Viele trans* Menschen geben ihre Jobs auf. Aus Sorge vor Diskriminierung und weil das Anerkennungsverfahren bisher andauerte. Was ändert sich?

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Inhalt:
1. Was soll sich künftig ändern?
2. Was bedeutet trans*?
3. Berufs- und Karriereprobleme von trans* Personen
4. Deadnaming
5. Wann müssen Arbeitgeber Arbeitsdokumente ändern?
6. Sanitäre Einrichtungen
7. Diversität fördern und Diskriminierung verhindern

Die Abwesenheit der rechtlichen Absicherung für trans* Menschen, deren Geschlechtsidentität und Namen im Job in Dokumenten nicht geändert wird, weil das offizielle Anerkennungsverfahren Zeit beansprucht, zwang sie in der Vergangenheit häufig dazu, ihren Arbeitsplatz aufzugeben. Oder aber die eigene Identität gänzlich zu verhüllen und sich so einem Doppelleben zu fügen.

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Diskriminierung am Arbeitsplatz spiegelt das gesellschaftliche Bild im Umgang mit trans* Menschen wider. Viele von ihnen kämpfen bis heute um die Anerkennung ihrer Identität, und das auf sozialer und rechtlicher Ebene. In der Arbeitswelt schreiben moderne Unternehmen „Diversität“ mittlerweile aber groß: Ob Herkunft, sexuelle Identität oder Geschlecht, jeder soll fair und gleich behandelt werden.

Selbstbestimmungsgesetz: Was soll sich künftig ändern?

Bisher galt das Transsexuellengesetz (TSG), welches vielfach kritisiert worden ist. Die Regierung hat beschlossen, es durch das neue Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Ende nächsten Jahres, am 01. November 2024, soll es laut Gesetzesentwurf offiziell möglich sein, dass Betroffene sich die rechtlichen, behördlichen und auch emotionalen Hürden sparen. Ein Antrag beim Standesamt soll genügen, um Namen und Geschlechtseintrag anpassen zu lassen. Sowohl nichtbinäre als auch intergeschlechtliche und transgeschlechtliche Personen sollen es somit einfacher haben und müssen sich nicht mehr den häufig entwürdigenden, nervenaufreibenden und langandauernden Antragsprozessen stellen, welche unter anderem mit einer psychologischen Begutachtung einhergehen.

Begriffserklärung: Was bedeutet das Sternchen im Wort „trans*“?

Der Stern (Asterisk) hinter „trans“ dient grundsätzlich als Platzhalter und symbolisiert Vielfalt. Personen, denen eine Identifikation mit dem (biologischen) Geschlecht, welches ihnen offiziell bei ihrer Geburt zugeteilt worden ist, nicht möglich ist, werden als trans* Personen bezeichnet.

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Berufs- und Karriereprobleme von trans* Personen

In einer Veröffentlichung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) werden die beruflichen Hürden für trans* Beschäftigte deutlich:

  • Viele Betroffene haben Schwierigkeiten, einen passenden Arbeitsplatz zu finden und berichten von Diskriminierungserfahrungen.
  • Arbeitsstellen werden während der Transition häufig aufgegeben, sodass Jobs erst wieder gesucht werden, wenn die Anpassung vollendet ist.
  • Aus Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren oder weil es der Karriere schaden könnte, ziehen es einige trans* Personen vor, ihre wahre Identität für sich zu behalten.
  • Personen, die trans* sind, werden bei Beförderungen systematisch übergangen oder haben Schwierigkeiten damit, gefördert zu werden.
  • Trotz guter Qualifikation haben es trans* Menschen manchmal schwierig, ein angemessenes Arbeitsentgelt zu erhalten und müssen sich häufiger mit wenig zufriedengeben.

Deadnaming: Dürfen Arbeitgeber trans* Personen bei ihrem alten Namen nennen?

Grundsätzlich sieht das sogenannte Offenbarungsverbot vor, dass in Fällen, in denen Betroffene, deren vergangene amtliche Identität, zum Beispiel frühere Namen oder Einträge des Geschlechts, durch anderen Personen offengelegt oder ausgeforscht werden, ein Bußgeld droht. Trotzdem regelt auch das neue Selbstbestimmungsgesetz nicht explizit, ob ein „Deadnaming“ grundsätzlich untersagt ist.

Was aber gilt in der Arbeitswelt? Haben Beschäftigte ihren Namen amtlich ändern lassen, sollten Arbeitgeber stets darauf achten, dass dieser korrekt verwendet wird. Auch eine noch ausstehende Änderung bedarf im beruflichen Kontext einer Sensibilisierung und sollte von Unternehmen rücksichtsvoll behandelt werden, denn vor allem Arbeitgeber sind dazu aufgefordert, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Folge zu leisten und Diskriminierung zu verhindern.

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Wann müssen Arbeitgeber den Namen von Betroffenen in Arbeitsdokumenten ändern?

Neben dem Aufgreifen der Diskriminierungsthematik und dem Schutz von Betroffenen, dem sich immer mehr Unternehmen und Arbeitgeber widmen, geht es auch um weitere rechtliche Aspekte. Im arbeitsrechtlichen Kontext ergeben sich einige Herausforderungen für Unternehmen und Betroffene.

