„Sie war stets bemüht“: Ein Arbeitszeugnis ist nicht immer so wohlwollend, wie es auf den ersten Blick scheint. Wir zeigen, was hinter der fiesen Zeugnissprache einiger Arbeitgeber steckt.

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Dein Arbeitsverhältnis ist beendet, die Sachen gepackt, der Bürotisch geräumt. Auch wenn du zu neuen Ufern aufbrichst: Nach einer Kündigung steht dir als Arbeitnehmer nach § 109 GewO ein Arbeitszeugnis zu, welches du jetzt noch anfordern kannst, um es potenziellen Arbeitgebern in Zukunft vorlegen zu können. Hierbei unterscheidet sich das einfache Arbeitszeugnis vom qualifizierten Arbeitszeugnis. Letzteres enthält – im Gegensatz zum einfachen Zeugnis, das dein Arbeitsverhältnis formal bestätigt – auch eine Leistungsbewertung.

Laut Arbeitsrecht darf dein Zeugnis keine negativen Bemerkungen oder Formulierungen enthalten. Der Inhalt muss demnach wohlwollend und nicht doppeldeutig sein. Dennoch existiert unter Arbeitgebern eine fiese Codesprache: Formulierungen, die zunächst positiv oder neutral klingen, sind in Wahrheit eine Anspielung auf ein negatives Verhalten oder Kriterium, welches künftige Arbeitgeber warnen oder sogar abschrecken soll. Im Folgenden einige Beispiele und wichtige Geheimcodes, die kritisch zu betrachten sind.

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Geheimcodes in Arbeitszeugnissen und ihre Bedeutung

1. „Er verstand die Delegation von Aufgaben.“

Was gemeint ist: Er hat keine Lust auf seine Arbeit und gibt sie lieber ab.

2. „Sie zeigte reges/großes Interesse an ihrem Job.“

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Was gemeint ist: Sie ist nicht erfolgreich.

3. „Für seine Kolleginnen und Kollegen hat er sich mit größtem Interesse eingesetzt.“

Was gemeint ist: Das Interesse vertrat der Mitarbeiter als Mitglied des Betriebsrats.

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4. „Sie war eine gesellige Kollegin, die andere stets erheiterte.“

Was gemeint ist: Es besteht ein Alkoholproblem.

5. „Die Erledigung der Aufgaben erfolgte mit großer Sorgfalt und Genauigkeit.“

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Was gemeint ist: Er/Sie ist unflexibel, kleinlich und pingelig.

6. „Wir lernten Frau XY als eine umgängliche Mitarbeiterin kennen.“

Was gemeint ist: Die Mitarbeiterin war nicht besonders beliebt im Team.

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7. „Er war ein stets bemühter Kollege.“

Was gemeint ist: Er wird seinen Aufgaben trotz Anstrengung nicht gerecht.

8. „Ihre Ansichten vertrat sie intensiv.“

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Was gemeint ist: Sie hat sich selbst überschätzt.

9. „Er verfügt über Fachexpertise sowie ein selbstbewusstes Auftreten.“

Was gemeint ist: Er hat keine Fachkenntnisse, was er mit Arroganz zu überspielen weiß.

10. „Sie konnte sich mit Teamkollegen aktiv auseinandersetzen.“

Was gemeint ist: Es kam zu Streitigkeiten/Auseinandersetzungen.

11. „Er konnte eigene Interessen stets mit den Unternehmensinteressen in Einklang bringen.“

Was gemeint ist: Der Mitarbeiter hat geklaut, betrogen, sich bereichert.

12. „Wir wünschen für die Zukunft alles erdenklich Gute, auch Gesundheit.“

Was gemeint ist: Es handelt sich um einen permanenten Krankmelder.

13. „Das Bildungsniveau ist bemerkenswert.“

Was gemeint ist: Das Bildungsniveau bewegt sich auf einem unterdurchschnittlichen Level.

14. „Zu Vorgesetzten pflegte sie eine gute Beziehung.“

Sie hat sich eingeschleimt und ist eine Ja-Sagerin.

Formulierungen im Arbeitszeugnis: Aussage zur allgemeinen Zufriedenheit

Ob eine Aufgabe zur „vollsten Zufriedenheit“ oder lediglich „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ erledigt werden konnte, macht einen bedeutenden Unterschied. In Arbeitszeugnissen sind solche allgemein gehaltenen Aussagen immer wieder zu finden, doch in Wahrheit steckt viel mehr dahinter. Müsste man die jeweiligen Aussagen nach Noten abstufen, käme folgende Reihenfolge dabei heraus:

1. „Sie erledigte ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“

Bedeutung: Note 1 (sehr gut)

2. „Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Bedeutung: Note 2 (gut)

3. „Die Erledigung der Aufgaben erfolgte stets zu unserer Zufriedenheit.“

Bedeutung: Note 3 (befriedigend)

4. „Die Aufgaben wurden zu unserer Zufriedenheit erledigt.“

Bedeutung: Note 4 (ausreichend)

5. „Sie erledigte die Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.“

Bedeutung: Note 5 (mangelhaft)

6. „Er seine die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht.“

Bedeutung: Note 6 (ungenügend)

Was sollte ich tun, wenn mein Arbeitszeugnis voller unzulässigen Formulierungen ist?

Prüfe zunächst dein Arbeitszeugnis genau und schaue, ob es formale Fehler gibt. Diese bedürfen einer Korrektur. Zudem solltest du auch den Inhalt kritisch betrachten, um bei Bedarf eine Änderung anzufragen. Denn dein Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, dir ein Arbeitszeugnis ohne fiese oder doppeldeutige Aussagen auszustellen, etwa wenn es zwischen euch gekracht hat und Rache das Motiv sein könnte. So oder so darf dein Ex-Arbeitgeber dich auf diese Weise nicht in ein schlechtes Licht rücken und deine Jobchancen beeinflussen.

Falls dein Arbeitgeber nicht bereit ist, das Arbeitszeugnis zu ändern und unzulässige Formulierungen zu streichen, kannst du dir professionelle Hilfe holen. Denn eine Klage ist nicht ausgeschlossen, wenn ein Experte deinen Verdacht bestätigt.

Bild: strelss/Pikovit44/istockphoto.com/canva.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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