und Arbeitnehmer automatisch ausgeschlossen, etwa Beschäftigte in der Produktion oder in Krankenhäusern, die nicht vom heimischen Büro aus arbeiten können.

Wunsch nach Flexibilität größer nach Corona

Die Studienergebnisse basieren zudem auf einem Fundament, welcher von der Pandemie geprägt worden ist: In den letzten Jahren haben sich viele Unsicherheiten in der Arbeitswelt, aber auch im Privatleben der Menschen ergeben. Gesundheit und Zeit mit den Liebsten hat an Bedeutung gewonnen. Vor diesem Hintergrund sollten die Ergebnisse betrachtet werden. Beschäftigte sehnen sich nach mehr Ausgleich, mehr Zeit für Körper und Seele, mehr Zeit für das Privatleben. Sie möchten nicht mehr nur arbeiten, sondern mehr vom Leben genießen.

Die 4-Tage-Woche ist deshalb nicht die einzige Möglichkeit, diesen Wünschen nachzukommen. Es geht um die generelle Flexibilisierung von Arbeitszeiten, aber auch um weitere Maßnahmen, die zur Mitarbeiterzufriedenheit sowie zum Wohlbefinden von Angestellten beitragen. Standen Arbeitgeber der Welt des New Works bisher noch skeptisch gegenüber, wissen sie spätestens seit der Pandemie, was es bedeutet, sich auf neue Gegebenheiten einstellen zu müssen.

Schon gewusst?

Nicht immer gab es eine 5-Tage-Woche, wie wir sie heute kennen. Denn eine 6-Tage-Woche soll in den Staaten bis zum Jahr 1908 existiert haben; Arbeiter konnten die Füße lediglich am Sonntag hochlegen und sich erholen. Danach kam die Einführung der 5-Tage-Woche. In Deutschland hat sich dieses Modell erst später durchgesetzt, als der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit der Aussage, dass 40 Stunden in der Woche genügen würden, eine Kampagne aufzog. Das passierte 1955. Und mit den Jahren setzte sich die 5-Tage-Woche in allen Branchen durch.

Bildnachweis: Arbeits-ABC/Canva.com