BMW, Siemens Energy, Audi: Immer mehr deutsche Unternehmen finden die USA als Investitions- und Produktionsstandort attraktiver als Deutschland. Was heißt das für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt?

US-Präsident Joe Biden hat im Sommer 2022 das Gesetzespaket „Inflation Reduction Act“ (IRA) abgesegnet. Es soll die amerikanische Wirtschaft und damit die Unternehmen schützen und erneuerbare Energien fördern. Klimaziele rücken nun in den Fokus; eine positive Entwicklung für eine Nation, die für einen nicht unbedeutenden Teil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Über entsprechend großzügige Fördermaßnahmen dürfen sich deshalb die in den Staaten ansässigen Unternehmen freuen.

Die Subventionen sehen auch deutsche Unternehmen als Chance: Erst kürzlich hat der Autoriese BMW 1,7 Milliarden Dollar in sein US-Werk in Spartanburg (South Carolina) investiert, um sich mehr auf Elektroautos zu fokussieren. Neben BMW lockt es auch andere Großunternehmen, etwa Audi oder Siemens Energy, in die US-Bundesstaaten.

Droht Deutschland die Deindustrialisierung?

Grundsätzlich verleitet es immer mehr Firmen in die Staaten. Das teilt die Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit. Laut Dr. Volker Treier (stellvertretende Hauptgeschäftsführer DIHK) wollen demnach fast 40 Prozent der Firmen höhere Investitionen in den USA tätigen.

Fachkräfte- und Personalmangel, Defizite in den Lieferketten, explodierende Energiekosten sowie die hohen Ausgaben für teurere Rohstoffe belasten deutsche Unternehmen und Arbeitgeber. Der stärkere Fokus auf die USA verwundert deshalb nicht. Das ifo Institut diskutiert gar über eine drohende Deindustrialisierung: Deutsche industrielle Strukturen gingen möglicherweise etwas verloren, was sich allen voran in der Autoindustrie zeige. Die Energiekrise müsse jedoch nicht zwangsläufig eine Deindustrialisierung zur Folge haben, heißt es weiter.

Tobias Maier vom Bundesinstitut für Berufsbildung macht darauf aufmerksam, dass zumindest die Verkleinerung der Industrie in Deutschland zu befürchten ist, dass die Diskussion aber in eine unvollständige Richtung ginge; zumindest wenn unerwähnt bleibe, dass Deutschland aus sozial-ökologischer Sicht generell vor einem Verwandlungsprozess stehe und nicht nur vor einem Verlust.

Was bedeutet der Wandel für den deutschen Arbeitsmarkt?

Durch eine zunehmende Abwanderung in die USA büßt zwar der Standort Deutschland an Attraktivität ein – aber nicht die deutschen Unternehmen per se: Diese haben nun die Wahl, sich beispielsweise auszusuchen, wo sie lieber produzieren möchten. Das will jedoch gut überlegt sein, weil deutsche Unternehmen, so die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, benachteiligt werden könnten; so muss die Endproduktion von Teilen doch beispielsweise in den USA stattfinden, um von Steuervorteilen zu profitieren.

Deutliche Worte hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron gefunden: Die Entscheidungen der USA, so Macron, zerstöre Jobs in Europa. Ist die Sorge der europäischen und deutschen Politiker also berechtigt? Die Furcht vor Wettbewerbsnachteilen ist jedenfalls groß. Grundsätzlich ist der Verlust von Industriearbeitsplätzen nicht ausgeschlossen. Aber auch hier muss berücksichtigt werden, dass die Industrie sich generell im Wandel befindet.

Fest steht: Der deutsche Arbeitsmarkt leidet bis jetzt vor allem unter der Energiekrise und dem anhaltenden Fachkräftemangel. Für Deutschland bedeutet das, dass die Risiken für Defizite im Wirtschaftswachstum bestehen. Wichtig ist das Wachstum jedoch, um Arbeitsplätze zu schaffen und auch generell den Lebensstandard der Deutschen zu steigern. Ob der Einfluss der USA einen gravierend negativen Einfluss auf den deutschen Arbeitsmarkt hat, darüber wird gestritten.

