Frustrierte Chefs mit Privatproblemen haben häufiger gestresste Mitarbeiter. Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie private Konflikte bei Führungskräften das Burnout-Risiko ihrer Teams erhöhen.

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Korrelation: Unausgeglichener Chef, unausgeglichene Mitarbeiter

Führungskräfte gelten in Sachen Gesundheits- und Stressprävention als eine substanzielle Ressource für viele Betriebe, um Mitarbeiter zu schützen. Wenn sie aber selbst unter hohem Stress leiden, können Alarmzeichen bei Mitarbeitern oft nicht rechtzeitig oder bewusst wahrgenommen werden. Es droht der Burnout.

Die Rolle des privaten Stresses von Führungskräften wird dabei unterschätzt, denn nicht nur beruflicher Stress ist wichtig. Ob ein Streit beim Abendessen vor dem wichtigen Meeting am Morgen oder eine schlaflose Nacht, weil das Kind krank ist – Beschäftigte müssen damit rechnen, dass sich das Familienleben auf die Arbeit auswirkt. Davon sind Führungskräfte nicht ausgenommen.

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Das wissen auch Psychologen und Wissenschaft: Die Forscher Lieke L. ten Brummelhuis, Maree Roche und Jarrod M. Haar konnten bereits Jahre zuvor in ihren wissenschaftlichen Untersuchungen feststellen, wie stark das Familienleben von Führungskräften mit dem Beruf korreliert. Immer noch sind die Ergebnisse relevant, denn spätestens seit der Pandemie ist zu spüren, wie Privat- und Berufsleben sich gegenseitig beeinflussen. Die Erkenntnisse belegen, so die Forscher, dass die Stimmung des Chefs nicht spurlos an den eigenen Mitarbeitern vorbeigeht.

Stress ist ansteckend und wirkt sich auch auf die Leistung und das Wohlbefinden der eigenen Mitarbeiter aus. Die Studie mit 199 Führungskräften und 456 ihrer Angestellten zeigt, dass unausgeglichene Chefs oft auch frustrierte Mitarbeiter haben, die im Verhältnis ein höheres Risiko haben, an Burnout zu erkranken. Es ist das logische Resultat von Druck, schlechter Stimmung und Mehrarbeit ohne Ausgleich und Wertschätzung.

Umgekehrter Effekt: Ein gutes Familienleben fördert positives Führungsverhalten

Familienleben und das Innehaben eines Chefpostens schließen sich deshalb aber nicht aus. Die Untersuchung hat ergeben, dass ein ausgeglichenes Privatleben ein positives Führungsverhalten sogar fördert. Das untermauern auch weitere Studien. Wer außerhalb seiner Arbeitszeit positiv mit seinen Kindern interagiert, soll sich demnach insgesamt zu einer besseren Führungskraft entwickeln. Denn in beiden Zusammenhängen, sowohl im Familienleben als auch im Beruf, spielt die Vorbildfunktion von Führungskräften eine wichtige Rolle. Es sei wichtig, auch die positiven Effekte anzuerkennen, so die Studienautoren, die ein Familienleben auf die Arbeit haben kann.

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Wenn der Chef gestresst ist: Anzeichen und Folgen für Mitarbeiter

Private Probleme im familiären Umfeld von Führungskräften haben vielfältige Auswirkungen auf das Vorgesetztenverhalten. Ob frustriert, zynisch oder isoliert: So zeigt sich der Stress unter anderem.

1. Der Chef zieht sich zurück

Sobald Führungskräfte für Mitarbeiter nicht mehr verfügbar sind, bröckelt das Vertrauen. Doch private und familiäre Probleme gehen manchmal zwangsläufig mit Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Erschöpfung einher. Ein Rückzug ist daher nicht selten und äußert sich in Form von Nicht-Erreichbarkeit, emotionaler Abwesenheit und Einsilbigkeit. Gespräche werden auf das Nötigste beschränkt.

Für Mitarbeiter ist die Situation verwirrend. Ihnen fehlt die Orientierung, das Feedback und eine klare Kommunikation, was wiederum für Verunsicherung im Job sorgt.

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2. Der Chef ist zynisch

Zynische Menschen bestrafen sich selbst. Und ihr Umfeld: Mitarbeiter, die unter dem Verhalten von zynischen Führungskräften leiden, bekommen dieses in Form von emotionaler Kälte, Spott und Verachtung zu spüren. Negative Kommentare und Herabwürdigung von denen, die einem selbst hierarchisch unterlegen sind, gehören zum Berufsalltag.

Hinter Zynismus, der oft aus schmerzhaften Erfahrungen resultiert, verbirgt sich die Grundeinstellung „Sinnlosigkeit“. Misstrauen ist allgegenwärtig. Ob Scheidungskrieg, Kinder, die aufgrund von Konflikten den Kontakt abbrechen oder andere prägende Erlebnisse – wer sein Umfeld mit zynischen Kommentaren herabwürdigt, sucht oft ein Ventil für solch belastenden Ereignisse. Bei Führungskräften können dies die eigenen Mitarbeiter sein.

