Mit dem Boss privat abhängen – laut Psychologen eine schlechte Idee. Die brisante Seite der Freundschaft zwischen Chef und Mitarbeiter.

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Chef als Kumpel: Segen oder doch ein Fluch?

Chefs müssten darauf achten, welchen Hut sie tragen – ob sie gerade Kumpel oder doch der Vorgesetzte sind, so die österreichische Arbeitspsychologin Christa Schirl. Grundsätzlich ist es ja so: Freundschaften bereichern das Leben. Eine mit dem eigenen Boss könnte das Gegenteil bewirken. Und das trotz flacher Hierarchien.

Die Expertin verweist auf die Schwierigkeit der Vereinbarkeit beider Rollen. Bei beruflichem Feedback etwa müssten Mitarbeiter und Chefs versuchen, emotionale Distanz zu wahren, um freundschaftliche Gefühle nicht mit der beruflichen Professionalität zu vermischen. Und das ist gar nicht so einfach, wenn eine emotional tiefgreifende Bindung besteht, wie es bei Freundschaften der Fall ist.

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Übrigens: Eine gute Beziehung zum Chef muss noch lange nicht bedeuten, dass es sich um eine private Freundschaft handelt. Auch ein kollegiales Miteinander kann manchmal nach mehr aussehen, obwohl es lediglich zu einem guten Arbeitsklima beiträgt. Dagegen ist nichts einzuwenden und ein positiver Umgang miteinander ist förderlich für das Wir-Gefühl im Team.

Risiko der Chef-Mitarbeiter-Freundschaft: Verdacht auf Bevorzugung

Während Formulierungen wie „Freundschaft mit dem Chef“ harmlos erscheinen, klingt „Vetternwirtschaft“ wesentlich heikler. Definiert wird Letzteres als die übermäßige Bevorzugung von Verwandten, aber auch von Freunden sowie Bekannten im beruflichen Kontext.

Beispiel: Es steht die Beförderung eines Mitarbeiters an. Dieser ist privat mit seinem Boss befreundet. Sollte der besagte Mitarbeiter befördert werden, weil dieser Leistung erbringt und großes Potenzial hat, könnte aufgrund der Chef-Mitarbeiter-Freundschaft dennoch Skepsis bei der Belegschaft aufkommen: Verdient er den Posten wirklich? Ist er qualifiziert? Oder bekommt er ihn, weil er bevorzugt wird?

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Ein unfaires Verhalten des Chefs, der seine festen Lieblingsbuddies hat, kann grundsätzlich zu Problemen in Unternehmen führen. Teammitglieder fangen zum Beispiel an, sich als Konkurrenz zu sehen. Die Arbeitsatmosphäre wird toxisch. Das Misstrauen dem Chef und anderen Kollegen gegenüber wächst.

Umgekehrter Fall: Private Freundschaft kann belastet werden – nicht nur der Job

„Daran musst du arbeiten“: Ein simpler Satz vom Chef, der auf professioneller Ebene nachvollziehbar ist, auf Freundschaftsebene aber schnell nach Hierarchie klingen kann. Und das sind Freundschaften eben nicht – sie sollten immer auf Augenhöhe stattfinden. Trotz flacher Hierarchien können Dienstanweisungen und Kritik, die vom Boss kommen, bei Mitarbeitern, die auch privat mit diesem befreundet sind, für Missmut sorgen.

Die Folge: Es wird die Authentizität und Ehrlichkeit infrage gestellt. Ganz nach dem Motto: „So bist du doch sonst nicht zu mir!“

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Auf privater Ebene kann das Switchen zwischen Chef und Kumpel die Freundschaft belasten. Es geht also um mehr als nur um die berufliche Beziehung. Langjährige Freundschaften werden auf die Probe gestellt, zum Beispiel, wenn eine Führungskraft ein gutes Wort im Unternehmen einlegt, um einen Kumpel mit ins Boot zu holen, der eine Stelle sucht. Die Identität der Freundschaft verschwimmt nun mit der beruflichen Beziehung, die auf Professionalität beruht.

Gefährlich: Die Erwartungen schießen in unrealistische Höhen

Eine Freundschaft mit dem Boss kann funktionieren und Freundschaften am Arbeitsplatz können generell die Motivation erhöhen, morgens aufzustehen und sich auf etwas zu freuen. Man müsse jedoch grundsätzlich keine Freunde im Unternehmen haben, so Annette Schlipphak, Vizepräsidentin im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Wichtiger seien Freude am Job, eine gute Zusammenarbeit und Ziele, die man gemeinsam mit Kollegen habe. Außerdem sei die Frage, ob und wie viel Privates man im beruflichen Umfeld tatsächlich offenbaren wolle, auch wichtig.

