Einsamkeit im Job ist keine Seltenheit, sondern tägliche Realität vieler (junger) Menschen. Es wird Zeit, offen darüber zu sprechen.

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Hinter der Fassade steckt das Tabu der Einsamkeit

Ob still und isoliert in einem abgeschotteten Raum sitzend oder sogar im Großraumbüro unter Menschen: Einsamkeit im Job trifft viele Arbeitnehmer. Es ist kein Thema, das häufig diskutiert wird. Vielleicht, weil Einsamkeit gut hinter einem lächelnden, freundlichen Gesicht maskiert wird. Oder aber, weil das Tabuthema mit Scham behaftet ist. Niemand gibt gerne zu, sich nicht dazugehörig zu fühlen.

Und doch ist es notwendig, darüber zu sprechen. Zahlen des Unternehmens Cigna, die aus dem Report Loneliness and the Workplace stammen, belegen diese traurige Realität. Es wurden mehr als 10.000 Beschäftigte befragt. Junge Menschen fühlen sich besonders isoliert. 7 von 10 Gen Z-lern gaben an, Einsamkeit zu spüren. Auch Millennials gehören zu der Gruppe der Arbeitnehmer, die sich häufiger abgeschottet fühlen.

Als Grund, weshalb junge Menschen Einsamkeit im Job feststellen, wurde angegeben, dass die Verbundenheit fehlt – unter anderem, weil man sich aufgrund von unterschiedlichen Wertvorstellungen „verstellen“ müsste, wenn man nicht dem Idealbild der Arbeitgeber entspricht. Dass Werte und Vorstellungen ein Konfliktthema zwischen den Generationen darstellen, ist nicht neu. Weiterhin wird heute aber auch vermutet, dass Remote Work dazu beiträgt, die soziale Isolation zu verstärken. Es ist eine Kehrseite der neuen Arbeitswelt, die durch Corona besonders einprägsam und deutlich wurde.

Übrigens: Älteren Mitarbeitern geht es der Umfrage nach etwas besser; eine mögliche Erklärung hierfür ist die oft längere Betriebszugehörigkeit, die mit dem sozialen Gefühl der Gruppenzugehörigkeit einhergeht und die Selbstsicherheit im Job und mit dem Arbeitsumfeld, die junge Menschen mit dem Einstieg in die Arbeitswelt noch erlernen müssen.

Folgen der Einsamkeit: Warum soziale Beziehungen wichtig sind

Einsamkeit beeinflusst unsere Gesundheit. In der Medizin gibt es hierfür keine „Diagnose“, aber in der psychologischen Wissenschaft wird der oft mit mentalen Erkrankungen einhergehende Zustand als krankmachender Faktor betrachtet.

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Es ist belegt: Untersuchungen, unter anderem ein Bericht der Sozialpsychologin Naomi I. Eisenberger, ergaben, dass Menschen, die sich einsam fühlen, in Stresssituationen mehr Cortisol ausschütten. Im Gegensatz zu ihren Mitprobanden, die eine größeres Netz mit sozialen Kontakten haben, waren Teilnehmer ohne viele Kontakte angespannter. Das ist ein Problem – denn ein hoher Cortisolspiegel schadet uns, indem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ansteigt. Was Einsamkeit außerdem anrichtet:

  • Gefühle können nicht mit anderen besprochen werden, sodass sie destruktiv und belastend sind.
  • Wir schlafen schlechter, wenn wir unsere Sorgen nicht teilen können.
  • Ohne soziale Kontakte erleben wir keine gemeinsamen Glücksmomente mit anderen Menschen.
  • Wir fühlen uns häufig antriebslos, weil wir wenig haben, auf das wir uns freuen können.

4 Dinge, die Führungskräfte tun können, um die Einsamkeit von Mitarbeitern zu bekämpfen

Einsamkeit von Mitarbeitern kann zu einem Verlust der Arbeitsproduktivität führen. Um das zu verhindern und um Mitarbeitern zu beweisen, dass sie nicht alleine sind, sondern eine Bedeutung für das Unternehmen haben, sollten Führungskräfte aktiv werden.

Möglichkeit #1: Verwundbarkeit beginnt in Führungsetagen – zeige dich als Chef mit Gefühlen

Wie können Kinder mit den Gefühlen der Einsamkeit umgehen und sie zeigen, wenn ihre Eltern es nicht vormachen, die Gefühle verstecken oder diese sogar tadeln? Richtig: Es geht in eine (selbst)zerstörerische Richtung, die für niemanden gesund sein kann, wenn wir uns nicht so zeigen können, wie wir sind.

