Was macht gute Führung aus? Das ist eine Frage, die wohl jedes Unternehmen beschäftigt. Viele Arbeitgeber experimentieren mit ungewöhnlichen Organisationsformen oder scheinbar innovativen Führungsansätzen. Der renommierte Unternehmensberater Simon Sinek ist sich hingegen sicher, dass es bei guter Führung schlussendlich nur auf einen Aspekt ankommt – und der ist alles andere als kreativ oder innovativ.

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Wir leben in einer Arbeitswelt der Unsicherheit

Auf dem Papier profitiert der deutsche Arbeitnehmer zwar noch von unbefristeten Arbeitsverträgen und einem strengen Kündigungsschutz, in der Realität ist es aber ein offenes Geheimnis, dass Unternehmen problemlos jeden Mitarbeiter loswerden – wenn sie nur wollen. Wo es rechtlich nicht möglich ist, wird eben zu Strategien wie Mobbing gegriffen.

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Die einzige Ausnahme werden wohl hoch qualifizierte und dementsprechend begehrte Fachkräfte sein, die immer mehr zur Mangelware werden und sich dadurch in einer hervorragenden Verhandlungsposition befinden.

Deutschland lebt in der Angst vor dem Jobverlust

Obwohl wir in Deutschland also im Vergleich zu anderen Ländern eine hohe Jobsicherheit haben – zumindest bislang – leben viele Arbeitnehmer in der ständigen Angst vor dem Jobverlust. Ob diese begründet ist, mag dahingestellt sein. Doch Deutschland lebt eben eine Kultur der Angst, welche auch historisch bedingt ist. Hierzulande streben die Bürger viel mehr nach Sicherheit in allen Lebensbereichen als in zahlreichen, anderen Staaten.

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Die unterschätzte Macht der Sicherheit

Beim Thema Sicherheit winken viele Menschen ab: Sicherheit gäbe es im Leben nicht. Sie sei eine Illusion. Jeden Tag könne Unvorhersehbares passieren und vorbei ist es mit dem scheinbar „sicheren“ Leben, wie Sie es bislang kannten. Klar, gegen Unfälle, Kriege, Naturkatastrophen oder den Tod sind wir Menschen machtlos. Auf den Punkt gebracht mag es stimmen: So etwas wie „Sicherheit“ gibt es im Leben nicht. Doch Menschen sind keine vernunftgesteuerten Wesen – auch, wenn wir das gerne annehmen – sondern von Instinkten sowie Emotionen geleitet. Und hierbei spielt das Thema Sicherheit eine große Rolle, wenn nicht sogar die größte.

Was bedeutet das für die Führung?

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Thema Sicherheit ist für jeden Menschen essentiell und darf deshalb auch in der Führung nicht vernachlässigt werden. Die große Anzahl an Deutschen, welche unter der ständigen Jobunsicherheit leiden – sei es aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages, einer Selbstständigkeit oder trotz des unbefristeten Arbeitsverhältnisses – spricht dafür, dass in deutschen ebenso wie in US-amerikanischen Führungskonzepten so einiges schiefläuft.

Viele Arbeitgeber verfallen dem Irrtum, ihre Mitarbeiter ließen sich durch Jobunsicherheit motivieren. Wer sich in Sicherheit wähnt, wird faul – so lautet eine gefährliche, aber leider weit verbreitete Devise. Manchmal wird die Jobunsicherheit auch nicht bewusst herbeigeführt, sondern sie entsteht durch Umstrukturierungen, wirtschaftliche Probleme oder andere Drittfaktoren, welche bei der Belegschaft das dumpfe Gefühl der Angst hervorruft.

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Wer gut sitzt, der sucht keinen neuen Sessel.