Grundsätzlich profitiert die Wirtschaft hierzulande weiterhin auch von ausländischen Firmen, auch aus den USA, die in Deutschland investieren. Beispiel Intel: Ganze 17 Milliarden Euro investiert der amerikanische Halbleiterhersteller Intel in Magdeburg. Geplant ist eine Gesamtinvestition von 80 Milliarden Euro zugunsten der europäischen Wertschöpfungskette. Zudem bleibt Deutschland für die USA generelle weiterhin attraktiv. Zu verdanken hat es die Bundesrepublik unter anderem den gut ausgebildeten Fachkräften, der wichtigen Rolle am EU-Markt und generell der gut ausgebauten Infrastruktur und Vernetzung.

Was steckt hinter dem Inflation Reduction Act aus den USA?

Rund 370 Milliarden Dollar fließen in das IRA-Programm der USA. Mit dem Inflation Reduction Act soll primär nicht nur die Inflation gestoppt werden, wie der Name vielleicht anmuten lässt. Das Hilfsprogramm hat auch und vor allem die Förderung von Klimazielen im Blick. Bisher gab es kein größeres Subventionsprogramm aus den Staaten, welches sich für das Klima starkmacht und auch die Unternehmen unterstützt. Über die großzügigen Subventionen freuen sich deshalb vor allem Firmen mit Sitz in den USA.

In Deutschland sorgt vor allem die Förderung rund um Elektroautos für Diskussionen. Die Autogiganten der Bundesrepublik planen größere Investitionen in den Staaten. Für die Produktion von E-Autos sollen Unternehmen mit einer Steuergutschrift, die sich bis auf 7.500 Dollar belaufen kann, belohnt werden. Damit die Autos gefördert werden können, stellt die USA jedoch spezielle Forderungen. So ist es beispielsweise wichtig, dass die Endmontage der Fahrzeuge dort stattfindet. Zudem ist es unter anderem Bedingung, dass ein Teil (40 Prozent) der Materialien für Batterien mit hohem Versorgungsrisiko aus den USA stammen. Alternativ dürfen die Rohstoffe von einem Partner kommen, welcher über ein Freihandelseinkommen mit den USA verfügt.

Deutsche Industrie: Geld alleine wird nicht helfen

Weil die EU eine Gefahr für die Wirtschaft sieht, planen die EU-Chefs eigene Investitionsprogramme, um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. So zum Beispiel im Rahmen des „Green Deal Industrial Plan (GDIP)“, welches im Februar 2023 vorgestellt wurde.

Geld alleine wird aber nicht helfen. In den letzten Jahren konnte die EU Unternehmen und EU-Bürger bereits mit gezielten Maßnahmen und Förderungen entlasten; beispielsweise folgte ein 600-Milliarden-Euro-Paket als Reaktion auf die Energiekrise. Angesichts des IRA-Pakets steht Europa jetzt jedoch wieder vor einer neuen wirtschaftlichen Herausforderung.

Ökonom Dirk Dohse rät davon ab, sich auf ein „Rennen um Subventionen“ einzulassen. Denn im Endeffekt, so der Experte, ginge es schließlich vor allem um das Geld der Steuerzahler. Steuererleichterungen für Unternehmen wären manchmal, aber oft auch nur bedingt eine langfristige Lösung, da es sich auch hierbei um Subventionsmaßnahmen handelt.

Was muss passieren?

Unternehmen muss der Staat aber schon etwas. So sei die Konzentration auf Forschung und Bildung sinnvoll. Davon könnte der EU-Binnenmarkt dem Experten zufolge tatsächlich profitieren. Auch die Bürokratie und das Defizit in Sachen Schnelligkeit führt dazu, dass Europa und Deutschland – im Vergleich zu den USA – leiden. So hat der Chemiekonzern Evonik schnell eine Zusage für eine Subventionierung in den Staaten erhalten und soll 150 Millionen Dollar als Hilfe bekommen; und das ist nur ein Beispiel, das zeigt, warum es Unternehmen in die USA zieht.

Und wenn nichts in Deutschland und Europa passiert? In diesem Fall, so Dohse, entscheiden sich die Firmen für eine Abwanderung. Als Folge könnten Wachstum und Produktivität leiden.

Fazit: USA waren als Investitionsstandort immer beliebt und wichtig

Dass deutsche Unternehmen verstärkt Investitionen in den USA planen, ist angesichts der vielen Krisen keine Überraschung. Energiepreise, fehlendes Personal und die steigenden Preise für die benötigten Rohstoffe sind unattraktiv. Schauen wir uns die Vergangenheit an, ist der Trend aber auch nicht ungewöhnlich: Bei deutschen Unternehmen war der Standort USA als Investitionsstandort schon immer populär.

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