So geht es zum Beispiel um die Frage, wie mit einer inoffiziellen Namensänderung und den damit einhergehenden Pronomen umgegangen werden soll, damit Betroffene in puncto Sozialversicherung und in weiteren rechtlichen Aspekten eindeutig zugeordnet werden können. Dies betrifft zum Beispiel auch die Identifikation in steuerrechtlichen Zusammenhängen.

Zunächst einmal: Dank der Vertragsfreiheit in Deutschland könnte auf dem Arbeitsvertrag (betriebsintern) theoretisch jeder Name stehen, sofern Beschäftigte dennoch eindeutig identifiziert werden können, etwa mit der Hilfe der Personalausweisnummer.

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Auch wenn der amtliche Name und die Geschlechtsidentität von offizieller Seite noch nicht anerkannt worden sind oder eine Person sich in Transition befindet, sehen Fürsorgepflicht, Gleichbehandlungsgesetz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, dass Arbeitgeber die Identität und Wünsche von Betroffenen respektieren und sie auch entsprechend behandeln. Zumindest betriebsintern soll es kein Problem sein, trans* Personen und ihrem Wunsch nachzukommen und zum Beispiel persönliche Anrede, Namensschilder oder etwa E-Mail-Adresse anzupassen, auch wenn der amtliche Name (derzeit noch) ein anderer ist.

Es ist umstritten, aber aus rein rechtlicher Sicht fehlt für die „nicht-betriebliche Anpassung“ eine Absicherung für trans* Personen, die aufgrund eines andauernden Anerkennungsverfahrens auf offizieller Ebene – etwa im Ausweis – (noch) keine Änderung durchsetzen konnten. Obwohl so inoffiziell dem Wunsch nachgekommen wird, trans* Personen mit denen von ihnen gewählten Pronomen und Namen anzusprechen, kann dies ohne amtliche Anerkennung zumindest auf dem Papier, welches nicht betriebsintern ist und etwa Gerichten vorgelegt werden soll oder zur Identifikation bei der Polizei dient, zu Problemen führen.

Dank des Selbstbestimmungsgesetzes soll die Umsetzung von offiziellen Änderungen künftig auch zügiger möglich sein. Ob im Arbeitsvertrag, in beruflich relevanten Dokumenten oder in Zeugnissen – sobald eine Namens- und Geschlechtsidentitätsänderung offiziell und rechtlich anerkannt worden ist, müssen Arbeitgeber sich ebenfalls anpassen und entsprechende Änderungen vornehmen.

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Sanitäre Einrichtungen: trans* Personen und das Problem mit dem stillen Örtchen

Schwierig ist häufig auch die Frage der Toilettennutzung durch trans* Personen, die oft diskriminierende Erfahrungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität machen müssen. Möchte eine trans* Frau, die biologisch als Mann geboren wurde, die Damentoilette nutzen, kann es beispielsweise zu Problemen mit anderen Arbeitnehmerinnen eines Unternehmens kommen, die sich nicht mit dem Gedanken anfreunden können.

Herausforderungen wird es in dieser Hinsicht auch künftig geben: Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Deutschland sieht zur Wahrung der Privats- bzw. Intimsphäre „männliche“ und „weibliche“ Toiletten vor und trennt diese strikt voneinander. Unisex-Toiletten sind in Metropolen keine Seltenheit und auch einige Universitäten bieten sie an. Im Sommer 2022 präsentierte der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) im Rahmen der Richtlinienreihe VDI 6000 jedoch, wie geschlechtsneutrale oder geschlechtsunspezifische Unisex-Toiletten aussehen könnten und erntete dafür heftige Kritik. Ein Shitstorm in den sozialen Medien, aber auch Medienberichte bezogen sich zum Beispiel darauf, dass wichtige Schutzräume, etwa für Frauen auf, diese Weise abgeschafft werden würden.

Arbeitgeber sollten die Entscheidung von trans* Beschäftigten aber grundsätzlich unterstützen, so das Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung Nordrhein-Westfalen. Dies sei auch auf das Gleichbehandlungsgesetz zurückzuführen. Es kann deshalb hilfreich sein, auch um Diversität zu fördern, das Thema offen in Betrieben und mit der Belegschaft zu besprechen, um Diskriminierung zu verhindern.

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Arbeitgeber in der Pflicht: Diversität fördern und Diskriminierung verhindern

Obwohl es aus rein rechtlicher Sicht noch einige Fragen zu klären gibt, steht fest, dass Diversität immer wichtiger wird. Das Selbstbestimmungsgesetz soll ein weiterer Schritt sein, um Betroffenen von Diskriminierung einige Hürden zu nehmen – und auch Arbeitgeber stehen hier in der Pflicht, ihre Beschäftigten zu schützen und zu unterstützen.

Unumstritten ist aber das Konfliktpotenzial in Gesellschaft und Arbeitswelt: Noch immer handelt es sich um eine Angelegenheit, die in vielerlei Hinsicht diskutiert wird und für geteilte Meinungen sorgt. Indem Unternehmen bewusst Räume für Austausch, Diskussion und Sensibilisierung schaffen, können sie gegen Diskriminierung in der Arbeitswelt vorgehen.

Bild: DarioGaona/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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