Hilfsbereit, arrogant, einfühlsam: Wenn uns ein Ruf anhaftet, bleibt er und beeinflusst unsere Karriere. So weit liegen Eigen- und Fremdbild auseinander.

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Wer zum ersten Mal seine eigene Stimme in einer Sprachnachricht oder auf dem Anrufbeantworter hört, wird möglicherweise (negativ oder positiv) überrascht sein. Vielleicht klingt sie ziemlich schrill. Oder besonders angenehm. Ähnlich verhält es sich mit dem, was wir selbst von uns halten und wie andere uns wahrnehmen: Eigen- und Fremdbild sind nicht selten so unterschiedlich wie Tag und Nacht.

Häufiges Missverständnis: „Der weiß schon, wie ich das meine“

Die Illusion der Transparenz (engl.: Illusion of transparency) ist ein berühmtes Phänomen, das beschreibt, wie weit Wahrnehmungen auseinandergehen. Während Person A eine Aufgabe beschreibt und davon überzeugt ist, dass die eigenen Gefühle und Gedanken deutlich werden, ist Person B völlig verwirrt oder interpretiert die Worte aufgrund von Mimik, Stimme und Verhalten anders, als Person A sie meint und fühlt.

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Der Grad an Sichtbarkeit unserer eigenen Gefühle wird demnach derartig von uns überschätzt, dass es zu Missverständnissen kommt. Experimente zum Phänomen zeigten beispielsweise, dass wir vor öffentlichen Reden davon ausgehen, dass andere uns unsere Aufregung anmerken. Die beiden Wissenschaftler Kenneth Savitsky und Thomas Gilovich konnten mit ihren Untersuchungen jedoch zeigen, dass wir die Aufmerksamkeit anderer häufig überschätzen („Spotlight-Effekt“).

Ist es wichtig, was Kollegen von uns denken?

Man könnte zunächst auf gut Deutsch sagen: Was andere von uns halten, sollte uns den Buckel herunterrutschen. Zumindest sollte der Selbstwert nicht gänzlich von dem abhängen, was Nachbarn, Kollegen oder der nette Baumarktmitarbeiter von uns halten.

Ganz so einfach ist es im Arbeitsalltag und in der Berufswelt dann aber doch nicht. Das Meinungsbild unserer Kollegen kann sich auf unserer Karriere auswirken. Möglich ist, dass wir unsere Soft Skills, etwa unsere Kommunikationsfähigkeit, maßlos über- oder unterschätzen.

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Beispiel: Eine Fachkraft soll einen komplexen Sachverhalt für seine fachfremden Kollegen möglichst einfach darstellen. Während wir als Fachkraft nun zu 100 Prozent glauben, dass unsere Expertise deutlich wird und unsere Worte ankommen, sprechen wir für andere möglicherweise doch undeutliches Fachchinesisch. Was wir sagen wollen, ist anderen ein Rätsel. Ein Umstand, der die Zusammenarbeit erschweren kann. Und manchmal leider einer, der auch nichts Gutes für unseren Ruf tut.

Ein weiteres Beispiel, weshalb das Image wichtig sein kann, sind Unternehmen selbst. Als Arbeitgeber haben sie einen Ruf zu verlieren. Wer schlecht bewertet wird, muss um seine Arbeitgebermarke fürchten. Wer hingegen positiv wahrgenommen wird, kann sich über begeisterte Bewerber freuen.

Wie finde ich heraus, was meine Teamkollegen von mir halten?

Ein persönliches Feedback, welches du dir von anderen holst, kann dir helfen. Gerade Führungskräfte müssen aber damit rechnen, dass Mitarbeiter und Kollegen sich bei der Bitte um ein persönliches Feedback nicht ganz so begeistert oder offen zeigen werden.

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Aufgrund seiner Position befindet sich der Chef nicht selten in einer Machtstellung, die von anderen mit persönlichen Konsequenzen für die eigene Karriere verbunden wird. Besonders autoritäre Persönlichkeiten etwa werden seltener direktes, aufrichtiges Feedback von ihrer Belegschaft erhalten, wenn diese auf Basis des üblichen Verhaltens des Bosses davon ausgeht, für das Kundtun der eigenen Meinung abgestraft oder belächelt zu werden.

Führungskräfte, die hingegen offen und auf Augenhöhe kommunizieren, und zwar konsequent, aber weniger konservativ-autoritär führen, können eher damit rechnen, eine aufrichtige Rückmeldung zu bekommen. Hieran lässt sich festmachen, wie Feedback generell eingeholt werden sollte. Tipps, die sowohl für Chefs als auch für Mitarbeiter gut funktionieren:

1. Aufmerksam zuhören:

Wer Feedback einholt, hört zu und unterbricht nicht. Selbst in Situationen, in denen wir uns gekränkt fühlen, ist es wichtig, nicht zum „Gegenangriff“ überzugehen, sofern es uns tatsächlich am Herzen liegt, die Wahrnehmung anderer zu verstehen.

