Wirkt es unverschämt, gierig oder gar verzweifelt, im neuen Job schon nach kurzer Zeit mehr Geld zu verlangen? Wir haben die Antworten.

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Gehaltsverhandlungen sind ein brisantes Thema. Doch künftig soll sich vieles zugunsten von Arbeitnehmer:innen ändern. Darauf deutet zumindest eine aktuelle Prognose von StepStone im Gehaltsreport 2022 hin. Demnach haben sich die Löhne seit 2010 um etwa 2,4 Prozent erhöht und das passende Gehalt, so StepStone weiter, würde immer mehr darüber entscheiden, ob Arbeitnehmer:innen sich für oder gegen eine Stelle entscheiden. Unternehmen sind deshalb gefragt: Sie müssen sich kräftig ins Zeug legen und attraktive Angebote machen.

Zugleich zeigt die Untersuchung aber auch, dass 8 von 10 Beschäftigten nicht wissen, was ihre Kolleg:innen verdienen. Eine Erkenntnis, die darauf hindeutet, dass es sich noch immer um ein Tabuthema handelt. Das macht sich auch beim Thema Gehaltsverhandlungen bemerkbar. Denn eine Frage verunsichert Angestellte immer noch: Wann sollte man nach mehr Geld fragen, vor allem bei einem neuen Job?

Nicht warten – sondern selbst aktiv werden

Angestellte, die neu in einem Unternehmen sind, sollten bedenken, dass es einige Zeit dauern kann, bis Vorgesetzte die Stärken und individuellen Skills von Beschäftigten korrekt einordnen können. Auch Arbeitnehmer:innen, die seit mehreren Jahren für ein Unternehmen tätig sind, wissen, dass ihre Vorgesetzten nicht unbedingt von selbst mit einem Vorschlag für eine Lohnanpassung bei ihnen vor der Tür stehen werden.

Deshalb gilt: Initiative ergreifen! Wer eine neue Arbeitsstelle hat und nach kurzer Zeit, etwa nach der Probezeit, eine Lohnerhöhung für angemessen hält, sollte aktiv auf Arbeitgeber:innen zugehen. Ein offenes Gespräch, in dem du über deine Erwartungen und Bedürfnisse sprichst, zeigt, dass du deinen Wert kennst.

Wirkt es seltsam, schon nach kurzer Zeit mehr Geld zu verlangen?

Wie die Plattform WeltSparen gemeinsam mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov herausfand, haben ungefähr 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen bisher noch nie ihren eigenen Lohn verhandelt.

Eine Zahl, die erschreckend hoch wirkt. Dabei wird ein selbstbewusster Umgang mit dem Thema Geld für Beschäftigte immer wichtiger – in einer Arbeitswelt, in der Fachkräfte fehlen und der Wert von Arbeitnehmer:innen drastisch steigt. Dass der Versuch, bereits nach kurzer Zeit mehr Lohn auszuhandeln, verzweifelt oder gierig wirken könnte, klingt zunächst nachvollziehbar. Aber auch nach Beschämung und Tabuisierung. Das sollte uns nicht blockieren. Oder gar der Grund dafür sein, dass wir zwar eine Lohnerhöhung nachweislich verdient haben, diese aber nicht einfordern.

Übrigens: Im deutschen Arbeitsrecht gibt es kein Gesetz, welches festlegt, wann du eine Gehaltsverhandlung führen kannst. Viel wichtiger als der Zeitpunkt der Verhandlung ist die Begründung für eine Lohnerhöhung. Stichfeste Argumente, die nachweisen, dass du mehr Geld verlangen kannst, sind deshalb essenziell.

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Mit welcher Begründung können neue Arbeitnehmer:innen mehr Lohn verlangen?

Eine Gehaltsverhandlung ergibt nur Sinn, wenn du dich in deiner neuen Rolle bereits beweisen konntest. Wer zum Beispiel einen besonderen Mehrwert leistet und so hervorsticht, hat eine gute Argumentationsbasis. Heißt: Leistung spielt eine entscheidende Rolle. Ist diese deutlich mess- und erkennbar, stehen die Chancen auf einen positiven Verhandlungsabschluss gut.

Einige gute Begründungen im Überblick:

1. Du hast vereinbarte Ziele weit übertroffen

Wenn das Unternehmen nachweislich von einem Mehrwert profitiert, weil du mehr leisten konntest, als das ursprünglich Vereinbarte, ist das ein guter Grund für eine Lohnverhandlung. Das Unternehmen kann sich auf dich verlassen – und darauf vertrauen, dass du mit einer solchen Leistung auch in Zukunft besonders wertvoll sein wirst.

