In Streitgesprächen kann diese besondere Fähigkeit den entscheidenden Durchbruch bringen und zum Gewinnen der Diskussion führen – doch nicht jeder beherrscht sie.

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Häufig eskaliert die Situation in politischen Debatten, bei Streitgesprächen mit Kollegen oder während einer Diskussion mit Freunden. Redner versuchen sich gegenseitig mit Lautstärke oder Sarkasmus zu übertönen, ohne einander das Wort zu überlassen oder zuzuhören. In der Hitze des Gefechts wird es gar persönlich.

Das Dominanzspiel mag Macht oder Überlegenheit demonstrieren. Und kurzfristig ein befriedigendes Gefühl auslösen. Aber bestehende Probleme werden dadurch nicht unbedingt gelöst. Es geht auch anders, findet der preisgekrönte Autor, Journalist und Politikexperte Mehdi Hasan („Win Every Argument: The Art of Debating, Persuading, and Public Speaking“).

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Dafür sei ein einziger Skill notwendig, der die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhe, eine Diskussion zu gewinnen: empathisches als auch kritisches Zuhören.

Schon gewusst?

William Ury, Harvard-Professor und anerkannter Verhandlungsexperte, hat in seinen Untersuchungen bereits feststellen können: Wer sich während einer Diskussion lediglich auf seine Argumente konzentriert, nicht aber auf das Zuhören, scheitert eher in Verhandlungssituationen. Nur die, die tatsächlich die Kunst des Zuhörens beherrschen, waren demnach erfolgreich.

Die Fähigkeit des aufmerksamen Lauschens: Geht sie verloren?

Wir ordneten das Zuhören einem automatischen Prozess zu, als wäre es dem Atmen ähnlich, findet Wirtschaftspsychologin Ingrid Gerstbach. Oder: Als wäre es wie beim Verdauen von Nahrungsmitteln. Damit wird dem Zuhören fälschlicherweise eine viel zu passive Rolle zugeschrieben.

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Vielleicht, weil richtiges Zuhören eine Kunst für sich ist und Anstrengung erfordert, die nicht aufgebracht werden will. Es braucht Disziplin, viel Geduld und viel Übung, was die kurze Aufmerksamkeitsspanne vieler Menschen jedoch nicht zulässt. Zum Beispiel, weil die digitale Reizüberflutung heute eher dazu führt, den Fokus schneller zu verlieren. Piepen, Leuchten, Unterbrechungen überall, wo das Ohr hinhört oder das Auge hinschaut.

Auch Autor Hasan findet: Viel zu wenig Menschen beherrschen das Zuhören. Dabei sei kritisches als auch einfühlsames Zuhören der Schlüssel zum Erfolg, wenn es um das Gewinnen einer Debatte ginge. Denn viele, so der britisch-amerikanische Experte, beschäftigten sich während einer Diskussion eher damit, eigene Antworten vorzubereiten. Dies lässt ein aufmerksames Zuhören selten zu.

Kritisches und empathisches Zuhören: Der Schlüssel zum Gewinnen einer Diskussion

1. Wie gelingt das kritische Zuhören?

Das kritische Zuhören zählt zu den verschiedenen Unterarten des Zuhörens, welches nicht nur wichtig ist, um eine Diskussion als Sieger zu verlassen, sondern auch, um Gesagtes reflektieren zu können. Gibt der Chef zum Beispiel Feedback, hilft es wenig, sich unüberlegt oder impulsiv dagegen zu wehren, auch wenn das Gesagte zunächst vielleicht nach persönlicher Kritik oder gar trügerisch klingt. Ruhe bewahren – und genau zuhören.

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Kritisches Zuhören hilft in dieser Situationen dabei, die Frage zu beantworten, ob das Gesagte vertrauenswürdig, logisch und sinnvoll ist. Stimmt es, was der Chef sagt? Gewissermaßen erfordert das kritische Zuhören auch ein analytisches Denken, um beurteilen zu können, inwiefern wir uns selbst mit dem Gesagten zufriedengeben möchten, welcher Teil davon unserem Standpunkt entspricht – und was wir eher ablehnen.

Zum Vergleich: Kommt uns das Gesagte verdächtig vor und wollen wir sofort dagegen angehen, übersehen wir vielleicht ein Detail, um die Diskussion für uns zu entscheiden. Wir hören nur teilweise zu. Auch wenn wir uns im Kopf bereits Gegenargumente zurechtgelegt haben oder die Sache logisch erscheint – wer inhaltlich nicht auf das Argument des Verhandlungspartners eingehen kann, weil nicht kritisch zwischen den Zeilen gelesen werden konnte, muss sich auf eine Niederlage einstellen.

