Der Verweis auf scheinbare Experten oder „Red Herring“ als Ablenkungstaktik: Wenn Argumente ausgehen, greifen Sophisten zu bizarren Scheinargumenten.

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Sophismus: In der Arbeitswelt keine Seltenheit

Bereits in der Antike waren sogenannte Sophisten unterwegs und zogen Menschen mit ihrem Sprachgeschick in ihren Bann. Doch so „klug“ oder „weise“, wie das Wort „sophós“ es aus dem Griechischen haben will, sind Sophisten nicht in allen Fällen: Auch wenn sie sich wunderbar auf ihrem Expertengebiet auskennen, beherrschen sie die Kunst, gut zu reden und Menschen mit ihrer Redekunst auch zu täuschen.

Bitte keinesfalls falsch verstehen: Auch heute brauchen wir gute Redner und talentierte Experten, die ihr Wissen auf rhetorisch hochwertige Weise vermitteln. Sie sind eine Bereicherung für die Gesellschaft und schaffen es, trockene Inhalte in lebendiges Wissen umzuwandeln. Und sie verdienen, genau wie die damaligen griechischen Redner auch, ihr Geld damit. Wer jedoch zu Scheinargumenten greift, macht nichts anderes als Taktieren und Täuschen.

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Aufgedeckt: Was sind Scheinargumente?

Scheinargumente sind Argumente, die im Grundsatz nicht zutreffend sind, oft vom eigentlichen Inhalt ablenken oder gänzlich unlogisch sind. Sie basieren auf Meinungen, die in unseren Köpfen fest verankert sind und auch darauf, in einer aufgeladenen Diskussion nicht verlieren zu wollen. Bizarre Aussagen, die eigentlich offensichtlich falsch sind, kommen immer wieder vor.

Vor allem in Alltagssituationen, aber auch im Beruf, haben wir es mit Menschen zu tun, die zu Scheinargumenten greifen. Weil es manchmal kaum möglich ist, richtig zu kontern, sind solche Argumente auch als „Totschlagargumente“ bekannt. Ein weiteres Synonym ist „Killerphrase“.

Welche Scheinargumente gibt es?

Scheinargumente, die im Beruf, aber auch in unserem Privatleben häufig zum Einsatz kommen, erkennen wir nicht sofort. Das sind einige der typischen Totschlagargumente:

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#1: Argumentum ad hominem – eine Person direkt angreifen

Es ist eine der gängigsten Arten, bei fehlenden Argumenten zu kontern: Jemand verlässt die sachliche Ebene und sucht einen vermeintlichen Fehler, der sich zum Beispiel auf Wesen und Charakter, Lebensweise oder Vorlieben bezieht. Im Grunde handelt es sich um eine als Argument verkleidete Erniedrigung.

Beispiel: „Du willst eine Beförderung, hast aber nicht einmal deine Pubertät beendet.“

#2: Argumentum ad verecundiam – scheinbare Experten heranziehen

Fehlen die Belege für eine Aussage, beziehen sich Argumentierende in einer Diskussion auf angeblich seriöse Experten, um ihre Thesen zu unterstreichen. An der Seriosität eines Experten muss an sich nicht gezweifelt werden, wenn dieser sich auf seinem persönlichen Themengebiet auskennt. Zu „scheinbaren“ Experten werden sie aber, wenn sie mit dem diskutierten Themengebiet eigentlich nichts am Hut haben. Wer sich zum Beispiel auf einen Professor für Englisch bezieht, der in einem Essay die Erderwärmung erwähnt, aber kein Geologe ist oder keinen speziellen Hintergrund dazu hat, greift zu einem Scheinargument, um den eigenen Standpunkt zu festigen.

Beispiel: „Für die Klimaschwankungen sind wir Menschen eigentlich gar nicht verantwortlich. Das kannst du selbst nachlesen – Professor Müller hat das in seinem Essay gestern erwähnt.“

#3: Red Herring – jemanden absichtlich in die Irre führen

Der berühmte „rote Hering“ dient als Ablenkungsmanöver: Es wird ein Köder – symbolisch der rote Fisch – verwendet, um Diskutierende bewusst abzulenken und damit in die Irre zu leiten. War der Versuch erfolgreich, wird ein neues Thema eröffnet, welches im Grunde aber nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat.