2. Du konntest dazu beitragen, die Kosten zu senken

Maßnahmen zur Kosteneinsparung sind in vielen Unternehmen ein zentrales Problem. Wenn du mit deinen Ideen und Konzepten überzeugst und erfolgreich die richtigen Hebel betätigst, um in puncto Einsparungen zu helfen, bist du deinem Ziel, mehr Geld für eine Arbeitsleistung zu erhalten, einen Schritt näher.

3. Du hast wichtige Kund:innen für das Unternehmen gewonnen:

Solltest du es geschafft haben, umsatzstarke Kund:innen zurückzugewinnen, zu reaktivieren oder neu dazuzugewinnen, hast du einen wichtigen Beitrag geleistet. Viele solcher Erfolge sind gut mess- und nachvollziehbar. Vorgesetzte können nun einen direkten Vergleich heranziehen: Die Mehrleistung wird besonders deutlich, wenn Kolleg:innen, die etwas länger im Unternehmen tätig sind, einen solchen Erfolg noch nicht nachweisen konnten.

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4. Du konntest eine besondere Lösung für ein Problem oder einen Prozess erarbeiten

Nichts beeindruckt deine Vorgesetzten mehr, als die Erarbeitung einer längst überfälligen Lösung für ein Problem, welches bisher nicht gelöst werden konnte. Sofern du mit deinen Kompetenzen und Fähigkeiten in der Lage bist, eine Prozessoptimierung zu erreichen oder zu einer besonderen Problemlösung beizutragen und damit Herausragendes zu leisten, schaffst du dir ebenfalls eine solide Argumentationsbasis für deine Gehaltsverhandlung.

Wie viel Prozent kann ich bei der Lohnverhandlung verlangen?

In der Praxis ist eine Lohnerhöhung nach der Probezeit bei neuen Angestellten keine Seltenheit. Nach dieser wichtigen Phase oder etwa nach einem Jahr, wenn du bereits ein fester Bestandteil des Teams bist, sollte eine Lohnanpassung mit einer Erhöhung von mindestens 3 bis 10 Prozent, je nach Leistung und Verantwortungsbereich, möglich sein. Wer neue Arbeitgeber:innen auf ungewöhnliche Weise beeindruckt und sogar aufsteigen kann, wird bis zu 15 Prozent mehr erhalten können.

Tipp: Häufig lohnt es sich, bei etwa 10 Prozent anzusetzen. Denn Arbeitgeber:innen verhandeln – das sollten Beschäftigte zumindest annehmen – nach unten. Damit die Lohnerhöhung nicht zu niedrig ausfällt, solltest du deshalb selbstbewusst eine höhere Zahl nennen, die deiner Leistung und deiner aktuellen Qualifikation entspricht.

Noch einige Tipps für deine Gehaltsverhandlung im neuen Job:

Tipp #1: Beginne mit positiven Argumenten, nicht mit Zahlen. So lenkst du den Fokus zunächst auf das, was du leisten konntest und baust dir ein solides Fundament, auf welchem du deine Gehaltsvorstellung platzierst.

Tipp #2: Argumentiere auch mit deinem Marktwert, wenn du deine Verhandlungspartner:innen von einer Lohnerhöhung überzeugen möchtest. Der Vergleich, was Unternehmen für dich zahlen würden, zieht in der Regel immer. Denn für Arbeitgeber:innen ist der Marktwert aktuell besonders wichtig: Sie müssen dafür sorgen, dass Beschäftigte nicht zur Konkurrenz abwandern – und deshalb ein mindestens genauso gutes oder gar besseres Angebot machen.

Tipp #3: Reflektiere deine Situation, bevor du eine Zahl festlegst. Es ist wichtig, dass deine Verhandlungspartner:innen deine Argumente gut nachvollziehen können, um einer Lohnerhöhung zuzustimmen.

Tipp #4: Eine Lohnerhöhung ist gerade nicht möglich? Auch das ist keine Seltenheit. Wenn Arbeitgeber:innen verneinen, hilft es, wenn du gezielt nach dem fragst, was für eine Erhöhung notwendig ist. Auf diese Weise lässt sich direkt eine konkrete Abmachung aushandeln – und du weißt jetzt genau, worauf du hinarbeiten kannst.

Denk dran: Wenn du konkrete Ziele mit Arbeitgeber:innen vereinbarst, um eine Lohnerhöhung zu erhalten, sollten diese am besten schriftlich festgehalten werden. So hast du im Zweifelsfall einen Nachweis.

Tipp #5: Halte deine Erfolge fest. Lege dir hierfür zum Beispiel einen separaten E-Mail-Ordner an, um alles zu dokumentieren. Die Aufzeichnung wird dir helfen, deine Argumentation für eine Lohnerhöhung aufzubauen.

Bildnachweis: TARIK KIZILKAYA/istockphoto.com

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