So trainieren wir das kritische Zuhören:

– Objektivität und Abstand gewinnen: Fühlen wir uns vom Gesprächspartner bedroht und spüren wir Unterlegenheit, sind wir ausschließlich damit beschäftigt, Warnzeichen zu suchen. Während eines Streitgesprächs ist es jedoch sinnvoll, emotional Abstand zu nehmen und so objektiv wie möglich auf der Argumentationsebene zu bleiben. Denn wer sich nur verteidigen statt zuhören will, gerät manchmal unwillentlich in einen Kampfmodus – obwohl noch gar nicht klar ist, ob wir angegriffen werden oder nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen, aber auch, um ruhig und gelassen zu bleiben, hilft es deshalb, eine andere, neue Perspektive einzunehmen, die weniger subjektiv ist.

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Tolerant und offen bleiben: Das mag vor allem in hitzigen Diskussionen schwierig sein. Wer sich jedoch von seiner toleranten und offenen Seite zeigt, wirkt nicht nur sympathisch, sondern vor allem auch vertrauenswürdig und diskussionsbereit, zumal dem Gegner Platz für seine Argumente gelassen wird und es nicht ums reine Gewinnen geht.

2. Wie gelingt das empathische Zuhören?

Hasan betont, dass seiner Meinung nach selbst die klügsten Menschen, die er kenne, nicht immer in der Lage seien, während eines Streitgesprächs Einfühlungsvermögen zu beweisen. Dabei erfüllt empathisches Zuhören gleich mehrere Funktionen:

  • Wir schaffen eine gute Gesprächsatmosphäre, die als Basis für eine konstruktive Diskussion dient.
  • Wir sorgen für Vertrauen und Verbindung.
  • Es gelingt uns, wirklich zu verstehen: Wer empathisch zuhört, will nicht nur gewinnen, sondern das nachvollziehen können, was das Gegenüber denkt und fühlt.
  • Zeigen wir Empathie, gelingt es eher, das zu bekommen, was wir uns wünschen, indem auch unser Gesprächspartner sich ermutigt fühlt, offen und einfühlsam zu sein.

So trainieren wir das einfühlsame Zuhören:

Körpersprache: Die körperliche Präsenz darf während einer Diskussion nicht unterschätzt werden, denn sie unterstützt oder entkräftet das, was wir sagen oder tun. Teilen wir jemandem mit, dass wir aufmerksam zuhören, vermeiden aber den Blickkontakt oder verschränken die Arme, sind das Warnsignale – denn so verraten wir, dass wir auf Durchzug schalten. Wichtig ist deshalb, den Blickkontakt zu suchen und sich dem Diskussionspartner zuzuwenden.

Nicht unterbrechen: Es fällt schwer, den Streitpartner während eines hitzigen Gefechts nicht zu unterbrechen. Vor allem ist es schwer, mit impulsiven Menschen zu diskutieren, die auf Lautstärke setzen. Dennoch ist es wichtig, sich nicht provozieren zu lassen oder sich ins Wort zu fallen. Einfühlsames Zuhören kann dabei helfen, nachzuvollziehen, was das Gegenüber so wütend macht. Wer das versteht und tatsächlich zuhört, kann das Gesagte in eigenen Worten wiedergeben, ohne zu urteilen. Zugleich ergibt sich dadurch die Chance, die Gunst und das Ohr des Diskussionspartners für sich zu gewinnen und anschließend sachlich den eigenen Standpunkt zu erläutern.

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Streitgespräch gewinnen: Gängige Fehler, die wir vermeiden sollten

So sehr wir auch versuchen, aufmerksam zuzuhören: Schon kleine Ablenkungen bringen uns manchmal aus der Ruhe. Das kann das Aufbringen eines provokanten Themas oder eines Scheinarguments sein, welches uns für einen Moment straucheln lässt. Wichtig ist deshalb, diesen Fehler zu vermeiden – denn du solltest nicht auf die Taktik hereinfallen. Lenke zurück zum Thema und mache dies auch deinem Gegenüber bewusst.

Ein weiterer Fehler: Wir werden persönlich. Haben wir uns ein Argument angehört und fällt uns kein Gegenargument ein, neigen wir dazu, auf die persönliche Ebene zu gehen und unser Gegenüber anzugreifen. Das ist ein grober Fehler, weil Vertrauens- und Glaubwürdigkeit einbüßen und auch der Respekt sich verabschiedet. Besser ist es deshalb, die wichtigsten Punkte im Zweifelsfall noch einmal zu betonen oder zu versuchen, sie alternativ umzuformulieren und Beispiele für das Gesagte zu bringen.

Und: Auch Einsicht ist wichtig. Haben wir eine Diskussion verloren, fällt es zwar schwer, es zuzugeben. Dennoch macht es auch uns zu Siegern, wenn wir die Niederlage sportlich nehmen.

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Bild: shapecharge/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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