(Sorbisches Sprichwort)

So oder so ist die Unsicherheit bei Mitarbeitern sowohl für deren Gesundheit und Arbeitsleistung als auch aus Arbeitgebersicht verheerend. Jobunsicherheit sorgt nicht für loyalere, gesündere und leistungsbereitere Mitarbeiter, die motiviert sind und sich ihrem Arbeitgeber beweisen möchten, um ihren Job zu behalten. Im Gegenteil: Sie sorgt für Stress, gesundheitliche Probleme, eine abfallende Leistungsfähigkeit, eine erhöhte Mitarbeiterfluktuation, ein schlechtes Arbeitsklima sowie zahlreiche weitere negative Konsequenzen. Sie zerstört kurz gesagt das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wer sich unsicher fühlt, sucht sich mit höherer Wahrscheinlichkeit eben doch einen „neuen Sessel“.

Simon Sinek: „Sicherheit und Vertrauen sind die Essenz guter Führung“

Laut Unternehmensberater Simon Sinek liegt das Hauptproblem darin, dass sich heutzutage zwar viele Manager als „Great Leader“ betiteln, schlussendlich aber nicht mehr sind als eben ein Manager. Für ihn zeichnen genau diese Aspekte nämlich einen „Great Leader“ aus: Sicherheit und Vertrauen. Gerade in den Zeiten der zunehmend unsicheren Wirtschaft und der Angst vor dem Jobverlust glänzen großartige Führungskräfte durch einen „Circle of Trust“, wie er in seinem knapp sieben Millionen Mal geklicktem TED Talk darlegt.

Wer ist eigentlich Simon Sinek? Am 9. Oktober 1973 in Wimbledon geboren, hat sich Simon Sinek mittlerweile weltweit als Unternehmensberater, Journalist und Autor einen Namen gemacht. Berühmt wurde er vor allem durch seinen „goldenen Kreis“ – auch bekannt als „Why? How? What?“-Methode. Nach einem abgeschlossenen Studium der Kulturanthropologie lehrt er mittlerweile seit dem Jahr 2005 im Fachbereich strategische Kommunikation an der Columbia University. Er schreibt zudem regelmäßig für „The New York Times“ sowie „The Washington Post“. Nachdem sein erster TED Talk mit bis dato 34,6 Millionen Klicks das zweitmeistgesehene Video der Plattform wurde, folgten zahlreiche weitere inspirierende Auftritte. Darunter auch jener zum Thema „Why good leaders make you feel safe“.

Für Simon Sinek bedeutet gute Führung also in erster Linie, für die Mitarbeitenden eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit zu bauen, welche nur durch die Übernahme einer Menge Verantwortung möglich ist. Was genau es damit auf sich hat? Wir verraten es Ihnen!

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Wie also sieht „gute“ Führung nach Simon Sinek aus?

Zu Beginn seines TED Talks schlägt Sinek den Bogen zum Militär. Seine Worte: Wieso gibt es im Militär Menschen, welche sich für ihre Kameraden aufopfern, notfalls mit dem Leben, während in der Unternehmenswelt jene „belohnt“ werden, die ihre „Kameraden“ zum eigenen Wohle aufopfern? Er spricht damit die Problematik an, dass in den Führungsunternehmen der westlichen Geschäftswelt eine Atmosphäre der ausgefahrenen Ellenbogen herrscht und es von gestörten Persönlichkeiten wie Narzissten oder Psychopathen geradezu wimmelt.

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Er wollte also der Frage auf den Grund gehen, weshalb die Denk- und Arbeitsweise im Militär so grundlegend anders ist als jene in der Wirtschaft. Er kam diesbezüglich zu dem Schluss, dass nicht die Menschen, welche über solche Persönlichkeitszüge wie beispielsweise Empathie, Aufopferungsbereitschaft und Kollegialität verfügen, zum Militär gehen, sondern diese beim Militär so werden. Warum? Weil sich jeder Mensch automatisch an sein soziales Umfeld anpasst. Das bedeutet: Wer in einem menschlichen Umfeld lebt und arbeitet, neigt selbst mehr zu positiven Verhaltensweisen. Wo das Klima hingegen vergiftet ist, entsteht ein Teufelskreis aus Angst, Missgunst, Egoismus und und und…

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Vertrauen schafft noch mehr Vertrauen

Wer es hingegen schafft, eine Atmosphäre des Vertrauens, der gegenseitigen Unterstützung und der Sicherheit zu kreieren, im Sinne des Mottos