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2. Nonverbale Kommunikation

Körpersprache und Mimik sind ein Kommunikationsmittel, wenn auch manchmal unbewusst. Wer eine Rückmeldung einfordert, sollte deshalb nicht die Arme verschränken oder grimmig wegschauen, sondern Kritik zunächst vor allem annehmen und sich mit der nonverbalen Kommunikation möglichst sachlich und neutral verhalten, damit unser Kommunikationspartner sich nicht verschließt.

3. Reflexion und bewusstes Nachfragen

Wer von einem Feedback überrascht wird, weil es so gar nicht dem Selbstbild entspricht, wird vielleicht etwas sprachlos sein. Wichtig ist dennoch, bei Unklarheiten gezielt nachzuhaken: War das, was dein Gegenüber mitgeteilt hat, so gemeint, wie du es gerade aufnimmst? Eine Möglichkeit, um nachzufragen, stellt die Wiedergabe dessen, was du verstanden hast, in deinen eigenen Worten dar. Fasse hierfür zusammen, was du selbst verstanden hast. Dein Gesprächspartner wird die Gelegenheit bekommen, dies zu bestätigen oder zu korrigieren.

Hinzu kommt, dass eine Reflexion der Worte dir dabei helfen kann, Änderungspotenzial zu erkennen. Verstärkt wird das Nachfragen mit der Hilfe folgender Fragen, die auch einen Bezug zu konkreten Situationen herstellen und nicht abstrakt bleiben:

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  • „Wie nimmst du unsere Zusammenarbeit beim Projekt XY wahr?“
  • „Könntest du mir ein Beispiel nennen, wenn du sagst, dass XY (…)?“
  • „Wie würdest du mein Auftreten vor dem Team mit deinen eigenen Worten beschreiben?“

Feedback bekommen: Zeit, es sacken zu lassen

Andere um Feedback zu bitten, kann – wenn es hart auf hart kommt – manchmal ganz schön grausam enden. Schließlich geht es um unseren inneren narzisstischen Anteil, manche nennen es „Ego“, wenn wir uns etwas anhören müssen und dabei gekränkt werden. Am liebsten würden wir nur Schmeichelhaftes und Lob hören. Die Realität sieht aber anders aus, wenn wir uns der Wahrheit stellen möchten.

Deshalb ist ehrliches Feedback so besonders: Es tut nicht nur weh, sondern es gibt uns die Chance, dass wir etwas verändern können und an uns arbeiten. Das wird dir nicht nur Wachstum bescheren, sondern auch etwas für Ruf und Karriere tun. Wer Feedback bekommen hat, sollte dieses deshalb nicht verdrängen oder abwerten. Wichtig ist, es zu reflektieren und in Ruhe sacken zu lassen.

Johari-Fenster: Sich selbst aus den Augen anderer betrachten

Vor dem Feedback-Einholen kann es hilfreich sein, sich Gedanken zur Eigenwahrnehmung zu machen. Schreibe dir hierzu auf, wie du dich wahrnimmst, um deine Gedanken dann mit der Fremdwahrnehmung anderer vergleichen zu können.

Ein bekanntes Modell, über das du dich informieren kannst, ist das „Johari-Fenster“ (engl.: Johari window), welches vor knapp 70 Jahren von den US-amerikanischen Sozialpsychologen Harry Ingham und Joseph Luft etabliert wurde. Die Idee hinter dem Modell, welches auch gut in Teams funktioniert, ist die Visualisierung dessen, was wir von uns wissen und denken und was beispielsweise Kollegen von uns wahrnehmen. Das Konzept beruht auf der Annahme, dass wir besser miteinander kommunizieren können, sobald Selbstbild und Fremdbild in Sachen Verhaltensmuster und -merkmale keine allzu große Distanz zeigen.

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Zusatztipp: Frage nicht nur „gute Kollegen“

Neben der Option, nahestehende Kollegen, mit denen wir tagtäglich arbeiten, um Rückmeldung zu bitten, ist es vor allem hilfreich, sich auch bei anderen zu erkundigen, wie es um unseren Ruf steht. Denn hier geht es häufig ausschließlich um Fremdwahrnehmung: Wer uns nicht gut kennt, kennt oft nur unser Image. Und dieses eilt uns bekannterweise voraus, etwa, wenn wir uns intern um eine Stelle bewerben möchten.

Bild: MachineHeadz/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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