Chefposten und Teilzeit in einem Atemzug? Früher kaum vorstellbar, heute machbar und immer wichtiger für Führungskräfte.

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Große Unternehmen wie Mercedes-Benz, Bosch oder die Deutsche Bahn machen es vor: Tandem-Modelle und flexible Teilzeitoptionen für Führungskräfte sind in diesen Unternehmen bereits etabliert. Bosch soll eigenen Angaben nach ca. 1.500 Menschen beschäftigen, die nicht nur Teilzeitangestellte sind, sondern als Führungskraft ein Team leiten. Familienplanung und Karriere schließen sich hier nicht aus.

Denn auch ein Boss will zum ärztlichen Vorsorgetermin, das Kind abholen oder den Wocheneinkauf erledigen, bevor der Supermarkt schließt. Tägliche Aufgaben, die im Alltag bei Zeitmangel und Vollzeitauslastung Stress auslösen. Im Job kürzertreten und mehr Zeit für sich und die Familie haben, ob nur vorübergehend oder dauerhaft: Angestellte, die in der Chefetage sitzen, müssen davon häufig noch leise träumen. Denn nicht alle Unternehmen lassen sich auf die Veränderung ein.

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Auch wenn es für einige kaum vorstellbar ist, Beschäftigte in Leitungsposition mit viel Verantwortung und Ambition, die als Workaholics abgestempelt werden, sehnen sich manchmal auch danach, die Füße hochzulegen, einfach mal Netflix zu bingen und nichts zu tun, um ihre Batterien aufzuladen. Und: Welche Mitarbeiter freuen sich nicht über einen ausgeglichenen Chef?

Teilzeit macht Familie und Karriere möglich

Vor allem Mütter oder Frauen mit Kinderwunsch haben es nicht einfach, wenn sie einen Aufstieg anstreben, diesen aber nicht realisieren können, weil eine halbe Stelle als Option ausscheidet. New Work schreibt Veränderung groß: Nachwuchstalente, die auf den Arbeitsmarkt strömen und junge Menschen, die in die Führungsetagen aufsteigen, setzen auf Flexibilität. Dazu gehört auch Führen in Teilzeit.

Generell sehnen sich viele Arbeitnehmer nach Zeit. Wenn sie könnten, würden Beschäftigte weniger arbeiten. Etwa 53 Prozent wünschen sich eine kürzere Arbeitswoche, so die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Obwohl flexible Arbeitszeitmodelle für Mitarbeiter häufiger diskutiert werden, bleiben Chefs manchmal auf der Strecke, weil es traditionell nicht vorgesehen ist, Mitarbeiter zu führen, während man selbst in Teilzeit angestellt ist. Doch moderne Arbeitszeitmodelle zeigen, dass Karriere, Familie und Freizeit funktionieren können.

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Wie kann Teilzeit für Führungskräfte etabliert werden?

Obwohl einige Großunternehmen vormachen, wie es gehen kann, handelt es sich beim Konzept „Führen in Teilzeit“ noch um ein Projekt in Kinderschuhen. Denn in Deutschland arbeiten die meisten Chefs immer noch in einer Vollzeitanstellung.

Und so einfach ist die Umsetzung nicht immer, weil strukturelle Veränderungen die wichtigste Voraussetzung sind und die Bedingungen sich branchenspezifisch unterscheiden. Wer zum Beispiel ein Team in der Produktion mit Schichtsystem leitet, hat andere Bedürfnisse und Rahmenbedingungen als eine Führungskraft, die im Vertrieb tätig ist oder ihre Aufgaben zum Teil im Homeoffice erledigen kann. Wie kann die Führungsposition in Teilzeit also funktionieren?

1. Jobsharing im Tandem-Modell anbieten

Zwei Führungskräfte auf einem Tandem-Bike: So könnte man sich das Tandem-Arbeitsmodell für Chefs vorstellen, die einen gemeinsamem Posten besetzen, Aufgaben und Zeit aber klar aufteilen. Damit wird auch die Verantwortung geteilt und das, was vielleicht nicht so gut läuft, geht zulasten beider. Ein solches Jobsharing ermöglicht es, dass ausgelastete Führungspersonen, etwa Frauen, die neben Familienleben auch ihre Karriere verfolgen möchten, sich weniger gestresst fühlen und flexibel bleiben, aber auch Männer, die traditionell eher in Führungspositionen zu finden sind, die Möglichkeit eines Downshiftings haben.

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2. Reduzierung der Stunden mit Arbeitsabläufen abstimmen

Einfach so die Stundenanzahl reduzieren – das ist gerade bei Führungskräften nicht problemlos umsetzbar. Viel Zeit für die ersten Probeläufe, eine klare Zuteilung der Verantwortlichkeiten und Regelungen für eine Vertretung sind das A und O, damit Arbeitsabläufe effizient gestaltet werden können. Was soll passieren, wenn etwas nicht nach Plan verläuft? Wer ist wann Ansprechpartner für das Team? Auch diese Frage sollte beantwortet werden.