Einer für alle und alle für einen,

erwirkt dadurch noch mehr Vertrauen, noch mehr gegenseitige Aufopferungsbereitschaft und immer so weiter. Auch hier begeben Sie sich also in eine sich selbst verstärkende Spirale – nur eben auf positive Art und Weise. Laut Sinek steht dahinter die tiefe Überzeugung, dass sich auch das Gegenüber, also beispielsweise der Teamkollege oder die Führungsperson, an gleicher Stelle für einen selbst einsetzen würde. Dies sollte natürlich nicht nur ein Trugschluss, sondern im Fall der Fälle auch Realität sein. Vertrauen und Kooperation sind demnach laut Simon Sinek der Schlüssel zu wahrhaft guter Führung. Aber wie lassen sich diese in der Praxis umsetzen?

Warum endlich Gefühle Einzug in die Geschäftswelt halten müssen

Ein glücklicher, motivierter und loyaler Mitarbeiter hat also ein tiefes Gefühl von Sicherheit, Kooperation und Vertrauen, so der Grundtenor von Sineks Philosophie. Leider werden Emotionen im Geschäftsleben nach wie vor nur ungerne gesehen und daher in vielen Unternehmen so gut wie möglich aus dem Arbeitsalltag verbannt. Menschen werden zu Nummern und die Ansprüche an ihre Leistungen mit Robotern gleichgesetzt. Wer nicht funktioniert, der fliegt. Das ist die „Hire & Fire“-Mentalität der amerikanischen Firmen, doch auch in Deutschland greift dieses Gedankengut mehr und mehr um sich.

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Wo wir Emotionen heilen, heilen Wirklichkeiten.

(Peter Horton)

Genau diese Emotionen sind laut Simon Sinek also der Schlüssel zu erfolgreicher Führung, gleichzeitig aber auch deren größtes Hindernis. Denn wo Menschen vernunftgesteuert miteinander arbeiten würden, wäre Führung auf simple Anweisungen beschränkt und es gäbe keine „Störfaktoren“ wie zwischenmenschliche Konflikte. Genau als das werden Gefühle gemeinhin in den Unternehmen hierzulande aber betrachtet: Störfaktoren. Wenn Sie also eine Atmosphäre auf Vertrauensbasis wünschen sowie Mitarbeiter, die sich sicher fühlen und kooperieren, können Sie das nicht einfach mittels „Befehl und Gehorsam“ durchsetzen. Gefühle lassen sich nicht befehlen. Sie müssen sich entwickeln. Hierfür müsste ihre Wichtigkeit aber erst einmal von den Führungskräften erkannt werden.

Viele Unternehmen(sberater) machen denselben Fehler

Als Unternehmensberater hat Simon Sinek viele Kollegen und deren Arbeitsweise kennengelernt und Einblicke in unterschiedlichste Betriebe erhalten. Immer wieder stieß er dabei auf die Mentalität der Vernunft. Es heißt, wirtschaftlicher Erfolg sei durch mathematische Kennzahlen berechenbar und mittels menschlicher Vernunft planbar. Gefühle sind hierbei wie bereits erwähnt reine Störfaktoren. Wer nicht funktioniert wie ein Zahnrad in einem Schweizer Uhrenwerk, wird ausgetauscht. Solange, bis alle Abläufe reibungslos sind. Doch dabei handelt es sich um einen „Unternehmenskörper“ ohne „Unternehmensseele“.

Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse:
daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann;
denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben,
die sie aber auch nicht beantworten kann;
denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.

(Immanuel Kant)

Es liegt stattdessen in der menschlichen Natur, nach Zusammenhalt, Kooperation und Sicherheit zu streben, da es sich hierbei wie eingangs beschrieben vor vielen tausend Jahren um die einzige Möglichkeit zum Überleben handelte. Und daran hat sich aller „Vernunft“ zum Trotz bis heute nichts geändert. Auch im Berufsleben wünschen sich Mitarbeiter also bewusst oder unbewusst ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und des gegenseitigen Schutzes. Für Simon Sinek sind Sicherheit, Kooperation und Vertrauen nicht die Konsequenz, sondern der Ursprung jedes menschlichen Handelns. Eine Führungskraft, die das versteht, kann jede mathematische Kennzahl um ein Weites übertreffen. Also wie sieht das nun in der Praxis aus?