Eine ähnliche Vorbildfunktion nehmen Führungskräfte ein. Sie sollte in der Lage sein, ihre verletzliche Seite zu zeigen. Denn echte Verwundbarkeit ist keine Schwäche. Und: Fast niemand kennt die Einsamkeit so gut, wie die Menschen, die ganz oben sitzen und sich Tag für Tag beweisen müssen. Führungskräfte sind Menschen, die sich manchmal verstellen müssen, um das zu repräsentieren, was von ihnen erwartet wird. Wir sollten jedoch Abschied nehmen von falschen Idealen. Empathie, Verbindung und Authentizität sind ehrlicher, frischer und vor allem förderlicher für Mitarbeiter, die sich ebenfalls einsam fühlen. Es ist ein Gefühl, das menschlich und normal ist. Diese Menschlichkeit sollten Chefs zeigen.

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Möglichkeit #2: Optionen schaffen – Wahl zwischen Präsenz- und Remote-Arbeit

Remote Work kann das Gefühl der Einsamkeit deutlich verstärken, obwohl das flexible Arbeiten viele Vorteile mitbringt. Seit der Pandemie möchten viele Arbeitnehmer es nicht missen, ortsunabhängig arbeiten zu können. Und doch gibt es auch viele Beschäftigte, die die Kultur der Präsenzarbeit bevorzugen. Vor allem Gen Z sucht den sozialen Kontakt. Gute Freunde und Kollegen tragen zu unserem allgemeinen Wohlbefinden und zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz bei. Wenn es möglich ist, sollten Führungskräfte sich deshalb darum bemühen, Möglichkeiten zu schaffen, die Mitarbeitern die Wahl lassen, abwechselnd vom heimischen Büro aus und vor Ort zu arbeiten.

Möglichkeit #3: Vertrauensvolle Gespräche nehmen Ängste und Sorgen

Nicht immer entsteht Einsamkeit, weil wir uns im falschen Job befinden. Sondern auch und vor allem aufgrund von vergangenen Erfahrungen mit Mitmenschen oder mentalen Belastungen, die es nicht möglich machen, sich beispielsweise auf Beziehungen mit Teamkollegen einzulassen. Weil Mitarbeiter sich verunsichert oder verängstigt fühlen, schotten sie sich deshalb manchmal eher ab.

Führungskräfte können hier helfen: Ein vertrauensvolles Gespräch unter vier Augen und oft sogar schon das Unterbreiten des Angebots, zuhören zu wollen – beides kann hilfreich sein und sich für Betroffene befreiend anfühlen.

Möglichkeit #4: Nach der Meinung fragen und Mitarbeiter in Gespräche einbeziehen

Häufig fühlen wir uns isoliert, ungesehen und missverstanden, wenn niemand da ist, der unsere Meinung hören möchte. Dabei ist es das Bedürfnis eines jeden Mitarbeiters, eine Bedeutung zu haben und wichtig zu sein. Menschen, die eher zurückgezogen und in sich gekehrt sind, sollten deshalb aktiv in Gespräche einbezogen werden – auch wenn diese gerne in ihrer eigenen Komfortzone bleiben.

Das bedeutet nicht, Grenzen zu überschreiten. Dennoch gehört es zur Aufgabe einer guten Führungskraft, Mitarbeiter zu motivieren, sie nicht zu übergehen und ihnen vor allem zuzuhören. Vielleicht sind „vereinsamte Seelen“ manchmal etwas wortkarg. Nicht selten überraschen sie aber mit einem wichtigen Redebeitrag und Informationen, die eine neue Perspektive zeigen. Wichtig ist, Mitarbeiter zu ermutigen und ihnen Anerkennung für ihren Beitrag zu zeigen – auch wenn er nur klein ist. So ist es möglich, dass sie sich mehr zutrauen und einen Schritt aus ihrer Einsamkeit wagen.

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Schon gewusst?

Mit einer Auswertung von Daten aus dem sogenannten dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) konnten Forscher und Psychologen der Universitäten Cambridge, Bochum und Mannheim zeigen, in welchen deutschen Regionen sich Menschen generell am einsamsten fühlen. Es fällt auf, dass vor allem der Osten Deutschlands häufiger betroffen ist. Die Wissenschaftler erklären das Ergebnis unter anderem mit der „dünneren Siedlungsstruktur“ in vielen ostdeutschen Regionen. Der Abstand zu regionalen Zentren ist größer, sodass sich dadurch eine größere Vereinsamung ergeben dürfte.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Gründe für die Einsamkeit, die von den Wissenschaftlern genannt werden, noch nicht endgültig sind. Es wird weiterhin geforscht – denn Antworten können dabei helfen, Einsamkeit zu bekämpfen und das Wohlbefinden sowie die Lebensqualität von Menschen in Deutschland zu erhöhen.

Bildnachweis: DGLimages
Cramlington, United Kingdom/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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