„Kleider machen Leute“. Zumindest bisher. Beschäftigte von heute setzen neue Standards, welche das konservative Paradigma der Kleiderordnung ablösen. Alles Wissenswerte auf einen Blick.

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Bisher galt: Kleidung vermittelt Seriosität und Vertrauen

Dass Notare sowie Bank- und Vertriebsmitarbeiter ein Ensemble aus Anzughose und Jacke tragen, ist die Norm. Weiße, graue, dunkelblaue und schwarze Kleidungsstücke dominieren diesen Standard. Ein Anzug soll typischerweise einen seriösen Eindruck vermitteln und Vertrauen zu den Kunden schaffen.

Es gibt aber einen Haken: Menschen werden zunächst nach ihrem Äußeren beurteilt. Dazu gehört auch die Kleidung. Diese kann jedoch über Erfahrung, Potenzial und Berufseignung hinwegtäuschen.

Das Phänomen ist kein unbekanntes und deshalb besonders problematisch. Wie der aktuelle „Class of“-Bericht des auf Recruiting und Personalwesens spezialisierte Unternehmen iCIMS zeigt, sollen Arbeitgeber potenzielle Angestellte aufgrund ihrer äußeren Erscheinung ablehnen. Besonders fatal: Sogar Bewerber mit wenig Erfahrung, die zumindest optisch „ins Bild“ passen, bilden das kleinere Übel und werden stattdessen bevorzugt.

Anständig angezogen? Die große Täuschung

Klar ist: Gepflegt sollte das Erscheinungsbild für Meetings und Kundengespräche immer sein. Hängt die Einstellung in erster Linie jedoch von der optischen Erscheinung ab, schießen Unternehmen möglicherweise ein Eigentor. Denn starre und konservative Rollenbilder, wie ein seriöser und leistungsstarker Mitarbeiter auszusehen hat, sind logisch betrachtet eine Täuschung.

Schon die im Jahre 1874 erschienene Novelle von Gottfried Keller mit dem berühmten Titel „Kleider machen Leute“ zeigt, dass die Täuschung eines aus der Armut stammenden Lehrlings auffliegt – denn dieser trägt lediglich vornehme Kleidung. Den Status eines echten Grafen, wie die Leute fälschlicherweise annehmen, besitzt dieser jedoch nicht.

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Trend: Warum Beschäftigte sich immer authentischer zeigen

Ein meist „unausgesprochenes Gesetz“ regelte bisher in den meisten Büros den Dresscode. Auch Führungskräfte machen das vor, was sie sich von ihren Angestellten wünschen. Erscheint der Boss etwa in Hoodie und Sneaker oder doch im teuren Anzug von Armani, macht es einen Unterschied, welchen Einfluss die Erscheinung auf unseren eigenen Kleidungsstil nimmt.

Die gute Nachricht: Alles schreit nach einem Paradigmenwechsel – und der Trend geht immer mehr in Richtung „Business-Freizeit-Kleidungsstil“. Krawatten und Anzüge sind zwar nicht out. Dennoch sind Manschettenknöpfe inklusive starrer Farb- und Kleiderordnung von gestern.

Was heißt das konkret? Mit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 mussten immer mehr Beschäftigte lernen, vom heimischen Büro aus zu arbeiten. Jogginghosen und lockere T-Shirts gehören seither zum Arbeitsalltag. Authentische Kleidung, mit der wir uns vor wenigen Jahren kaum ins Büro getraut haben.

Eine feste Kleiderordnung gibt es heute nur in wenigen Berufen. Schon vor der Pandemie waren betont lässige Kleidungsstile bereits ein Teil unserer heutigen Arbeitswelt. Das Silicon Valley macht es vor: Hoodies, T-Shirts und Sneaker, aber auch Hemden, Blusen und Röcke – es ist alles zu finden; eine starre Kleiderordnung ist nicht mehr die Norm.

Athleisure-Wear und Casual Chic: Die heutige „Kleiderordnung“ durchbricht Klischees

Die Entwicklung ist positiv. Athleisure, also Sportbekleidung für die Freizeit, und Casual Chic – etwa eine lässige, zerrissene Jeans mit Blazer, sind genauso erlaubt wie beispielsweise formal wirkende Hosenanzüge.

Ergo: In den meisten Berufen besitzt die Kleiderordnung keine so große Priorität wie vor einigen Jahren, zumindest nicht auf Seiten der Beschäftigten. Für Arbeitgeber, die immer noch auf klassische Hierarchieebenen, konservative Führung und veraltete Rollenbilder setzen, wird das zur Herausforderung.

Wertekonflikt: 1.000 Büroangestellte zum Thema Dresscode befragt

Eine für die DACH-Region wichtige Untersuchung spricht Bände. Die Bearingtpoint-Studie für Deutschland, Schweiz und Österreich hat 1.000 Beschäftigte, die in Büros arbeiten, zu ihrem Kleidungsstil befragt. Demnach seien Kostüme und klassische Anzüge zwar immer noch wichtig. Seit der „Normalität“ und der Rückkehr in die Unternehmensbüros hätten die Befragten jedoch mit einem Wertekonflikt zu tun. Denn viele Arbeitnehmer würden lieber auf legere Kleidung und Lockerheit setzen.