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Beispiel: Ausgangsthema „Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen“

Herr Müller: „Weil wir Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen haben, ist es wichtig, sich für die Belange der weiblichen Berufstätigen einzusetzen.“

Herr Schmidt: „Ja, aber wir werden heute sowieso schlechter bezahlt. Ich hab letztens erst erfahren, dass Sascha in seinem alten Job viel zu wenig verdient hat. Heinrich auch.“

Herr Müller: „Eigentlich wollten wir heute über die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen sprechen …“

Herr Schmidt: „Unglaublich, dass die Unternehmen die beiden so schlecht bezahlt haben.“

#4: Argumentum ad populum – sich auf „alle Menschen“ als Argumentationsgrundlage beziehen

Es ist ebenfalls eine gängige Taktik, sich auf „das Volk“ oder auf eine Mehrheit als Ganzes zu beziehen, wenn in einer Diskussion die Grundlage für einen Beweis fehlt. Gängige Meinungen, die eigentlich subjektiv sind, aber oft einen großen Zuspruch bekommen, dienen hier als Argumentationsgrundlage.

Dabei ist es nicht ganz korrekt, eine vermeintlich logische Schlussfolgerung zu legitimieren und zu verstärken, wenn diese sich scheinbar auf die Allgemeinheit bezieht. Denn nicht jeder vertritt die Meinung – und etwas muss nicht stimmen, weil die Mehrheit es subjektiv so wahrnimmt.

Beispiel: „In der Mittagspause verzichte ich heute auf die Nudeln. Eine Ernährung ohne Kohlenhydrate ist sowieso die gesündeste Art der Ernährung. Das sieht ja jeder so.“

#5: Strohmann-Argument

Jemand unterstellt dir in einer Diskussion etwas, was du eigentlich nie behauptet hast. Der Hintergrund ist deshalb ein informeller Trugschluss, der dazu führt, dass das Gegenüber den Diskussionspartner „zerlegt“. Es geht darum, die Argumentation des Diskussionspartners zu entkräften, indem das Gesagte verdreht und ins Lächerliche gezogen wird. Bekannt ist diese Art des Argumentierens als Strohmann-Argument (engl. „Straw Man Fallacy“)

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Beispiel:

Herr Schmidt: „Weil Fachkräfte aus dem Ausland manchmal Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, muss da unbedingt etwas passieren, damit sie es einfacher haben, den Arbeitsalltag zu bewältigen.“

Herr Müller: „Aha – du findest also, dass jeder Ausländer schlechtes Deutsch spricht? Interessant.“

Wie reagiere ich auf Scheinargumente?

Ob im Job oder im Freundeskreis: Wer mit Sophisten ins Gespräch kommt, die dazu neigen, alles zu verdrehen oder Aussagen mit ihrer redegewandten Art so zurechtzulegen, dass sie auf einmal logisch und sympathisch klingen, hat es nicht einfach.

Wie du reagierst, hängt auch vom jeweiligen Scheinargument und deinem Diskussionspartner ab. Beachte Folgendes, wenn du merkst, dass jemand ein Scheinargument vorträgt:

  • Gehe dazu über, Rückfragen zu stellen: Anstatt beharrlich die eigene Meinung durchsetzen zu wollen, kannst du versuchen, konkrete Fragen zu stellen. So versuchen wir nicht, jemandem, der ohnehin von seiner Meinung überzeugt ist, unsere mittels Monolog aufzudrücken – sondern Logikfehler aufzuklären und miteinander im Dialog zu sprechen.
  • Bleibe bei dir: Besonders die Scheinargumente, mit denen wir bloßgestellt werden, provozieren uns oft. Anstatt auf die gleiche Ebene zu gehen, sollten wir uns jedoch nicht dazu verleiten lassen, unser Gegenüber ebenfalls zu erniedrigen. Bleibe deshalb ganz bei dir.
  • Sprich die Auffälligkeit im besten Fall direkt an: Wenn dir ein spezielles Manöver auffällt, kannst du es situationsabhängig sachlich und freundlich ansprechen, ohne einen Vorwurf daraus zu machen und gleichzeitig mitteilen, dass du durchaus Verständnis für die Aufgebrachtheit hast. Bitte in diesem Rahmen auch darum, zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
  • Bleibe auf der Sachebene: Lasse dich nicht dazu verführen, selbst vom Thema abzuschweifen, indem du impulsiv bist und keine sachlichen Argumente vorbringst. Beziehe dich auf die Sache und arbeite mit konkreten Informationen, die dir vorliegen.
  • Verstärke deine Position – anstatt die andere zu zerlegen: Du musst nicht auf jedes Scheinargument eingehen, um zu versuchen, es zu zerstören. Konzentriere dich auf deine starken Argumente und bringe mehr von diesen hervor. Denn andernfalls gibt der Scheinargumentierende mit seinem Vorgehen die Richtung an.

Bild: skynesher/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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