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Die Bestandteile „guter“ Führung nach Simon Sinek

Als grundlegende Lösung schlägt Simon Sinek die Anstellung auf Lebenszeit vor. Wenn kein Mitarbeiter mehr um seinen Job fürchten müsste, würde das Unternehmen von einer Atmosphäre der Sicherheit profitieren. So viel zur Theorie. In der Praxis mag dieses Modell aber nur in den seltensten Fällen umsetzbar sein. Dennoch bewegen wir uns in Deutschland deutlich näher an dieser Lösung als beispielsweise die USA – aufgrund gesetzlicher Bestimmungen. Im Idealfall könnte ein Mitarbeiter also nicht wegen

  • mangelnder Leistung,
  • Krankheit,
  • sozialen Konflikten oder anderen
  • Problemen

gekündigt werden. Sinek schlägt stattdessen vor, die Führungsrolle als „Elternrolle“ zu verstehen und Mitarbeitern bei Problemen entsprechende Hilfe und Unterstützung anzubieten, beispielsweise in Form von Coachings, einer individuellen Förderung oder einer flexiblen Anpassung der Arbeitszeit, um sich zum Beispiel gesundheitlich zu erholen oder nach der Scheidung mehr um die Kinder kümmern zu können. Was „gute“ Führung also wirklich braucht, sind laut Simon Sinek Menschlichkeit, Flexibilität und Individualität auf der einen sowie klare Grenzen und Disziplin auf der anderen Seite – ebenso wie die Eltern-Kind-Rolle bei der Erziehung.

Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Er appelliert an den uralten Gesellschaftsvertrag und ist sich sicher, dass der ständige Verstoß gegen die innersten Prinzipien eines jeden (gesunden) Menschen der Hauptgrund für die weit verbreitete Wut in der modernen Gesellschaft ist. „Gute“ Führung umzusetzen, ist laut Simon Sinek also eigentlich sehr simpel: Führungspersonen nehmen das Risiko erst auf sich selbst, bevor sie einen ihrer „Kameraden“ opfern. Anstatt bei der nächsten Krise gleich über Entlassungen nachzudenken oder Mitarbeiter durch die ständige Angst vor dem Jobverlust motivieren zu wollen, sollten also gemeinschaftliche Lösungen gefunden werden – Kompromisse, mit welchen sich alle Beteiligten „sicher“ fühlen.

Wie realistisch ist das „Simon-Sinek-Modell“?

Alles in allem mag es sich bei dem Konzept, gute Führung als eine Art Erziehung der Mitarbeiter, sprich als „Eltern-Kind-Rolle“, zu betrachten, um ein sehr ausgefallenes Modell handeln. Dennoch ist es laut Simon Sinek das beste Führungsmodell in unserer modernen Geschäftswelt. Und auch, wenn es für Sie auf den ersten Blick schwer umsetzbar erscheinen mag, wird es auf den zweiten Blick für mutige Vorreiter einen großen Wettbewerbsvorteil in der Zukunft bedeuten. Denn Unternehmen, die wieder die Grundbedürfnisse ihrer Mitarbeiter in den Vordergrund stellen, sprich Sicherheit, Vertrauen und schlussendlich auch Kooperation, statt diese als „Roboter“ zu betrachten, werden auch diejenigen sein, die in den Zeiten des fortschreitenden Fachkräftemangels von loyalen sowie motivierten Angestellten profitieren und Höchstleistungen erbringen können.

Oder was denken Sie? Für wie wichtig halten Sie die Aspekte Sicherheit, Vertrauen, Kooperation und schlussendlich auch Menschlichkeit bei der Führung? Was macht für Sie „gute“ Führung aus? Vielen Dank für Ihre Ergänzungen in den Kommentaren!

Bildnachweis: Bernhard_Staehli/istockphoto.com