Der Konflikt: Während Angestellte einerseits zu „casual“ auftreten könnten und damit möglicherweise für Verwirrung bei den Kunden des Unternehmens sorgen, könnten zu starre Kleidervorschriften immer mehr Mitarbeiter in die Flucht jagen.

Arbeitgeber stehen deshalb jetzt vor der Herausforderung, ihre bisherige Haltung zum Thema Kleiderordnung zu überdenken.

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Worauf müssen Arbeitgeber heute achten?

Die Kleidung zeigt nicht das wahre Potenzial eines Bewerbers oder eines Mitarbeiters. Denn die äußere Hülle ist eine persönliche Entscheidung, die über das hinwegtäuschen kann, was in uns steckt.

Wichtig ist die Arbeit – nicht das, was ein Arbeitnehmer trägt.

Dabei geht es nicht grundsätzlich um die Deformierung von Kleidervorschriften. Sondern darum, Kandidaten nach gerechten Kriterien und Unvoreingenommenheit für einen Job einzustellen.

So zeigt eine Studie des englischen Marktforschungsunternehmens OnePoll aus dem Jahr 2020: Rund 51 Prozent der Arbeitgeber haben Bewerber schon einmal wegen der optischen Erscheinung benachteiligt und diskriminiert.

Info: Nicht nur die Kleiderwahl ihrer Bewerber schreckt einige Arbeitgeber laut der Untersuchung ab. Auch Tätowierungen und die Wahl der Haarfarbe oder die des Haarstils spielen eine Rolle. So kamen die Untersuchenden zum Ergebnis, dass Kandidaten bis heute nicht nach dem „Buch“, sondern nach dem „Cover“, also der äußeren Erscheinung, beurteilt werden. Dieses habe jedoch wenig Aussagekraft darüber, ob und wie gut Arbeitskräfte ihre Aufgaben erledigen könnten.

Dresscode-Konflikt: Was kann ich als Arbeitgeber konkret unternehmen?

Möglicherweise stehst auch du als Führungskraft vor dem Problem, eine passende Lösung für den Dresscode-Konflikt im Unternehmen zu finden.

Was jetzt helfen kann:

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1. Gespräch mit der Belegschaft

Der Trend der heutigen Arbeitswelt zeigt, dass konservative Kleidervorschriften nicht zeitgemäß sind. Bevor die Sache sich jedoch zu sehr verselbstständigt, gilt es, offen mit den eigenen Mitarbeitern zu sprechen.

Die Lösung sollte für beide Seiten passen. Einerseits repräsentiert das Auftreten nach außen die eigene Marke bzw. das Unternehmen. Andererseits bedarf es der Berücksichtigung der Mitarbeiterbedürfnisse – und diese befinden sich immer mehr im Wandel. Wichtige Werte sind zum Beispiel Entscheidungsfreiheit, Unabhängigkeit und gegenseitige Wertschätzung sowie Fairness, unabhängig vom Aussehen.

Tipp: Eine Umfrage kann dabei helfen, die bisherigen Standards zu analysieren. Arbeitgeber können herausfinden, was Mitarbeitern gut gefällt – und wo konkreter Handlungs- und Veränderungsbedarf in Bezug auf interne Kleidungsvorschriften besteht.

2. Anlassbezogene Kleiderabsprache

Es stehen besondere Meetings oder Events an? Manchmal ist ein Dresscode unabdingbar.

Arbeit im Homeoffice sollte aber auch vor dem Computer „entscheidungsfrei“ stattfinden, wenn es um die eigene Kleidung geht – wenn sie nicht gegen allgemeine Normen (Anstößigkeit etc.) verstößt. Ein anlassbezogener, abgesprochener Dresscode für spezielle Situationen sollte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern jedoch ausgehandelt werden.

Fazit: Urteile nach dem Buch – nicht nach der Hülle

Business Dresscodes werden heute kontrovers diskutiert, was jedoch für eine positive Entwicklung in der Geschäftswelt spricht. Starre Kleiderordnungen repräsentieren nicht mehr den Wert, der für eine offene und faire Arbeitswelt abseits von Diskriminierungen steht.

Anlassbezogene Dresscodes und Kleidervorschriften, die manchmal unabdingbar sind, gehören zwar immer noch dazu. Arbeitgebern wird jedoch empfohlen, von überholten Kleidungsordnungen loszulassen und stattdessen neue, zeitgemäße Konzepte zu integrieren.

Ob Anzug, Jeans oder Kleid: Vor allem bei der ersten Begegnung mit potenziellen Mitarbeitern gilt es, während des Bewerbungsgesprächs keine voreiligen Schlüsse auf Basis der Optik zu ziehen. Urteile nicht nach dem berühmten ersten Eindruck – denn möglicherweise siehst du so nicht das Potenzial, welches unter der Erscheinung schlummert.

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Bildnachweis: Diamond Dogs/Diamond Dogs

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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