Besonders brisant wird die Situation, wenn Erwartungen, die eigentlich auf freundschaftlichen Wertvorstellungen beruhen, auf die berufliche Beziehung übertragen werden. Im Job kann das zu einer überhöhten, unrealistischen Erwartungshaltung führen. So können Mitarbeiter von ihrem Boss, wenn sie mit diesem auch befreundet sind, erwarten, bevorzugt informiert zu werden, wenn Veränderungen im Betrieb anstehen.

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Oder: Mitarbeiter müssen entlassen werden – auch solche, die eine enge Freundschaft mit dem Chef pflegen. Negative Gefühle, die mit einer Kündigung einhergehen, könnten sich auf die freundschaftliche Beziehung übertragen, obwohl Vorgesetzte „nur“ ihren Job erledigen, wenn sie andere entlassen müssen.

Freundschaftliche Geheimnisse können nicht immer mit dem Chef geteilt werden

Heute einfach mal die Beine hochlegen, sich krankschreiben lassen – gar nicht erst auf der Arbeit auftauchen? Sind Beschäftigte und Vorgesetzte Freunde, kann es schwierig oder gar riskant sein, dem Chef mitzuteilen: „Du, ich habe heute einfach keine Lust auf Arbeit!

Ob Brückentag mitnehmen oder einfach mal auf der faulen Haut liegen und krankfeiern: Während der Kumpel diese Informationen für sich behält, kann das der Vorgesetzte schon aufgrund seiner Pflichten als Chef nicht immer tun.

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Das Krankfeiern kann im schlimmsten Fall zu einer Kündigung führen, wenn Mitarbeiter ihre vereinbarten Pflichten verletzen und nicht erscheinen, obwohl sie putzmunter sind. Wer seinem Chef die Wahrheit nicht sagt, um seinen Job nicht zu riskieren, muss auch zwangsläufig seinen Freund belügen. Ein Risiko für die Freundschaft, zumal das Vertrauen auf die Probe gestellt wird.

Probleme mit den Kollegen: Neid ist keine Ausnahme

Zu den wichtigsten Gründen für Kollegenneid zählt das jeweilige Verhältnis zum Chef. Die Anerkennung der Vorgesetzten ist für viele Mitarbeiter wichtig. Bleibt diese aus, weil die mit dem Boss befreundeten Kollegen immer wieder die Lorbeeren für die Teamarbeit einsacken, kann das zu Wut und berechtigterweise auch zu Neid führen, falls es zu einer Benachteiligung kommt.

Und: Manchmal geschieht dies sogar unterbewusst. Auch wenn der Chef sich möglichst neutral und professionell verhalten will, ist es subjektiv betrachtet fast schon unmöglich, sich emotional von einem guten Freund zu distanzieren. Geheimnisse, Hürden und Erlebnisse, die schon gemeinsam erlebt worden sind und geteilt werden, formen ein subjektives Bild des Freundes und prägen unsere Gedanken. Diesen plötzlich nur als Mitarbeiter beurteilen und alle Emotionen ausschalten – schwierig.

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Der Neid im Team kann zum Problem werden. Diskussionen, passiv-aggressive Bemerkungen und fehlendes Vertrauen sind keine gute Basis für Teamarbeit.

Was muss ich beachten, wenn mein Boss auch mein Freund ist?

Offene Gespräche über berufliche und private Grenzen sind unabdingbar, wenn Chef und Mitarbeiter miteinander befreundet sind. Es kann immer wieder zu Schwierigkeiten kommen, etwa wenn sich Veränderungen im Unternehmen ergeben oder wenn Streitereien aufflammen. Zofft man sich privat, stellt sich die Frage: Wie geht man im Job miteinander um?

Zudem ist es wichtig, die eigenen Erwartungen an den Boss zu reflektieren, wenn dieser zugleich ein guter Freund von dir ist. Eine Gleichbehandlung sowie die Wertschätzung aller Mitarbeiter ist wichtig, um Neid und Missgunst zu verhindern. Eine zu kumpelhafte Beziehung im Unternehmen schadet der professionellen Beziehung.

Kumpelfalle: Freundschaft mit dem Chef will immer gut überlegt sein

Was häufig nicht zu verhindern ist, ist die grundsätzliche Skepsis der Kollegen: Wer eine Gehaltserhöhung bekommt, befördert wird oder einen anderen Vorteil genießt, wird unter Generalverdacht gestellt – nur aufgrund der privaten Beziehung zum Chef. Eine Freundschaft will deshalb gut überlegt sein. Sie kann eine Freude sein, aber sie hat Schattenseiten.

Bild: izusek/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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