Man sieht: Auch Flexibilität will manchmal gut geplant sein. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, steht Führungskräften und ihren Teams nichts im Weg.

3. Es braucht Positivbeispiele im Unternehmen

An Altbekanntem wird oft festgehalten, während neue Modelle sich erst beweisen müssen. Nicht jeder wird davon begeistert sein, alternative Arbeitszeitmodelle für Chefs zu entwickeln, zumal es fast schon zum guten Ton gehört, als Führungskraft auch Workaholic zu sein und ein Kürzertreten als eine Art „Verweichlichung“ abgetan werden könnte.

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Um das Führen mit Teilzeitoption in Firmen zu etablieren und eine Abwertung zu verhindern, müssen Unternehmen und ihre Führungskräfte selbst als Positivbeispiel vorangehen und das Konzept kultivieren, um andere Angestellte in Leitungsposition davon zu überzeugen, wie ein solches Modell umgesetzt werden kann – denn die Motivation kommt meist nicht von allein und die Sehnsucht nach Veränderung wächst, wenn diese real und in greifbarer Nähe ist. Wer mutig vorangeht, kann so vorleben, was machbar ist und was nicht.

Zudem fehlt es manchmal an Aufklärung: Obwohl über Modelle wie das Jobsharing gesprochen wird, bleibt das Konzept diffus, sodass die Neugier abebbt, bevor Begeisterung für solch neuartigen Modelle überhaupt aufkommen kann. Dass Teilzeitoptionen konkret in Stelleninseraten angezeigt werden, wenn diese für Führungskräfte möglich sind, ist bereits ein wichtiger Schritt, den Unternehmen gehen. Wer die Optionen mit Beispielen aus dem Unternehmensalltag belegen kann und sie zum Beispiel via Social Media teilt, geht noch einen Schritt weiter.

4. Spezifische Arbeitsplatzsituation analysieren

Wo immer möglich, sollten oder müssen Unternehmen mit konservativ-traditionellen Strukturen versuchen, sich zumindest auf kleine Veränderungen einzulassen:

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  • Welche Arbeitsplätze lassen eine Reduzierung der Stundenanzahl zu?
  • Welche Lösungen können gemeinsam erarbeitet werden, um Mitarbeiter in Leitungsposition zu entlasten?

Denn der Arbeitsmarkt und damit auch die Forderungen von Beschäftigten befinden sich in einem großen Wandel, sodass das permanente Festhalten an alten Arbeitszeitmodellen und Konzepten zum Wettbewerbsnachteil werden kann.

Eine genaue Analyse der jeweiligen Posten und den damit verbundenen Anforderungen, aber auch die der Bedürfnisse und individuellen Lebensumstände – Familie, Angehörige, die gepflegt werden, spezielle Lebenssituationen – sollte durchgeführt werden.

5. Ohne Kommunikation wird nichts gehen

Klare Absprachen gehören zur wichtigsten Zutat für Unternehmen, die es ihren Angestellten ermöglichen wollen, neue Wege auszuprobieren und ihre Stundenanzahl als Führungskraft zu reduzieren. Damit ist nicht nur die Kommunikation mit dem Team gemeint, das geleitet wird, sondern auch die Art der Kommunikation und Rücksprache, die zwischen Führungskräften stattfindet: Zeitmanagement, die Delegation von Aufgaben, Personalentscheidungen – darüber wird in Unternehmen mit etablierten Teilzeitmodellen für Führungspersonen regelmäßig gesprochen.

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Der Austausch verhindert Missverständnisse und fördert ein entspanntes Miteinander, um auch als Chef mal das Smartphone abschalten zu können, wenn alles geklärt und Familienzeit angesagt ist.

Führungskräfte in Teilzeit: Ein Modell, das Karrierechancen ermöglicht

Ob Familienväter und -mütter, junge Führungskräfte mit Wunsch nach Freiheit und Flexibilität oder leitende Beschäftigte, die vorübergehend weniger arbeiten möchten: Die Reduzierung der Arbeitsstunden kann entlasten und zugleich eine Karriere in der Führungsetage ermöglichen.

Die Herausforderungen, die mit einer solchen Veränderung einhergehen, sollten nicht unterschätzt werden. Vor allem wird der Abstimmungsaufwand im Unternehmen größer sein, wenn Teilzeitoptionen angeboten werden. Klare Absprachen mit der Belegschaft und mit den Kollegen sind deshalb Bedingung. Zudem gilt es, auch in weniger Arbeitszeit Führungsaufgaben effizient zu meistern, ohne dass die Leistung einbüßt.

Bild: filadendron/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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