3. Der Chef hat keine Selbstbeherrschung

Sie explodieren in scheinbar harmlosen Momenten, denn Vorgesetzte mit mangelhafter Selbstbeherrschung haben Probleme mit ihrer eigenen Impulskontrolle. Privater Stress, der durch beruflichen Stress verstärkt wird, kann das Fass schließlich zum Überlaufen bringen. Und nicht selten bekommt ein Mitarbeiter oder das gesamte Team die explosive Ladung ab.

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Ungelöste familiäre Konflikte von Beschäftigten in Leitungsposition, die über eine wenig ausgeprägte Frustrationstoleranz verfügen, werden so zum Problem des Unternehmens.

4. Der Chef ist passiv-aggressiv

Neben offensichtlich aktiver Aggression, die von unausgeglichenen Vorgesetzten ausgeht, gibt es die passive Aggression. Wer privat viel Wut unterdrückt und schlucken muss, kehrt Ärger, der nicht kommuniziert werden kann, etwa dem Partner gegenüber, nach innen. Dieser kann sich schließlich als passiv-aggressives Führungsverhalten äußern.

Für Mitarbeiter hat das folgende Folgen:

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  • Die Kommunikation ist undeutlich und erfolgt nur indirekt, was zu Missverständnissen und Streit führt.
  • Mitarbeiter wissen nicht, woran sie sind – weil der Chef nicht äußert, was er denkt.
  • https://arbeits-abc.de/bossing/Beschäftigte müssen subtile, fast unauffällige Sticheleien hinnehmen, was es schwierig macht, konkret gegen Mobbing aus der Chefetage vorzugehen, weil Beweise fehlen.

Mitarbeiter schützen: Was können Chefs selbst tun?

Ein unausgeglichener Chef ist bekanntlich ein schlechter Chef. Aber auch dieser darf schlechte Tage haben. Gefährlich für Mitarbeiter wird es erst, wenn private Probleme das Führungsverhalten dauerhaft beeinflussen – und das nicht auf positive Weise. Für Chefs gelten deshalb folgende Empfehlungen:

1. Eigene Gedanken, Emotionen und Verhalten analysieren

Die Fähigkeit, sein eigenes Denken und Handeln einordnen und reflektieren zu können, ist für eine gute Führung besonders wichtig. Ein Ausrutscher passiert jedem – doch Mitarbeitern für eigene Fehler immer wieder die Schuld in die Schuhe zu schieben, sie herabzuwürdigen oder sie vor dem Team bloßzustellen, ist kein Ausrutscher, sondern oft eine bewusste Entscheidung, wenn die Handlungen systematisch erfolgen. Deshalb ist Selbstreflexion gefragt.

2. Selbstregulation

Niemand kann privaten Stress zu 100 Prozent in den eigenen vier Wänden lassen. Er begleitet uns oft bis ins Büro. Und auch Führungskräfte sind keine übernatürlichen Wesen, sondern Menschen mit Gefühlen, die diese nicht auf Knopfdruck abschalten können.

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Es besteht jedoch die Möglichkeit der Selbstregulation, die auf unterschiedliche Weise trainiert werden kann. Das bewusste Wahrnehmen von dem, was uns beschäftigt und wie wir mit unseren Emotionen umgehen, kann helfen, einen besseren Umgang mit Sorgen, Ängsten und Wut zu finden. Denn so kann Privates von Beruflichem mit der Zeit besser differenziert werden, wenn deutlich wird, dass es separate (gedankliche und physische) Räume gibt, in denen schwierige Gedanken Platz finden dürfen.

3. Kommunizieren

Ob eine Erklärung oder manchmal gar eine persönliche Entschuldigung angebracht ist: Auch Führungskräfte müssen sich überwinden, wenn sie sich daneben benehmen. Gestresst ist jeder mal, aber das daraus resultierende Verhalten kann Kollateralschäden verursachen. Das trifft vor allem in Hierarchien diejenigen, die weiter unten stehen – die eigenen Mitarbeiter.

Aufgabe von Unternehmen: Kritisches Führungsverhalten nicht tolerieren

Wenn private Probleme von Führungskräften zur Dauerbelastung für Mitarbeiter werden, kann ein solches Verhalten die Fluktuation erhöhen und dem Unternehmen schaden. Denn Stress bei Vorgesetzten führt zu Stress bei Arbeitnehmern, die unter dem oft toxischen Verhalten ihrer Chefs leiden, einem hohen Druck ausgesetzt sind und schließlich häufig auch seelisch erkranken. Um Burnout, Unzufriedenheit und innere Kündigungen zu verhindern, sind deshalb Arbeitgeber selbst gefragt: Ein kritisches Führungsverhalten, welches nicht nur vorübergehend besteht, sondern chronische Züge annimmt, sollte nicht toleriert werden. Denn es ist ein Grund, weshalb immer mehr Mitarbeiter gehen.

Bild: Vladimir Vladimirov/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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